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Amors
Pfeile
sind
zarte
Flötentöne Immer wenn Amor mitten in die Herzen zielt – und das kommt in dieser Oper recht häufig vor – schickt er mit seiner Sopranflöte einen zarten Ton aus. Zielsicher erreicht dieser stets eine der vielen Personen in Cavallis komisch hintersinniger Oper von der Nymphe Calisto, die von Zeus (in Gestalt der Diana) verführt und unter dem Bannstrahl seiner eifersüchtigen Gattin am Schluss als Bärin am Sternenhimmel festgenagelt wird. Als reizender Cupido streicht die Flötistin Anna Fusek (auch einmal als Geigerin) auf der Suche nach Opfern mit ihrem Instrument im ganzen Theaterraum umher. Denn bei dieser Aufführung gibt es eine Bühne im eigentlichen Sinne nicht, jedenfalls nicht als Guckkasten. Ein schmaler Laufsteg teilt Zuschauer- und Bühnenraum in zwei Hälften, das ganze innere Theater ist Spielraum, schon vor dem Beginn klingt Musik auch durch die Foyers. Das Besondere aber ist die strenge Teilung des Publikums nach Geschlechtern: Den Damen ist der (bequemere) Zuschauerraum vorbehalten, die Herren nehmen auf der Bühne Platz. Auch das Orchester sitzt streng nach Geschlechtern getrennt. Bevor die actione teatrale beginnt, kann man sich noch ein wenig zuwinken, sofern man Partner oder Partnerin auf der anderen Seite entdeckt hat. Dann (ohne den Prolog) hebt das Spiel an: vor, hinter, zwischen und im Publikum – ein Spiel, das von zarter Verliebtheit, leidenschaftlicher Verführung, heftiger Eifersucht, wahren und falschen Versprechungen und immer wieder neuen Verwirrungen nur so überquillt. In
seiner zweiten Opernregie hat der Schauspielregisseur Jan Bosse ein
buntes und quirliges Musiktheater geschaffen, das Sinne, Gefühl
und Geist verzaubert. Cavallis Oper, als Karnevalsspaß 1651 in
Venedig uraufgeführt, wird hier zu einer Revue der Einfälle,
im besten Sinne barock, weil prall und lebendig und modern in der Wahl
der theatralischen Mittel. Mit einem Füllhorn von Ideen
verschwenden sich Jan Bosse, der Bühnen- bzw. Raumbildner
Stéphane Laimé und die Kostümbildnerin Kathrin Plath
hier an die von Giovanni Faustini geistreich anverwandelte Handlung aus
Ovids Metamorphosen. Kaum überbietbar ist die Spiellaune der
Akteure, bis in Nuancen hinein ausgefeilt und immer auf Messers
Schneide zwischen Tiefsinn und Komik. Jeder
Charakter ist deutlich gezeichnet, jeder Effekt pointiert gestaltet.
Kühlendes und inspirierendes Wasser ist das einzige Requisit
dieser Aufführung: Ein Regenvorhang fällt ab und an aus dem
Theaterhimmel, um die Emotionen zu kühlen oder für
Klärung zu sorgen. Auch als Projektionsfläche für
Videobilder dient er auf ganz poetische Weise. In überreich
phantasievollen Kostümen werden die Figuren durch die Handlung
geführt. Die hohen Gefühle der reinen Liebe sind vor allem
dem Hirten Endimione (innig und lyrisch der Counter Xavier Sabata)
zugedacht. Im Verfolgen derben Lustgewinns erreicht auf höchst
komödiantische Weise das Trio der bocksbeinigen Satyre (Alice
Borciani als Kleinster der Unholde, Andrew Murphy als Wüstling
Silvano und als lüsterner Pan Michael Feyfar) mühelos
shakespearesches Format. Einen lächerlich gockelhaften Jupiter
spielt Luca Tittoro in der Verkleidung der Jagdgöttin mit
erzkomischem Temperament und zeigt sängerisches Höchstformat
sowohl in der Bass-gerundeten Bruststimme wie im Falsett.
Hingebungsvoll beflissen dient ihm Nikolai Borchev als Helfershelfer
und Gelegenheitsmacher Mercurio. In ihrem erotischen Erwachen
verströmt Maya Boog als die umworbene Nymphe Calisto
verschwenderisch natürlichen Charme und als ihre
Widersacherin Juno, die ständig betrogene Olympiergattin, zeigt
Geraldine Cassidy ebenso stil- wie eindrucksvoll ihre auch stimmlichen
Krallen. Die originale Diana,
angeblich ein Ausbund an Tugend, gibt Agata Wilewska mal
kühl,
mal leidenschaftlich,
so wie sie's gerade braucht.Der
Counter
Flavio
Ferri
Benedetti
schließlich liefert als Dianas
Diener“in“ Linfea eine ganz besonders abgedrehte,
heißblütige Show. Vom
Cavali-erfahrenen Andrea Marcon souverän geführt spielt das
heimische La Cetra Barockorchester feinnervig und farbenreich auf.
Cavallis Musik schwingt und federt, pulst und glüht und zieht in
ihren rhythmischen Bann. Anmut und Lebensfreude dieser Musik werden
genussvoll ausgespielt; ein sprühendes Vergnügen auch hier. Warum
aber die Trennung nach Geschlechtern? In der Handlung sieht und
hört man von den tragikomischen Verstrickungen zwischen den
Geschlechtern. Da betrachtet es sich gut aus der Distanz, wie
unterschiedlich dabei die Empfindungen sind - frau/man lacht einfach an
anderen Stellen! Und wenn die Akteure sich direkt ans Publikum wenden,
erreichen Schimpf und Schande ohne Umschweife gleich die richtige
Adresse. Wenn dann alle gemeinsam das anrührend melancholische
Schlussbild produzieren, sind sie wieder vereint: Zum
Abschiedsduett Calistos und Gioves zaubert das ganze Publikum mittels
ausgeteilter Glühlämpchen einen leuchtenden Sternenhimmel in
den nächtlichen Raum. So geht ein besonderer Opernabend zuende,
überreich an Tempo, Eleganz und Witz. FAZIT
Die
einhellige Meinung des Publikums: „Super gsi!“
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Produktionsteam
Musikalische
Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht Ulrike Lindemann
Dramaturgie
Giove
Mercurio Calisto Endimione Linfea Pane
Giunone Satirino Le
Furie Amore
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©
2010
-
Online
Musik
Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de
-
Fine -