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La Calisto

Dramma per musica in drei Akten und einem Prolog
Libretto von Giovanni Faustini
Musik von  Francesco Cavalli


In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
In Zusammenarbeit mit der Schola Cantorum Basiliensis
Eine Koproduktion mit der Oper Frankfurt

Premiere im Theater Basel am 21. Mai 2010
Besuchte Aufführung am 11. Juni 2010

Aufführungsdauer: ca. 3 Stunden. Eiine Pause

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Theater Basel
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Amors Pfeile sind zarte Flötentöne

Von Christoph Wurzel

Immer wenn Amor mitten in die Herzen zielt – und das kommt in dieser Oper recht häufig vor – schickt er mit seiner Sopranflöte einen zarten Ton aus. Zielsicher erreicht dieser stets eine der vielen Personen in Cavallis komisch hintersinniger Oper von der Nymphe Calisto, die von Zeus (in Gestalt der Diana) verführt und unter dem Bannstrahl seiner eifersüchtigen Gattin am Schluss als Bärin am Sternenhimmel festgenagelt wird. Als reizender Cupido streicht die Flötistin Anna Fusek (auch einmal als Geigerin) auf der Suche nach Opfern mit ihrem Instrument im ganzen Theaterraum umher. Denn bei dieser Aufführung gibt es eine Bühne im eigentlichen Sinne nicht, jedenfalls nicht als Guckkasten. Ein schmaler Laufsteg teilt Zuschauer- und Bühnenraum in zwei Hälften, das ganze innere Theater ist Spielraum, schon vor dem Beginn klingt Musik auch durch die Foyers. Das Besondere aber ist die strenge Teilung des Publikums nach Geschlechtern: Den Damen ist der (bequemere) Zuschauerraum vorbehalten, die Herren nehmen auf der  Bühne Platz. Auch das Orchester sitzt streng nach Geschlechtern getrennt. Bevor die actione teatrale beginnt, kann man sich noch ein wenig zuwinken, sofern man Partner oder Partnerin  auf der anderen Seite entdeckt hat. Dann (ohne den Prolog) hebt das Spiel an: vor, hinter, zwischen und im Publikum – ein Spiel, das von zarter Verliebtheit, leidenschaftlicher Verführung, heftiger Eifersucht, wahren und falschen Versprechungen und immer wieder neuen Verwirrungen nur so überquillt.

In seiner zweiten Opernregie hat der Schauspielregisseur Jan Bosse ein buntes und quirliges Musiktheater geschaffen, das Sinne, Gefühl und Geist verzaubert. Cavallis Oper, als Karnevalsspaß 1651 in Venedig uraufgeführt, wird hier zu einer Revue der Einfälle, im besten Sinne barock, weil prall und lebendig und modern in der Wahl der theatralischen Mittel. Mit einem Füllhorn von Ideen verschwenden sich Jan Bosse, der Bühnen- bzw. Raumbildner Stéphane Laimé und die Kostümbildnerin Kathrin Plath hier an die von Giovanni Faustini geistreich anverwandelte Handlung aus Ovids Metamorphosen. Kaum überbietbar ist die Spiellaune der Akteure, bis in Nuancen hinein ausgefeilt und immer auf Messers Schneide zwischen Tiefsinn und Komik.

Jeder Charakter ist deutlich gezeichnet, jeder Effekt pointiert gestaltet. Kühlendes und inspirierendes Wasser ist das einzige Requisit dieser Aufführung: Ein Regenvorhang fällt ab und an aus dem Theaterhimmel, um die Emotionen zu kühlen oder für Klärung zu sorgen. Auch als Projektionsfläche für Videobilder dient er auf ganz poetische Weise. In überreich phantasievollen Kostümen werden die Figuren durch die Handlung geführt. Die hohen Gefühle der reinen Liebe sind vor allem dem Hirten Endimione (innig und lyrisch der Counter Xavier Sabata) zugedacht. Im Verfolgen derben Lustgewinns erreicht auf höchst komödiantische Weise das Trio der bocksbeinigen Satyre (Alice Borciani als Kleinster der Unholde, Andrew Murphy als Wüstling Silvano und als lüsterner Pan Michael Feyfar) mühelos shakespearesches Format. Einen lächerlich gockelhaften Jupiter spielt Luca Tittoro in der Verkleidung der Jagdgöttin mit erzkomischem Temperament und zeigt sängerisches Höchstformat sowohl in der Bass-gerundeten Bruststimme wie im Falsett. Hingebungsvoll beflissen dient ihm Nikolai Borchev als Helfershelfer und Gelegenheitsmacher Mercurio. In ihrem  erotischen Erwachen verströmt Maya Boog als die umworbene Nymphe Calisto verschwenderisch natürlichen Charme und als  ihre Widersacherin Juno, die ständig betrogene Olympiergattin, zeigt Geraldine Cassidy ebenso stil- wie eindrucksvoll ihre auch stimmlichen Krallen. Die originale Diana, angeblich ein Ausbund an Tugend, gibt Agata Wilewska  mal kühl, mal leidenschaftlich, so wie sie's gerade braucht.Der Counter Flavio Ferri Benedetti schließlich liefert als Dianas Diener“in“ Linfea eine ganz besonders abgedrehte, heißblütige Show.

Vom Cavali-erfahrenen Andrea Marcon souverän geführt spielt das heimische La Cetra Barockorchester feinnervig und farbenreich auf. Cavallis Musik schwingt und federt, pulst und glüht und zieht in ihren rhythmischen Bann. Anmut und Lebensfreude dieser Musik werden genussvoll ausgespielt; ein sprühendes Vergnügen auch hier.

Warum aber die Trennung nach Geschlechtern? In der Handlung sieht und hört man von den tragikomischen Verstrickungen zwischen den Geschlechtern. Da betrachtet es sich gut aus der Distanz, wie unterschiedlich dabei die Empfindungen sind - frau/man lacht einfach an anderen Stellen! Und wenn die Akteure sich direkt ans Publikum wenden, erreichen Schimpf und Schande ohne Umschweife gleich die richtige Adresse. Wenn dann alle gemeinsam das anrührend melancholische Schlussbild  produzieren, sind sie wieder vereint: Zum Abschiedsduett Calistos und Gioves zaubert das ganze Publikum mittels ausgeteilter Glühlämpchen einen leuchtenden Sternenhimmel in den nächtlichen Raum. So geht ein besonderer Opernabend zuende, überreich an Tempo, Eleganz und Witz.

FAZIT

Die einhellige Meinung des Publikums: „Super gsi!“



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andrea Marcon

Inszenierung
Jan Bosse

Bühnenbild
Stéphane Laimé

Kostüme
Kathrin Plath

Licht
Hermann Münzer

Video
Ulrike Lindemann


Choreinstudierung
Johannes Keller

Dramaturgie
Ute Vollmar



Chor Studierender der
Schola Cantorum Basiliensis

La Cetra Barockorchester
Basel


Solisten

Giove
Luca Tittoro

Mercurio
Nikolay Borchev

Diana
Agata Wilewska

Calisto
Maya Boog

Endimione
Xavier Sabata

Linfea
Flavio Ferri Benedetti

Pane
Michael Feyfar

Silvano
Andrew Murphy

Giunone
Geraldine Cassidy

Satirino
Alice Borciani

Le Furie
Soli des Studierendenchores

Amore
Anna Fusek


Weitere Informationen
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