Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Chabries OffenbachiadeVon Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Matthias Stutte
Neben Genf, New York und Berlin hat auch das Theater Bielefeld in dieser Spielzeit L'Etoile von Emmanuel Chabrier neu inszeniert. 1877 an dem einstigen Offenbach-Theater Les Bouffes Parisiens uraufgeführt, reiht sich diese opéra bouffe ein in die gesellschaftskritischen Operettenwerke Jacques Offenbachs, fand jedoch wahrscheinlich aufgrund der geänderten politischen Situation nicht das erwartete Echo. Der Stern ist ein merkwürdiges Gemisch aus Sprachwitz, Märchenromantik, schwarzhumorigem, absurden Theater und von leichter Hand gesetzter, musikalischer Komik. Da besingt der verliebte, fliegende Händler Lazuli in einer anrührenden Romanze seinen Schicksalsstern, ihm seine Zukunftswünsche zu erfüllen und schließlich darf er natürlich seine angebetete Prinzessin heiraten. Es gibt u.a. ein Kitzel-Trio, mit dem der Schlafende im Drevierteltakt wach gekitzelt wird, ein Kuss-Quartett, in dem die wunderbaren Wirkungen des Küssens dargelegt werden, ein Strophenlied über die wichtige Einrichtung des Ehemanns, mehrere Trinklieder, wo Rausch und Weinseligkeit witzig, spritzig musikalisch umgesetzt werden. Herren des Bielefelder Opernchores
All dieses passiert auf dem Hintergrund des Terrorregimes König Oufs I., der sein Volk bespitzelt, einmal im Jahr zu seinem Geburtstag mit einer öffentlichen Hinrichtung erfreuen will und plötzlich feststellen muss, dass laut Hofastrologe Siroco sein Lebensfaden mit dem zum Tode verurteilten Lazuli eng verknüpft sei. Dabei werden musikalisch Todesfurcht und schrecken oft mit Tänzen und ausgelassener Lustigkeit beantwortet, in dieselbe transformiert, ganz besonders deutlich z.B. im zweiten Akt, wenn sich der Beileidschor in einen Cancan verwandelt. Regisseur Robert Lehmeier verlegt das Königreich des Ouf in den verstaubten Büromief der 1950/60er Jahre, ein Karussell aus hoher, holzvertäfelter Wand, Schreibtisch, rechts und links platzierten, stummen Sekretären nebst Telephon. Ouf I., in silbrig und pink farbenem Tütü schillernd, regiert eine Masse aus braun- und beigefarben gekleideten Büroangestellten mit Aktentasche, Wollweste, Mickeymaus-Ohren und aus einheitlich mauvefarben gekleideten, blonden Frauen mit toupierter Aufsteckfrisur, Hütchen, Staubwedel und Spraydose. Opernchor und Lazuli (Susanne Kreusch) In Anlehnung an die Bedeutung des französischen Begriffs Ouf (onomatopoetischer Ausdruck der Erleichterung) verlegt Lehmeier die Einführung des Protagonisten auf ein auf dem Schreibtisch platzierten Nachttopf-Thron, dessen Inhalt anschließend vom mit roten Lackpumps ausstaffierten Siroco für das königliche Horoskop ausgewertet wird. Zu diesen witzigen Regieeinfällen gehört auch die mit Sternenzepter und glitzernder Perücke personifizierte Schicksalsgöttin, die zunächst zur Melodie der Lazuli-Romanze in der Ouvertüre erscheint, das Bühnengeschehen hinterherstolpernd begleitet und am Ende resignierend zur Flasche greift. Geschickt sind Szenenbilder und Dramaturgie der Musik miteinander verknüpft. Angst und Entsetzen werden z.B. zugespitzt, indem mal die Bewegung eingefroren, mal das erstarrte Bild aufgelöst wird, allerdings wirken sich die wahrscheinlich technisch bedingten Pausen störend auf den schnellen Wechsel von Dialog- und Musikabschnitten aus. Prinzessin Laoula in diplomatischer Begleitung (von l. nach r.: Aloès (Sarah Kuffner), Hérisson de Porc-Epic (Dirk Mestmacher), Tapioca (Thomas Winter), Laoula (Victoria Granlund))Publikumsliebling des Abends sind der darstellerisch und sängerisch differenziert und homogen gestaltende Chor sowie der kanadische Tenor Eric Laporte als Ouf I. . Brillant spielt er seine Rolle und erinnert in Gestik und Mimik an Charly Chaplins Hitler-Parodie. Neben einigen Koordinationsproblemen mit dem Orchester hätte er jedoch auch sängerisch die komödiantisch-musikalischen Gesten z.B. im Duetto de la Chartreuse verte stärker hervorheben können. Cornelie Isenburger, die in der besprochenen Aufführung die Rolle der Laoula sang, überzeugt mit klangvollem, lyrischen Sopran und differenziert gestalteten Melodien. Sahra Kuffner ist eine ebenso leuchtende, lyrisch tönende Aloès, Dirk Mestmacher stellt Fürst Hérisson de Porc-Epic als distinguiert aufgeblasenen, in den Dialogpassagen leicht näselnden Diplomat dar. Melanie Kreuter, die an diesem Abend die Rolle des Lazuli übernahm, leuchtet in der Höhe wunderbar wohlklingend, verfügt jedoch nicht über den für diesen Part erforderlichen tiefgründigen Stimmklang.
Eine unterhaltsame, hintersinnige Inszenierung, die musikalisch zumindest an diesem Sonntagnachmittag - nicht so richtig überzeugen konnte. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Licht
Choreographie
Choreinstudierung
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der rezensierten Aufführung König Ouf I. Eric Laporte
Lazuli
Prinzessin Laoula
Siroco
Hérisson de Porc-Epic
Aloès
Tapioca
L'Etoile
Polizeichef
Bürgermeister
Zalzal
Patacha
|
© 2010 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de