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Musiktheater
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L'Etoile (Der Stern)

Opéra bouffe in drei Akten
Libretto von Eugène Leterrier und Albert Guillaume Florent Vanloo
Deutsche Dialogfassung von Robert Lehmeier
Musik von Emmanuel Chabrier


Gesangstexte in französischer Sprache mit Übertiteln
Dialoge in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: 2 Stunden 20' (eine Pause)

Premiere im Stadttheater Bielefeld am 7.11.2009
Rezensierte Aufführung am 28.2.2010


Logo: Theater Bielefeld

Theater Bielefeld
(Homepage)

Chabries Offenbachiade

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Matthias Stutte


Neben Genf, New York und Berlin hat auch das Theater Bielefeld in dieser Spielzeit L'Etoile von Emmanuel Chabrier neu inszeniert. 1877 an dem einstigen Offenbach-Theater „Les Bouffes Parisiens“ uraufgeführt, reiht sich diese „opéra bouffe“ ein in die gesellschaftskritischen Operettenwerke Jacques Offenbachs, fand jedoch – wahrscheinlich aufgrund der geänderten politischen Situation – nicht das erwartete Echo. Der Stern ist ein merkwürdiges Gemisch aus Sprachwitz, Märchenromantik, schwarzhumorigem, absurden Theater und von leichter Hand gesetzter, musikalischer Komik.

Da besingt der verliebte, fliegende Händler Lazuli in einer anrührenden Romanze seinen Schicksalsstern, ihm seine Zukunftswünsche zu erfüllen und schließlich darf er natürlich seine angebetete Prinzessin heiraten. Es gibt u.a. ein Kitzel-Trio, mit dem der Schlafende im Drevierteltakt wach gekitzelt wird, ein Kuss-Quartett, in dem die wunderbaren Wirkungen des Küssens dargelegt werden, ein Strophenlied über die wichtige Einrichtung des Ehemanns, mehrere Trinklieder, wo Rausch und Weinseligkeit witzig, spritzig musikalisch umgesetzt werden.

Vergrößerung in neuem Fenster Herren des Bielefelder Opernchores

All dieses passiert auf dem Hintergrund des Terrorregimes König Oufs I., der sein Volk bespitzelt, einmal im Jahr zu seinem Geburtstag mit einer öffentlichen Hinrichtung erfreuen will und plötzlich feststellen muss, dass laut Hofastrologe Siroco sein Lebensfaden mit dem zum Tode verurteilten Lazuli eng verknüpft sei. Dabei werden musikalisch Todesfurcht und –schrecken oft mit Tänzen und ausgelassener Lustigkeit beantwortet, in dieselbe transformiert, ganz besonders deutlich z.B. im zweiten Akt, wenn sich der Beileidschor in einen Cancan verwandelt.

Regisseur Robert Lehmeier verlegt das Königreich des Ouf in den verstaubten Büromief der 1950/60er Jahre, ein Karussell aus hoher, holzvertäfelter Wand, Schreibtisch, rechts und links platzierten, stummen Sekretären nebst Telephon. Ouf I., in silbrig und pink farbenem Tütü schillernd, regiert eine Masse aus braun- und beigefarben gekleideten Büroangestellten mit Aktentasche, Wollweste, Mickeymaus-Ohren und aus einheitlich mauvefarben gekleideten, blonden Frauen mit toupierter Aufsteckfrisur, Hütchen, Staubwedel und Spraydose.

Vergrößerung in neuem Fenster

Opernchor und Lazuli (Susanne Kreusch)

In Anlehnung an die Bedeutung des französischen Begriffs „Ouf“ (onomatopoetischer Ausdruck der Erleichterung) verlegt Lehmeier die Einführung des Protagonisten auf ein auf dem Schreibtisch platzierten Nachttopf-Thron, dessen Inhalt anschließend vom mit roten Lackpumps ausstaffierten Siroco für das königliche Horoskop ausgewertet wird. Zu diesen witzigen Regieeinfällen gehört auch die mit Sternenzepter und glitzernder Perücke personifizierte Schicksalsgöttin, die zunächst zur Melodie der Lazuli-Romanze in der Ouvertüre erscheint, das Bühnengeschehen hinterherstolpernd begleitet und am Ende resignierend zur Flasche greift.

Geschickt sind Szenenbilder und Dramaturgie der Musik miteinander verknüpft. Angst und Entsetzen werden z.B. zugespitzt, indem mal die Bewegung eingefroren, mal das erstarrte Bild aufgelöst wird, allerdings wirken sich die wahrscheinlich technisch bedingten Pausen störend auf den schnellen Wechsel von Dialog- und Musikabschnitten aus.

Vergrößerung in neuem Fenster Prinzessin Laoula in diplomatischer Begleitung (von l. nach r.: Aloès (Sarah Kuffner), Hérisson de Porc-Epic (Dirk Mestmacher), Tapioca (Thomas Winter), Laoula (Victoria Granlund))

Publikumsliebling des Abends sind der darstellerisch und sängerisch differenziert und homogen gestaltende Chor sowie der kanadische Tenor Eric Laporte als Ouf I. . Brillant spielt er seine Rolle und erinnert in Gestik und Mimik an Charly Chaplins Hitler-Parodie. Neben einigen Koordinationsproblemen mit dem Orchester hätte er jedoch auch sängerisch die komödiantisch-musikalischen Gesten z.B. im „Duetto de la Chartreuse verte“ stärker hervorheben können. Cornelie Isenburger, die in der besprochenen Aufführung die Rolle der Laoula sang, überzeugt mit klangvollem, lyrischen Sopran und differenziert gestalteten Melodien. Sahra Kuffner ist eine ebenso leuchtende, lyrisch tönende Aloès, Dirk Mestmacher stellt Fürst Hérisson de Porc-Epic als distinguiert aufgeblasenen, in den Dialogpassagen leicht näselnden Diplomat dar. Melanie Kreuter, die an diesem Abend die Rolle des Lazuli übernahm, leuchtet in der Höhe wunderbar wohlklingend, verfügt jedoch nicht über den für diesen Part erforderlichen tiefgründigen Stimmklang.


FAZIT

Eine unterhaltsame, hintersinnige Inszenierung, die musikalisch – zumindest an diesem Sonntagnachmittag - nicht so richtig überzeugen konnte.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Peter Kuhn
(in der rezensierten Aufführung:
Alexis Agrafiotis)

Inszenierung
Robert Lehmeier

Bühne und Kostüme
Tom Musch

Licht
Gregor Fritz

Choreographie
Gregory Le Blanc

Choreinstudierung
Hagen Enke

Dramaturgie
Jón Philipp von Linden


Opernchor des
Theater Bielefeld

Bielefelder Philharmoniker


Solisten


* Besetzung der rezensierten Aufführung

König Ouf I.
Eric Laporte

Lazuli
Susanne Kreusch /
*Melanie Kreuter

Prinzessin Laoula
Victoria Granlund /
* Cornelie Isenbürger

Siroco
Jacek Janiszewski

Hérisson de Porc-Epic
Dirk Mestmacher

Aloès
Sarah Kuffner

Tapioca
Thomas Winter

L'Etoile
Therese Berger

Polizeichef
Thomas Doer Gornowicz

Bürgermeister
Jean Tabouratzakis

Zalzal
George Ziviwadse

Patacha
Krzyzstof Gornowicz


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Bielefeld
(Homepage)



Da capo al Fine

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