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Die Erschaffung des künstlichen MenschenVon Stefan Schmöe / Fotos von Lilian Szokody
Es ist ein hübscher Zufall, dass die Bonner Premiere von d'Alberts weitgehend vergessener Oper Der Golem fast zeitgleich zur mit Aplomb gefeierten Wiederaufführung von Fritz Langs Filmklassiker Metropolis auf der Biennale zusammen fiel. Beide Werke sind in den Jahren 1925/26 entstanden, und beide kreisen, wenn auch mit anderen Vorzeichen, um die Erschaffung eines künstlichen Menschen. Verfilmt worden war die Geschichte vom Prager Golem allerdings schon früher, in einer Trilogie von Paul Wegener zwischen 1914 und 1920. Der Legende nach (die im 18. Jahrhundert aufgekommen ist) hat der Rabbi Löw im Jahr 1580 ein künstliches Wesen aus Lehm geschaffen und diesem Leben eingehaucht. So sehr d'Alberts Oper daher dem Zeitgeist verpflichtet scheint, so unpassend muss das Sujet in der antisemitisch vergifteten Atmosphäre des aufkommenden Nationalsozialismus gewesen sein. Jedenfalls verschwand der Golem schnell wieder aus den Spielplänen. Rabbi Loew (Alfred Reiter) und Pflegetochter Lea (Ingeborg Greiner)
Musikalisch ist der Golem weitaus weniger reißerisch und plakativ als das 23 Jahre zuvor entstandene und lange Zeit an den Theatern außerordentlich beliebte Tiefland, zuletzt rheinabwärts in Düsseldorf und Duisburg noch auf dem Spielplan, und verdient durchaus den Versuch einer Rehabilitierung. Zwar plündert d'Albert auch hier eklektizistisch das verfügbare Material der Wagner- und Post-Wagner-Epoche, kontrastiert vergleichsweise moderne Klangflächen mit teils doch recht banalen melodischen Entwicklungen, aber im Ganzen entwickelt die Oper durchaus ihren musikalischen Reiz zumal Chefdirigent Stefan Blunier am Pult des sehr gut aufgelegten Beethoven Orchesters sehr sicher den richtigen Tonfall findet, biegsam und geschmeidig die Orchesterlinien nachzeichnet und auf allzu pathetische Ausbrüche verzichtet. Er setzt (das bekräftigt er auch im Programmheft) die Partitur eher in die Nähe Puccinis als in die Tradition deutscher, oft allzu dröhnender Wagner-Nachfolge, musiziert recht zurückgenommen und sängerfreundlich. Dadurch kann sich das breite Spektrum an vornehmlich düsteren Klangfarben gut entwickeln. Lea gibt dem Golem (Mark Morouse) seine Stimme
Entgegen kommt dieser Ansatz auch Ingeborg Greiner als Lea, der Pflegetochter des Rabbi Loew, die sich in den Golem verliebt und diesem die Stimme erweckt gemeint ist in der Inszenierung von Andrea Schwalbach wohl auch die Fähigkeit, Gefühle zu entwickeln. Ingeborg Greiners im Gestus jugendlich-dramatischer, aber wenig kraftvoller und dadurch schnell gefährdeter Sopran fügt sich schön in den kontrollierten Orchesterklang ein und bildet einen interessanten Kontrast zu den beiden großen, düsteren Männerpartien. Alfred Reiter ist ein körperlich wie stimmlich imposanter Rabbi Loew mit großem, kontrolliertem Ton. Ihm zur Seite steht mit Mark Morouse als Golem ein Wagner-erprobter Hüne, der in der hier besprochenen Aufführung wegen einer Viruserkrankung nur spielen, aber nicht singen konnte. Von der Seite sang Bernd Valentin, ansonsten gerade in Kaiserslautern und Innsbruck beschäftigt, akkurat und ohne Tadel, auch wenn die Partie in den dramatischen Passagen an die Grenzen seiner stimmlichen Möglichkeiten stößt. Tansel Akzeybek ist mit leichtem und hellem Tenor ein überzeugender Jünger des Rabbi, der mit dem Golem um Lea rivalisiert. Da auch der Chor durchweg überzeugt, gelingt der Bonner Oper eine musikalisch geschlossene Ensembleleistung, die auch auf CD dokumentiert werden soll. Lea und Golem
Regisseurin Andrea Schwalbach verlegt die Geschichte in einen geschlossenen Kuppelsaal (Bühne: Anne Neuser), dessen Decke wie bei einem Observatorium geöffnet ist ein Teleskop sucht man allerdings vergebens, statt dessen beherrscht eine überdimensionierte geometrische Figur aus Holzlatten die Bühne. Der Rabbi erscheint in großbürgerlicher Eleganz, Kaiser Rudolph in dekadentem Chic(Kostüme: Stephan von Wedel). Die Geschichte ist dadurch zeitlich nicht fixiert und offen für verschiedene Deutungen. Im Kabinett des Rabbi vegetieren einige Menschen willenlos wie Puppen. Hinzuerfunden hat die Regisseurin eine stumme Figur, eine Jüdin, die der Kaiser im Kabinett des Rabbi zurück lässt und deren Mensch-Sein den Kontrast zur puppenhaften Existenz der Wesen im Einflussbereich des Rabbi bildet. Den Menschen erschaffen, das kann man auch verstehen als: Den Menschen verstümmeln. Die junge Frau wird in Loews Kabinett nicht lange überleben. Ensemble
Die sachlich-abstrahierende Erzählweise erinnert an Hans Hollmanns Inszenierung von Szymanowskis Król Roger aus dem vorigen Jahr (unsere Rezension), fast gleichzeitig mit dem Golem entstanden. So ergeben sich sinnvolle Querbezüge über die Spielzeit hinaus. Auch wirkt die Inszenierung gerade dann, wenn sie auf große Gesten verzichtet, beruhigend gegenüber der reichlich verquasten Sprache des Librettos von Ferdinand Lion (der auch für Paul Hindemith den Text zu Cardillac verfasste). Allerdings gelingt es der Regie nicht, den Hauptfiguren ein dramatisch plausibles Profil zu verleihen. Was den Rabbi antreibt, das bleibt ebenso unklar wie die Gefühlswelt des Golems oder die merkwürdige Liebe Leas zu diesem Halbmenschen. Die Figuren wirken ziemlich hölzern, auf dem Papier entwickelt, ohne zum Bühnenleben zu erwachen. So bleibt der Golem ein rätselhaftes, sperriges Werk.
Die Rehabilitation von d'Alberts Golem gelingt vor allem musikalisch; szenisch bleiben trotz einer engagierten Regie Zweifel an der Bühnentauglichkeit der Oper. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Chorleitung
Dramaturgie
Solisten
Der Golem
Rabbi Loew
Der Jünger des Rabbi
Lea
Kaiser Rudolf II.
1. Jude
2. Jude
Jüdin
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