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A kékszakállú herceg vára
(Herzog Blaubarts Burg)

Oper in einem Akt
Text von Béla Balázs
Musik von Béla Bártok

In ungarischer Sprache mit englischen Übertiteln

Premiere am 11. Oktober 2009 in der Staatsoper Budapest
(rezensierte Aufführung: 14.10.2009)

Aufführungsdauer: ca. 2 h 20' (eine Pause)


Homepage

Staatsoper Budapest
(Homepage)
Bilder einer Beziehungskrise

Von Stefan Schmöe / Fotos von Évi Fábián



Vergrößerung

Erste Aufführung, fast klassisch: Judit (Viktória Vizin) in Herzog Blaubarts Burg

Ein Mann und eine Frau, dazu sieben verschlossene Türen, die den Zugang zur Seele des Mannes bilden - Herzog Blaubarts Burg ist kein Märchen, sondern ein modernes Beziehungsdrama. Die Musik, die den beiden Darstellern keine einzige „richtige“ Arie, sondern nur kurze Ariosi gönnt, scheint aus dem Unbewussten zu kommen, das Unbewusste hervor zu kehren. Nicht ohne Grund diente Bartóks Einakter der jüngst verstorbenen großen Erneuerin des Tanztheaters, Pina Bausch, zur Vorlage des Stückes, mit dem sie die Tanzwelt revolutionierte – „beim Anhören eines Tonbandes“, so der Untertitel ihrer Blaubart-Version von 1974. Darin spulen die Tänzerinnen und Tänzer die Tonbandaufnahme vor und zurück, insistieren auf einzelnen Abschnitten und treiben den Geschlechterkampf auf die Spitze. Auch wenn das seinerzeit natürlich keine Inszenierung (schon gar keine „werktreue“) von Bartóks Oper war, sondern „nur“ das Material daraus bezog, ist hier rezeptionsgeschichtlich abgesteckt, was das Werk an Beziehungskonfliktpotential beinhaltet.

Vergrößerung Judit (Viktória Vizin)

Herzog Blaubarts Burg gehört als einzige „klassische“ ungarische Oper mit internationalem Erfolg zum Kernrepertoire der Budapester Staatsoper (die laut Programmheft vor dieser Neuproduktion auf 507 Aufführungen kommt!). Problematisch ist die Kürze der Oper von gerade einmal einer Stunde, was in der Regel die Kopplung mit einem anderen Einakter erfordert – wobei die Musik wiederum so gewichtig ist, dass sie sich kaum mit einem anderen Werk verträgt. In Budapest hat man sich daher für eine bereits in Hamburg und Frankfurt erprobte Lösung entschieden: „Egy opera kétszer“ („eine Oper zweimal“), wie es lässig in den Ankündigungen heißt. Nach der Pause wird die Oper einfach noch einmal gespielt, mit nicht allzu großen, aber entscheidenden Änderungen in der Inszenierung. Einmal die Perspektive des Mannes, einmal die der Frau zu erzählen, das erschien dem Regieteam allerdings zu holzschnittartig und der komplexen musikalischen Struktur unangemessen. Trotzdem geht die Regie zumindest ein Stück weit in eine ähnliche Richtung. Ist in der ersten Aufführung tendenziell Blaubart der aktiv handelnde, eher „starke“ Akteur, so wirkt er im zweiten Durchlauf verklemmt, Judith dagegen dominant. Schörghofer tut gut daran, auch diese Sichtweise relativ vorsichtig auszuspielen. Eine falsche Eindeutigkeit der komplizierten Beziehung wäre dem Stück sicher nicht angemessen.

Vergrößerung

Herzog Blaubart (Bálint Szabó)

Blaubart im Anzug, Judith im Partykleid, dazu ein rotes Ledersofa – das Ehedrama hat zeitgemäße Dimensionen. Etliche bühnenhohe gläserne Stellwände spiegeln die beiden Antagonisten, aber auch den Zuschauerraum wieder, lassen sich drehen und verschieben und führen zu komplexen optischen Brechungen. Dazu kommen Videosequenzen, auch diese gebrochen und (nicht nur dadurch) unwirklich. Vergleichsweise konventionell ist die erste Aufführung, die zwar auf konkrete Bilder weitgehend verzichtet (leitmotivisch ist allerdings die Bildersequenz eines gemauerten Verlieses mit einer Treppe, die im Nichts endet), aber den sieben Türen eben sieben mehr oder weniger surreale „Außenansichten“ zuordnet. Die Bildsprache ist modern, Blaubarts Reich (hinter der fünften Tür) etwa ist eine computeranimierte Fantasielandschaft, die langsam zu einem Geflecht von Händen mutiert. Schörghofer spielt hier mit der Erzählstruktur der Oper wie mit der Erwartungshaltung des Publikums. Die sieben Türen, mit denen musikalische wie textliche Bilder verbunden sind, werden großformatig illustriert, behalten aber eine Distanz zu den beiden Akteuren: Auch Judith scheint sich in dieser Bilderwelt zu verlieren, während Blaubart gelassen auf seinem Sofa sitzt. Zum Schluss wird Judith von drei schwarzen Gestalten, Blaubarts früheren Frauen, in nachtschwarzes Tuch gehüllt, als ginge es hier wirklich um ein Märchen.

Vergrößerung Erste Aufführung, siebte Tür: Blaubarts frühere Frauen

Stimmt alles nicht! scheint die zweite Fassung nach der Pause zu sagen. Der Schwerpunkt liegt jetzt viel stärker auf der Beziehung zwischen dem Mann und der Frau. Auch die Videosequenzen zu den sieben Türen zeigen jetzt diese beiden, verdoppeln oder vervielfachen das Paar, vergrößern die beiden zu bedrohlichen Ausmaßen. Wickelt sich Judit in der ersten Aufführung aus einem weißen Schleier wie aus einer Verpuppung, so wird sie zu Beginn der zweiten mit Blaubart auf dem Sofa sitzend aus der Unterbühne hochgefahren – das mag man auch als Zeichen dafür nehmen, dass die noch nicht durch den Partner beeinflussten Wunsch-, Fantasie- und Angstbilder der ersten Aufführung nun den Erfahrungswerten einer andauernden Beziehung gewichen sind. Die sexuelle Annäherung in der zweiten Aufführung (in der ersten hat es die noch nicht gegeben) scheitert. Zurück bleiben zwei von ihrer Beziehung verletzten Personen. Andere Menschen braucht es da nicht: Blaubarts frühere Frauen, das ist die Schlusspointe im zweiten Durchlauf, sind allesamt Bilder Judits. Die Wiederholung der Oper ist da auch als Fortsetzung der Beziehung zu verstehen, die wiederholt in vergleichbare Situationen führt – mit der Möglichkeit, abweichende Handlungsmuster auszuführen.

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Gescheiterte Beziehung: Judit vor Blaubarts Bild

Nicht nur der inhaltlichen Logik wegen ergibt die Doppelaufführung Sinn. Das wiederholte Hören schärft das Ohr, zumal die übermächtigen Bilder der ersten Variante die Musik fast erdrücken. Chefdirigent Ádám Fischer und das sehr gute Orchester der Ungarischen Staatsoper realisieren die Partitur mit außerordentlich genauer Abstufung von Klangfarben und Lautstärkewerten vom fast unhörbaren Pianissimo bis zum körperlich erfahrbaren Fortissimo (das aber immer noch kontrolliert klingt), das sparsam eingesetzt ist – eine sorgfältig durchdachte und mit großem Spannungsbogen aufgebaute Interpretation. Bálint Szabó singt den Blaubart mit schlankem, sehr kontrolliertem Bariton, der dem Gestus des modernen Anzugträgers gut entspricht, dazu sorgsam gestaltet ist; für die großen Ausbrüche wie etwa bei der Betrachtung seines Reiches dürfte die Stimme noch größer sein. In jeder Hinsicht souverän ist die (auch – für diese Inszenierung unabdingbar - körperlich sehr attraktive) Judit von Viktória Vizin, deren leuchtende Stimme lyrische und dramatische Qualitäten vereint und die mit hoher Intensität singt und spielt.


FAZIT
Spannende Wiederholungstat: Herzog Blaubarts Burg gewinnt durch die zweifache Aufführung musikalisch wie szenisch scharfes Profil. Sehens- und hörenswert.


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Produktionsteam


Musikalische Leitung
Ádám Fischer

Inszenierungund Bühne
Hartmut Schörghofer

Kostüme
Corinna Crome

Video
fettFilm
(Mömme Hinrichs, Torge Moller)

Dramaturgie
Máté Mesterházi



Orchester der
Staatsoper Budapest


Solisten


Blaubart
Bálint Szabó

Judith
Viktória Vizin



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Staatsoper Budapest
(Homepage)



Da capo al Fine

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