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Operngala


Aufführungsdauer: ca. 3 h 45' (eine Pause)

Konzert am 29. August 2009


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Deutsche Oper am Rhein
(Homepage)
Hoch lebe der König!

Von Thomas Tillmann


Wäre es nicht das einfachste, wenn man demnächst einfach zwanzig Mal Puccinis Smashhit "Nessun dorma" hintereinander aufführt, wenn man ein schickes Opernhauspublikum zu einer Gala ruft? Oder die Hymne abwechselnd mit "La donna è mobile" und "O sole mio" gibt und danach ein Feuerwerk am Rhein startet? Wohl gemerkt, ich rede hier nicht von dem Zufallspublikum, das sich auf dem Düsseldorfer Burgplatz von den geistreichen Moderationen Harald Schmidts und Eckart von Hirschhausens hat anlocken lassen (überflüssiges Hin- und Herschalten machte den Abend nicht kurzweiliger), sondern von den illustren Ticketbesitzern im Opernhaus an der Heinrich-Heine-Allee. Die hielt es in der Mehrheit nicht mehr auf den Sitzen vor Begeisterung bei der zwischen Alfred Kim, Peter Seiffert und Neil Shicoff (die sich als Zugabe einen Wettstreit in gequältem, gestemmten, überforderten Tenorgesang lieferten) und dem ängstlich einsetzenden Damenchor aufgeteilten Calaf-Arie - und das nach mehr als dreieinhalb Stunden bunter, auf sehr unterschiedlichem Niveau dargebotener Opernkost. Oder man legt das Geld zusammen und holt direkt Paul Potts?

Foto kommt später

Die Moderatoren und die neue Leitung der Rheinoper: Harald Schmidt und Eckart von Hirschhausen, Generalintendant Christoph Meyer und Generalmusikdirektor Axel Kober

Ich habe mir die Mühe gemacht, im Netz einen Chat zum Thema Gala zu verfolgen, der sich am Wikipedia-Eintrag orientierte, und da waren die Schreibenden sich einig, dass zu einer solchen Veranstaltung berühmte Künstler gehören, ein gutes Orchester, Champagner, adäquate Robe auf und vor der Bühne - dazu entsprechend hohe Eintrittspreise, was zur Folge hat, dass "Sehen und Gesehen werden" wichtiger ist als musikalischer Sachverstand. Auf einen wichtigen Punkt weist ein weiterer Schreiber hin: "Dann müssen die Stimmen aber auch entsprechend "Gala" sein ... Wenn sich etwas Gala nennt, das gar nicht "Gala" ist, finde ich das eher peinlich."

Viele dieser Forderungen wurden am Eröffnungsabend der neuen Intendanz, den Christoph Meyer sehr schüchtern ansagte, zweifellos erfüllt, nicht aber die wichtigsten. Auf dem Papier sahen die engagierten Stars zweifellos nach "Gala" aus: Neil Shicoff etwa singt seit mehr als dreißig Jahren an den bedeutendsten Häusern der Welt, gerade als Eléazar hat er zweifellos Operngeschichte geschrieben (wenngleich das Wiederhören des Live-Mitschnitts von La Juive aus der Wiener Staatsoper von 1998 meine grundsätzliche Skepsis bestätigt: Was da als expressiv und tief empfunden gepriesen wird, klingt schon damals für mich greinend und gequält). Anders als angekündigt verzichtete der Amerikaner aber auf die siebenminütige Halévy-Arie, sondern gab die gerade dreiminütige, in bequemerer Lage notierte Arie des Cavaradossi, ohne mit seiner sehr freien Auslegung der Vorgaben Puccinis wirklich überzeugen zu können, es fehlte der Stimme an Klang und Schönheit, dem Sänger an dem nötigen Geschmack, auf außermusikalische Mätzchen und eine Parodie traditionellen Tenorgesangs mit überflüssigen Schluchzern und flackerndem, gestemmten Forte zu verzichten. Etwas weniger schlimm fiel das bei seinem zweiten Beitrag auf, dem Lied vom Kleinzack aus Les contes d'Hoffmann, wobei die ariosen Passagen auch hier eher Pein als Vergnügen waren und man leider resümieren muss, dass man verstehen sollte, wann eine Sach' ein End' hat.

Wenig mehr Freude kam auch bei Peter Seifferts Beiträgen auf, der sich in beklagenswerter Verfassung befindet und eine nach wie vor lyrisch fundierte, aber unschön ausgeleierte Stimme hören ließ, die im Forte nur noch unter erheblichem Druck ansprach, was Sou Chongs "Dein ist mein ganzes Herz" jeglichen Charme nahm. Nichts weniger als ein Skandal war seine Mitwirkung in der Schlussszene des ersten Aufzugs der Walküre, bei der er bereits nach wenigen Takten wirklich falsche Töne sang und einen Einsatz nach dem anderen schmiß, bis Axel Kober klare Anweisungen gab und das Schlimmste verhinderte. Protzige Fermaten konnten da nichts mehr retten; wenn man eine Partie nicht auswendig drauf hat (wie will er sich bloß den Tristan für das 2010 angekündigte Rollendebüt draufschaffen?), dann merkt man das spätestens in der Generalprobe und nimmt einen Klavierauszug mit - ein skandalöses, unkollegiales Verhalten, das fünfstellige Gagen keineswegs rechtfertigt, sondern deren nachträgliche Kürzung.

Deborah Polaski war glücklicherweise nicht aus der Ruhe zu bringen, sie hat wie viele Hochdramatische, die nach dem Einstieg in dieses Fach fast nur noch Angebote für die Brünnhilde bekommen, immer eine Schwäche für die Sieglinde gehabt, die Barenboim-Aufnahme des ersten Aufzugs der Walküre mit Plácido Domingo als Partner belegt es, und tatsächlich kommt ihr diese Rolle schon von der Tessitura her eher entgegen, muss die Stimme doch kaum über das hohe G hinaus, eine Lage also, die immer das Problem war bei Auftritten der Amerikanerin. Inzwischen allerdings gerät eigentlich jeder Ton oberhalb des mittleren (!) Cs zu tief, so dass man sich auch hier sehr auf die wunderbar majestätischen, in fast verklärt wirkender Ruhe ausgeführten, extrem textverständlich präsentierten, leider aber auch eher matronal als sinnlich klingenden tiefer gelegenen Pianopassagen konzentrieren musste, um nicht allzu enttäuscht zu sein. Die aufwühlende Wirkung, die diese Szene sonst haben kann, blieb angesichts der widrigen Umstände freilich auf der Strecke, zumal der junge GMD hier auch sehr breite Tempi gewählt hatte und sich verständlicherweise weitgehend auf dezentes Begleiten beschränkte.

Mit Wagner endete also der erste Teil, mit Wagner hatte er begonnen: Etwas nervös musizierten die Düsseldorfer Symphoniker unter ihrem neuen GMD das Vorspiel zum dritten Aufzug des Lohengrin und dem Einzug der Gäste aus Tannhäuser, beide Ausschnitte lebten aber von der überrumpelnden Frische der Ausführung, der großen Transparenz des Musizierens, aber man hätte sich etwas mehr Ruhe und Gelassenheit gerade beim zweiten Stück gewünscht, bei dem die 66 Damen und Herren des Rheinopernchores mehr boten als bloßes Geschmetter.

Anna Virovlansky, die man von der Oper Bonn kennt und die nun an die Rheinoper gewechselt hat, sang sehr versiert eine fragile Gilda, ist aber wohl doch eher Koloratur- als lyrischer Sopran (für einen Moment dachte ich, dass Olympia ein neues Lied ausprobieren möchte), was im Konzert bei dieser Arie funktioniert, wird auf der Bühne und bei der ganzen Partie ein Problem werden; immerhin, für das Quartett (bei dem das Orchester besonders schön klang) hatte sie einige hübsche Spitzentöne, aber leider keinen attraktiv singenden Duca an ihrer Seite: Einspringer Alfred Kim von der Oper Frankfurt enttäuschte bereits mit "La donna è mobile" (von Hirschhausen mit "Mama hat ein Handy" rasend komisch übersetzt) trotz durchaus italienisch klingender Stimme mit grell gesetzten Akzenten, unausgeglichener Dynamik, gebrülltem, gepresstem Forte und flackernden Fermaten. Geneviève King assistierte nicht immer hörbar als optisch sinnliche Maddalena (die Partie könnte ihr wie so vielen ein wenig tief liegen), Boris Statsenko war hier eher in seinem Element als bei "Largo al factotum", das er zwar ohne nennenswerte Probleme absolvierte, aber ohne den nötigen Charme, mit vordergründiger Komik und harten, flachen, nur brutal lauten Spitzentönen in enervierendem Dauerforte. Jeanne Piland hatte und hat bessere Rollen als die Santuzza (warum hat man nicht konsequent einen Wagner-Teil konzipiert, in dem sie zusammen mit Peter Seiffert die Venusszene aus Tannhäuser hätte geben können, warum durfte sie nicht eine der Arien der Eboli oder Didons Tod aus Les Troyens singen, die Orchester und neuer GMD "drauf haben"?), und dieser Abend war sicher nicht ihr bester; die Stimme hatte wenig Farbe und Körper, der Vortrag keinen Drive, nur einen larmoyanten Einheitston. Dmitry Trunov repräsentierte mit seinen 23 Jahren das Opernstudio und hatte alle neun Cs in Tonios "Ah mes amis" mühelos, aber sein Singen hatte dennoch den Charme, den Vorträge von Patenkindern bei Familienfeiern haben (und bei dieser Nummer agierte das Orchester auch zu schwerfällig), Timo Riihonen erwies sich als rechter Witzbold und Besitzer eines vielversprechenden slawisch gefärbten Basses in Mussorgskis Flohlied. Mehr versprochen hatte ich mir von Tomasz Koniecznys Escamillo: Natürlich ist der Ton hinreißend, das Französisch aber war nicht perfekt, die Ausstrahlung nicht souverän und sexy genug, trotz der drei Damen an seiner Seite.

Foto kommt später Die Moderatoren der Eröffnungsgala: Harald Schmidt und Eckart von Hirschhausen

Das Publikum mochte auch den von Harald Schmidt mit einer herrlichen Marcel-Prawy-Parodie anmoderierten, von Axel Kober mit gutem Händchen für das vermeintlich leichte Genre geleiteten Operettenblock, in den man aber einige flottere Nummern mehr als "Mein Herr Marquis" hätte einbauen können, das Anett Fritsch zwar mit traditioneller Soubrettenattitüde, aber erstaunlich dunkler, geläufiger, höhensicherer Stimme mit Gewinn präsentierte. Theresa Kronthaler gab mit sinnlich-flirrendem, apart-melancholischen Ton "Spiel auf deiner Geige" aus Robert Solz' vergessener Venus in Seide (man freut sich, diese begabte Künstlerin in zentralen Rollen des lyrischen Mezzofachs zu erleben). Als Hanna Glawari habe ich Morenike Fadayomi vor einigen Jahren zum ersten Mal an der Rheinoper gesehen und war hingerissen von ihren Fähigkeiten als attraktive Operettendiva von exotischer Ausstrahlung, nicht zuletzt im auch diesmal vorgetragenen Viljalied, trotz Einheitsvokalen und einigen angeheulten Tönen. Wäre sie doch bei diesen Partien geblieben und hätte sich nicht ambitioniert auf die schwierigsten des (jugendlich-)dramatischen Fachs gestürzt - die Salome in der ersten Strauss-Premiere der neuen Intendanz im September erwartet man nichtsdestotrotz mit einiger Spannung. Nataliya Kovalova singt gern "Meine Lippen, sie küssen so heiß" aus Lehárs Giuditta und bekommt viel Applaus vor allem vom männlichen Publikum, das ihr zu Füßen liegt. Nicht nur gehässige Menschen, die ihr das Etikett "Niederrhein-Netrebko" verpasst haben, stellen allerdings auch immer wieder fest, wie eng, abgetrennt und quälend schneidend die Spitzentöne klingen, wie schlecht das Deutsch ist (echte Textfehler bekommt man da zu hören), wie vordergründig und wenig vornehm die Interpretation ist.

Kurz vor halb zwölf dann, den Vorgaben der Wasserschutzpolizei folgend, ein Feuerwerk (man fühlte sich aus verschiedenen Gründen an das ähnliche Szenario in Ariadne auf Naxos erinnert), vom Orchester veredelt durch die wirkungsvolle Musik aus dem Film Independence Day, so dass "Old Joe has gone fishing" aus Peter Grimes erst danach gegeben werden konnte, mit Tomasz Konieczny, Elisabeth Selle, Anett Fritsch, Florian Simson, Rebecca de Pont Davies, James Bobby und nicht zuletzt Roberto Saccà und Jane Henschel. Beobachter berichten mir, dass das Publikum den Burgplatz innerhalb des kurzen Auschnitts aus der Britten-Oper fluchtartig verließ, also doch nicht ganz "Oper für alle", wie Meyer und Kober gehofft hatten; dabei war dieser kurze Ausschnitte einer der gelungeneren und machte Lust auf die erste Premiere der Saison. Schade auch, dass man nicht Roberto Saccà und Jane Henschel gebeten hatte, mit eigenen Beiträgen an der Gala teilzunehmen, ich möchte wetten, dass sie mehr Glanz entwickelt hätten als die unwesentlich prominenteren Kollegen.

Star des Abends aber war ohnehin Hans-Peter König, den ich nie im italienischen Fach gehört habe: Mit seinem Prachtbass mit besonders ausladender, satter Tiefe und bemerkenswert sicher attackierten Spitzentönen in Baritonhöhe, ausreichender Geläufigkeit und tadelloser Legatokultur war er ein großartiger Zaccaria (gegeben wurden Arie und Cabaletta aus dem ersten Akt des Nabucco, wobei die Begeisterung nach dem ruhigen Part schon so groß war, dass der Sänger das Publikum beruhigen musste, um endlich mit dem schnelleren Teil beginnen zu können) und später dann ein Basilio, der in "La Calunnia" echte Komik aus Noten und Text entwickelte, der ein wirklich gehaltvolles Piano singen kann, eine delikate mezza voce, der ein hinreißendes Mienenspiel entwickelte und einfach ein Juwel in diesem großen Ensemble ist und daher die Ehre der Überschrift dieses Berichts verdient.


FAZIT

Für Opernkenner war dieses Programm zu konfus (man denkt an den von meinem Kollegen Schmöe geprägten Begriff des Gemischtwarenladens Rheinoper und hofft sehr, dass diese Gala nicht die Fortsetzung der Richterschen Konzeptlosigkeit markiert), für Besucher des Burgplatzes zu wenig reißerisch, sieht man davon ab, dass Altstadtgäste natürlich vor jeder Leinwand stehen bleiben, egal ob Harald Schmidt oder wer auch immer aus dem Fernsehen bekannte Moderator sich zu welchem Thema auch immer äußert. Nicht dumm wäre gewesen, für eine Operngala nicht zwei Topverdiener der Comedyszene zu verpflichten (Schmidt und von Hirschhausen machten keinen schlechten Job, über manche politisch korrekte Bemerkung des Älteren musste ich durchaus schmunzeln, weniger über die mangelnde Vorbereitung, sachlichen Fehler und pathetischen Beschwörungen über die Wirkung der Oper und der Musik im Allgemeinen des ansonsten ja sehr sympathischen Mediziners oder manche bei allem Bemühen um Komik zu lange Zusammenfassung von Libretti und platte Kalauer), sondern einen oder zwei wirkliche Topstars der Opernszene, die sowohl Connaisseurs wie dem Genre eher Fernstehende begeistert hätten und die sich - pardon - nicht im Spätherbst ihrer Karrieren befinden.


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Programm



Auszüge aus Werken von

Georges Bizet, Benjamin Britten,
Gaetano Donizetti, Franz Lehár,
Pietro Mascagni, Modest Mussorgsky,
Jacques Offenbach, Giacomo Puccini,
Gioacchino Rossini, Johann Strauß,
Robert Stolz, Giuseppe Verdi
und Richard Wagner


Mitwirkende

Morenike Fadayomi, Sopran
Anett Fritsch, Sopran
Nataliya Kovalova, Sopran
Jeanne Piland, Sopran
Deborah Polaski, Sopran
Elisabeth Selle, Sopran
Anna Virovlansky, Sopran
Jane Henschel, Mezzosopran
Geneviève King, Mezzosopran
Theresa Kronthaler, Mezzosopran
Rebecca de Pont Davies, Mezzosopran
Alfred Kim, Tenor
Roberto Saccà, Tenor
Peter Seiffert, Tenor
Neil Shicoff, Tenor
Florian Simson, Tenor
Dmitry Trunov, Tenor
James Bobby, Bariton
Boris Statsenko, Bariton
Tomasz Koniecny, Bassbariton
Hans-Peter König, Bass
Timo Riihonen, Bass


Dr. Eckart von Hirschhausen, Moderation
Harald Schmidt, Moderation


Chor der Deutschen Oper
am Rhein

Choreinstudierung
Gerhard Michalski


Düsseldorfer Symphoniker

Musikalische Leitung
Axel Kober



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutschen Oper am Rhein
(Homepage)



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