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Amoklauf einer traumatisierten Tochter aus reichem Hause
Von Stefan Schmöe
Der Tanz der sieben Schleier ist bei Regisseurin Tatjana Gürbaca kein Striptease, sondern eine Entschleierung im übertragenen Sinn: In einem Theaterspiel auf der Bühne werden, ganz wie bei Hamlet, der Familie die dunklen Geheimnisse vorgespielt und aufgedeckt, was an grausiger Vorgeschichte lange unter den (an der Rheinoper ganz real allgegenwärtigen) Teppich gekehrt worden ist. Und der Rauschzustand, in den sich Salome mit dem abgeschlagenen Kopf des Propheten hineinsteigert, wird zum finalen Amoklauf, bei dem die traumatisierte junge Frau alles niedermetzelt, was ihr vor Messer und Flinte kommt. Tatjana Gürbaca gibt dem schaurigen Stück den Schockeffekt zurück, den es bei der Uraufführung noch hatte, der aber nach über 100 Jahren Rezeptionsgeschichte weitgehend verloren gegangen ist was, darüber lässt sich durchaus streiten, nicht unbedingt zu bedauern ist, und auch deshalb polarisiert die zunächst im Duisburger Haus der Rheinoper gezeigte Produktion (unser Premierenbericht) Publikum wie Presse. Inzwischen ist die Inszenierung auch im Düsseldorfer Haus angekommen, in teilweise neuer Sängerbesetzung von der man leider nicht allzu viel hört, denn die Düsseldorfer Symphoniker spielen unter der Leitung von Wen-Pin Chien ohne Rücksicht auf Stimmverluste einen süffigen Breitwandkino-Sound, füllig in den Streichern und recht unkonturiert den in den Bläsern, durchaus spannungsgeladen, aber eben viel zu laut und in keinem erkennbaren Zusammenhang zu der modernen Inszenierung, als wollten sie diese mit einer ganz konventionellen Strauss-Deutung hinweg pusten. Dabei besticht Nicola Beller Carbone in der Titelpartie nicht nur durch ihre attraktives körperliche Erscheinung, sondern durch eine schlanke und nicht übermäßig laute, aber leuchtend und intensiv gesungene Prinzessin. Udo Holdorf gibt einen ältlichen, dennoch stimmlich agilen Herodesmit scharfem Charaktertenor. Jussi Myllys bleibt mit geradem, recht farblosen Ton als Narraboth deutlich hinter Norbert Ernst (der in Duisburg sang) zurück, Katarzyna Kuncio bringt eine schöne Stimme für den Pagen ein. Renée Morloc als versierte Herodias und Markus Marquardt als stimmgewaltiger Jochanaan konnten schon in Duisburg überzeugen. Schauspielerisch leisten die Darsteller durchweg Außerordentliches, und auch deshalb wirkt die Inszenierung sehr dicht und beklemmend, nicht erst beim blutigen Finale (wobei man mit Theaterblut offenbar etwas sorgsamer umgeht als noch bei der Duisburger Premiere). Man muss die drastische Erzählweise von Tatjana Gürbaca nicht mögen; für Richard Strauss' Oper findet sie hier aber eine moderne und durchaus plausible Lösung. Das Publikum in der hier besprochenen Aufführung reagierte betroffen; Proteste blieben (von einzelnen Buhs gegen den Dirigenten abgesehen) aus.
Auch für die Düsseldorfer Aufführungsserie kann die Rheinoper eine attraktive Hauptdarstellerin aufbieten, die das umstrittene Regie-Konzept von Tatjana Gürbaca überzeugend umsetzt. Es fehlt dagegen ein Dirigent, der das Kammerspiel mit Schockeffekt adäquat begleiten würde, anstatt es lautstark zu übertönen. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Licht
Kostüme
Dramaturgie
Solisten
Herodes
Herodias
Salome
Jochanaan
Narraboth
Ein Page
Erster Jude
Zweiter Jude
Dritter Jude
Vierter Jude
Fünfter Jude
Erster Nazarener
Zweiter Nazarener
Ein Cappadocier
Ein Sklave
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