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Musiktheater
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Tristan und Isolde

Handlung in drei Akten
Musik und Dichtung von Richard Wagner


in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h 30' (zwei Pausen)

Koproduktion mit der Oper Zürich
Premiere am 29. Mai 2010 im Opernhaus Düsseldorf


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Rheinoper
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Lauter Streit in der Villa Wesendonck

Von Stefan Schmöe

Die Entstehungsgeschichte von Tristan und Isolde ist eng verknüpft mit Wagners Beziehung zu Mathilde Wesendocnk, der Frau seines Zürcher Gönners Otto Wesendonck, der dem in Sachsen wegen der Beteiligung an den Aufständen steckbrieflich gesuchten Komponisten das Gartenhaus seiner Villa als Domizil gab – nicht ohne Hintergrund von Wagner und seiner Frau Minna als „Asyl“ bezeichnet. 1852 lernte Wagner die 16 Jahre jüngere Mathilde kennen. Die textliche und musikalische Konzeption des Tristan ist seit je als künstlerischer Reflex der unerlaubten Liebesbeziehung zwischen den beiden verstanden worden: Eine Liebe, die sich jeder Realität (und jeder Möglichkeit der Realisierung) widersetzt und im nächtlichen Dunkel versinkt. Die meisten Regisseure zeigen nicht ohne Grund das Scheitern statt der Verklärung.

Claus Guth und sein Ausstatter Christian Schmidt verankern ihre Inszenierung fest an der biographischen Konstellation. Auf der Drehbühne ist eine großbürgerliche Villa aufgebaut, nicht unbedingt Zitat der tatsächlichen Villa Wesendonck oberhalb des Zürichsees, aber deutlicher Verweis darauf. Allerdings interessiert sich das Regieteam weniger für die Dreiecksgeschichte Wagner – Mathilde – Otto, sondern für die gesellschaftlichen Bedingungen: Eine junge Frau (Isolde), die an der Seite eines älteren Mannes (Marke) eine gute Figur abgeben muss, schreitet durch die Räume des Hauses wie durch Erinnerungsräume, in denen Szenen aus der Vergangenheit eingefroren sind. Dabei ist Tristan keineswegs der Gegenentwurf zu Marke, sondern ein gutbürgerlicher älterer Herr – vielleicht ein Wunschbild Isoldes, wie ihr Gemahl Marke sein sollte? Brangäne und Isolde verschmelzen zu einer Figur, ob dies bei Marke und Tristan auch geschieht, Tristan zum Reflex Markes in Isoldes Erinnerung wird, bleibt unklar. So ist die erste Hälfte der großen Liebesszene im zweiten Akt wie ein Streit unter Ehegatten inszeniert, am Rande eines Banketts. Und wenn die Nacht der Liebe beschworen wird, dann fegt Tristan die Gedecke von der Tafel – das ist aber auch schon das Maximum an Ausbruch aus den bürgerlichen Zwängen.

Alles Utopische, Grenzen sprengende verweigert Guth, zeigt viel mehr, wie absurd die Oper, beim Wort genommen, in der gesellschaftlichen Grundkonstellation erscheinen muss. Das sorgt durchaus für manches Spannungsmoment, wirft auch neues Licht auf das Werk und löst im positiven Sinn die eine oder andere Irritation aus. Tristan und Isolde als bürgerliches Trauerspiel, in der Nähe zu Ibsen wie zum bürgerlichen Roman zwischen Effi Briest und den Buddenbrocks - in gewisser Weise wird damit die Luft aus diesem plötzlich gar nicht mehr so revolutionär utopischen Werk gelassen. Der Spötter Heinrich Heine, in der Nachbarschaft des Düsseldorfer Opernhauses geboren, hätte wohl seine Freude daran gehabt. So weit, so dekonstruktivierend gut – wenn das Konzept denn letztendlich aufginge: Aber vom Erscheinen Markes im zweiten Aufzug an gehen dem Regisseur die Ideen aus (oder lassen sie sich nicht mehr der Gesamtkonzeption unterordnen?). Spätestens wenn Tristan sich in Melots Messer stürzt, ist der Boden der Opernkonvention wieder erreicht und wird auch nicht mehr nennenswert verlassen. Scheinen bis dahin weite Teile aus der Perspektive Isoldes betrachtet zu sein, so wirkt der dritte Aufzug (mit Tristan und Kurwenal als Bettlern vor der verfallenden Villa) wie eine durchaus ordentliche Bebilderung von Tristans Scheitern, aber eben aus der gewohnten Perspektive. Die Sprengkraft, die sich vorher zumindest stellenweise andeutete, verpufft als Fehlzündung.

Zu sehen war die Inszenierung bereits in Zürich, dort umjubelt – ob da einiges an Personenregie, an Genauigkeit auf der Strecke geblieben ist? So recht bekommen ist der Produktion die Verpflanzung an den Rhein offenbar nicht, sodass auch die Frage bleibt: Warum inszeniert die Rheinoper ein so zentrales Werk der Opernliteratur nicht selbst (und kauft statt dessen eine routiniert inszenierte Komödie fürs Repertoire ein)?

Musikalisch macht Generalmusikdirektor Axel Kober von Beginn an deutlich, dass er die musikalischen Akzente setzen will. Er baut die Musik sehr ruhig in großen Spannungsbögen auf (wobei gleich in den ersten Takten des Vorspiels die bemerkenswert langen Generalpausen vom sehr unruhigen Publikum zerhustet wurden), hat stets die Gesamtarchitektur im Blick respektive im Ohr und denkt und dirigiert in großen Entwicklungsbögen und weniger in den Details. Auf der anderen Seite bemüht er sich um einen durchhörbaren, filigranen Klang – dabei stoßen die insgesamt guten Düsseldorfer Symphoniker allerdings mitunter an ihre Grenzen, die Tempi wirken an den aufgepeitschten Stellen doch zu kontrolliert und die Musik neigt zu einer blockhaften, statischen Entwicklung, tritt symphonisch auf der Stelle, klingt manchmal fast mehr nach Bruckner als nach Wagner. Da Kober ein stimmgewaltiges Ensemble zur Verfügung hat, pegelt sich die Lautstärke oft ziemlich hoch, manchmal auch lärmend ein. Sicher gibt es viele schöne Momente in dieser Interpretation, aber das ganz großes Wagnerglück will sich nicht einstellen.

Ähnliches gilt für die Sänger. Ian Storey ist ein stark baritonal gefärbter Tristan mit brüchiger Stimme, auch in der kraftvollen Höhe dunkel timbriert, im Piano und in der tieferen Lage mitunter etwas unkonturiert – ein durch und durch nachtsüchtiger Tristan, was so schlecht ja nicht ist. Die Einbettung in den symphonischen Fluss, aber auch ungenaue Sprachbehandlung führen zu einer gewissen Gleichmacherei, einem doch auf die Dauer allzu pauschalen Klang. Mit dem Text nimmt es auch Janice Baird, die Isolde, wenig genau, formt sich Konsonanten wie Vokale offenbar nach Belieben (oder stimmlicher Notwendigkeit). Im Liebestod von „höchster List“ statt „höchster Lust“ zu singen (offenbar um mit dem Vokal „i“ die wackelnde Intonation zu retten), das tut an so prominenter Textstelle schon weh. Aber auch sonst fehlt ohne Text oft der „Biss“. Dabei ist die Riesenstimme, deren gedeckter Klang vielleicht ein wenig gewöhnungsbedürftig ist, durchaus ein Ereignis, mit satten, strahlenden, (fast) nie grellen Höhen, die sich auch gegen große orchestrale Gesten unangestrengt behaupten und trotzdem nicht nach Schreierei klingen. Allerdings geht die Sängerin gerne allzu schnell in diesen satten Lautstärkenbereich, auf Kosten der Zwischentöne.

Laut ist auch Oleg Bryjak als Kurwenal, auch er mit Riesenstimme, allerdings recht grobschlächtig geführt und allzu protzend aufgetragen. Enorme stimmliche Präsenz aber kann man dem Sänger nicht absprechen. Das gilt auch für Hans-Peter König als kraftvoller Marke – punktgenau mit großer Stimme gesungen, wenn auch er zu sehr auf sein sattes Forte setzend. Was das Stimmvolumen betrifft, kann Annette Seiltgen als Brangäne nicht mit dem voran genannten Quartett mithalten, aber das macht sie mit genau fokussierter Stimme wett – und was die Textausgestaltung und die Genauigkeit des Singens betrifft, ist sie den anderen klar überlegen – eine schlanke, dennoch dramatisch zupackende Brangäne. Jussi Myllys singt hinter der Bühne einen mehr als passablen jungen Seemann, der durch das Bühnenbild ein wenig dumpf klingt, Markus Müller als ordentlicher Hirte und Rolf Broman als Steuermann runden das Ensemble ab.


FAZIT

Claus Guths in Zürich noch bejubelte Inszenierung wirkt in Düsseldorf trotz mancher guter Ansätze arg konstruiert und entfaltet wenig Wirkung – vielleicht liegt es daran, dass zwar mit großer symphonischer Geste, aber letztendlich am Text vorbei musiziert wird. Ein eigentlich gutes Sängerensemble steht sich mit manchen Ungenauigkeiten selbst im Weg. So bleibt das merkwürdige Gefühl, das ein wirklich großer Wagner-Abend zwar möglich wäre, aber verschenkt wird.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Axel Kober

Inszenierung
Claus Guth

Bühne und Kostüme
Christian Schmidt

Licht
Jürgen Hoffmann

Choreographie
Volker Michl

Chor
Gerhard Michalski

Dramaturgie
Ronny Detrich



Chor und Statisterie der
Deutschen Oper am Rhein

Die Düsseldorfer
Symphoniker


Solisten

Tristan
Ian Storey

Isolde
Janice Baird

Marke
Hans-Peter König

Kurwenal
Oleg Bryjak

Melot
Dmitri Vargin

Brangäne
Annette Seiltgen

Hirte
Markus Müller

Ein Steuermann
Rolf Broman

Stimme eines
jungen Seemanns
Jussi Myllys



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Rheinoper
(Homepage)



Da capo al Fine

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