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Götterdämmerung

Der Ring des Nibelungen
Bühnenfestspiel für drei Tage und einem Vorabend
Dritter Tag
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 5h 30' (zwei Pausen)

Premiere im Theater Detmold am 12. September 2009


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Landestheater Detmold
(Homepage)
Eine Geschichte vom überflüssigen Helden

Von Stefan Schmöe / Fotos von Michael Hörnschemeyer / Landestheater Detmold

Der Mythos vom deutschen Helden wird zu Grabe getragen: Wenn Siegfrieds Trauermarsch erklingt, dann schlägt der Detmolder Intendant und Ring-Regisseur Kay Metzger den Bogen zu einem anderen deutschen Helden, nämlich Herrman dem Cherusker, der vor 2000 Jahren irgendwo am Rande des Teuteburger Waldes (wenn wohl auch nicht im Detmolder Raum) die Legionen des Varus besiegt hat. Als Schattenriss sieht man das Herrmannsdenkmal, dem Wotan die Stücke seines zerschlagenen Speers entgegen hält. Helden dieser Art können den Untergang einer korrumpierten Gesellschaftsordnung nicht aufhalten, und da passt der Bezug zur Varusschlacht gut zur Ausstellung über den Mythos Herrmann, der im Museum gegenüber untersucht wird.

Foto kommt später Die Gibichungen, hochtechnologisiert: Gutrune (Brigitte Bauma), Hagen (Christoph Stephinger), Gunther (Andreas Jören), Grimhild (Rita Gmeiner)

Mit Siegfrieds Ermordung ist die Geschichte, die Metzger erzählt, eigentlich bereits zu Ende. Die Zeitreise, die im feudalen Zeitalter des Rheingold begonnen und über das untergehende Bürgertum in der Walküre zur Rebellion der Hippie-Bewegung im Siegfried geführt hatte, endet in einer nicht allzu fernen Zukunft, in der sich die Menschheit in zwei Gruppen auseinander entwickelt hat: Eine hochtechnologisierte Kaste (die Gibichungen) steuert die Welt, in der Natur nur noch als Aquarium vorkommt, vom Laptop aus; der andere Teil vegetiert in den Industriebrachen, degeneriert zu mehr tierischen als menschlichen Lebensformen (darunter auch die Rheintöchter). Ein vermeintlicher Held wie Siegfried ist hier völlig fehl am Platz, kann weder den einen noch den anderen helfen – Wotans Weltenrettungsplan ist hier kein Selbstbetrug, sondern ein gigantischer Irrtum. Und auch die christliche Emblematik bringt Metzger ins Spiel: Siegfrieds Tod vollzieht sich an einem langen Tisch vorne an der Rampe; hier spielt das Regieteam offensichtlich auf da Vincis „Letztes Abendmahl“ an. Ein Erlöser wird gesucht, aber alles Transzendente scheint denkbar fern.

Foto kommt später

Das andere Ende der Gesellschaft: Die Rheintöchter (von links) Floßhilde (Anne Baumgarte), Siegfried (Johannes Harten) und Wellgunde (Beate von Hahn)

Und so setzen sie sich zum Trauermarsch alle an diesen Tisch. Die Rheintöchter auf der einen, die Gibichungen auf der anderen Seite des toten Nichtretters, und schauen ins Publikum in bester Brechtscher Manier: Der Vorhang hinter ihnen zu, und alle Fragen offen. Aber ohne Hoffnung entlassen uns der Regisseur und Wagner nicht; zu den Klängen des Erlösungsmotivs sieht man die zuvor verdorrte und eingemauerte Weltesche mit neuen Trieben.

Metzger erzählt die Götterdämmerung als buntes und actionreiches Märchen mit Anleihen aus dem Science-Fiction-Genre. Bestechend ist einmal mehr die bis in kleinste Details ausgefeilte Personenregie. Manches ist leicht ins Groteske überzeichnet, und fast immer bleibt eine gewisse ironische Brechung spürbar: Dieses Theater will keine Realität nachzeichnen, sondern Theater bleiben - umso genauer tritt die Parabel hervor. Manches mag übertrieben sein (wie die Einführung einer neuen Figur, nämlich der Gibichungen-Mutter Kriemhild), aber insgesamt geht dieser Ansatz blendend auf und kommt mit seinem kammerspielartigen Gestus dem kleinen, feinen Detmolder Theater entgegen. Auch gelingt die Verknüpfung mit den anderen Teilen der Tetralogie gut. Die drei Nornen entsprechen in ihrem Kostüm je einem der Zeitalter, in denen die vorangegangenen Abende angesiedelt waren (auch dies ein Bild dafür, dass eine historische Entwicklung an ihrem Ende angekommen ist: Eine vierte Norn für dieses Zeitalter wird es nicht geben.). Hier geht nicht nur ein schlüssiges Konzept gut auf, sondern dieser Ring sprüht nur so vor Spiellust. Da ist in der westfälischen Provinz weitaus mehr geglückt als im Wagner-Mekka Bayreuth.

Foto kommt später Das Ende eines vermeintlichen Helden naht: Siegfried (Johannes Harten) und Hagen (Christoph Stephinger)

Die Aufführung bewegt sich aber auch auf ausgezeichnetem musikalischem Niveau. Das betrifft ganz besonders die flüssige, sehr genau auf die Gesangslinie eingehende Interpretation durch Erich Wächter am Pult des sehr guten Orchesters – kleine Unkonzentriertheiten im Verlauf des kurzweiligen, nichts desto trotz eben auch intensiven Abends bleiben zwar nicht aus, fallen aber nicht weiter ins Gewicht. Ganz ausgezeichnet werden die verschiedenen Klangwelten mit ihren spezifischen Farben hörbar, die düster-unheimliche Gibichungen-Sphäre hebt prägnant gegen die viel hellere Eintönung Siegfrieds ab. Die reduzierte Orchesterfassung (für die Originalbesetzung reicht die Größe des Detmolder Orchestergrabens nicht aus) stellt kaum einmal eine hörbare Einschränkung dar (dürfte den Sängern sogar entgegenkommen); Wächter entwickelt auch so die orchestrale Wucht, die das Stück benötigt. Aber er versteht es auch, die Sänger zu begleiten, ohne dass diese forcieren müssen.

Foto kommt später

Das Ende im Feuer: Brünnhilde (Sabine Hogrefe)

Dazu kann das Landestheater Detmold eine sehr überzeugende Sängerbesetzung aufbieten. Sabine Hogrefe singt eine klangschöne und kontrollierte Brünnhilde von dramatischer Intensität, die bis zum letzten Ton nicht an Kraft verliert. Johannes Harten bewältigt den Siegfried sehr ordentlich; zwar hat die Stimme wenig Glanz, aber er steht die Partie gut durch. Sehr überzeugend ist der zupackende, genau gesungene Gunther von Andreas Jöris, souverän der nicht ganz dunkle, aber eloquente und dramatisch pointierte Hagen von Christoph Stephinger. Etwas mehr Schärfe könnte der ansonsten solide Alberich (Joachim Goltz) vertragen, zuverlässig singt Brigitte Bauma die Gutrune. Evelyn Krahe ist eine Waltraute mit schlanker und klar fokussierter, dennoch tragfähiger Stimme. Und auch die Nornen (auch hier Evelyn Krahe und Brigitte Bauma, dazu Beate von Hahn) sowie die Rheintöchter (Catalina Bertucci, Beate von Hahn, Anne Baumgarte) sind durchweg gut besetzt. Hinzu kommt fast immer gute Textverständlichkeit und großer schauspielerischer Einsatz. So ist dieser Ring auch ein Paradebeispiel für gelungenes Ensembletheater. Großer Beifall für alle Beteiligten.


FAZIT

Ein kleines Theater trumpft ganz groß auf: Mit einer spannenden Götterdämmerung schließt sich der Ring zu einer schlüssigen Parabel, und das auf ausgezeichnetem musikalischem Niveau.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Erich Wächter

Inszenierung
Kay Metzger

Ausstattung
Petra Mollerus

Dramaturgie
Elisabeth Wirtz



Statisterie des
Landestheater Detmold

Orchester des
Landestheater Detmold


Solisten

* Besetzung der Premiere

Siegfried
* Johannes Harten /
Tomothy Simpson

Brünnhilde
* Sabine Hogrefe /
Ingeborg Zwitsers

Gunther
Andreas Jören

Hagen
Renatus Mézár /
* Christoph Stephinger

Alberich
Joachim Goltz

Gutrune
Brigitte Bauma

Waltraute
Evelyn Krahe

1. Norn
Evelyn Krahe

2. Norn
Brigitte Bauma

3. Norn
Beate von Hahn

Woglinde
* Catalina Bertucci /
Esther Mertel

Wellgunde
Beate von Hahn

Floßhilde
* Anne Baumgarte /
Evelyn Krahe



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Landestheater Detmold
(Homepage)



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