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Musiktheater
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Norma


Tragedia lirica in zwei Akten
von Felice Romani
Musik von Vincenzo Bellini


in italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (eine Pause)

Konzertante Aufführung in der
Philharmonie Mercatorhalle Duisburg am 13. Februar 2010


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Eine Norma nur für Fans

Von Thomas Tillmann

Edita Gruberova ist eine kluge Sängerin und hat sich viel Zeit gelassen mit der Norma: 2003 debütierte sie in Tokyo konzertant mit dieser Partie, 2004 entstand auf der Grundlage von Konzerten in Baden-Baden die bekannte Aufnahme, 2006 stellte sie die Druidenpriesterin erstmals auch szenisch an der Bayerischen Staatsoper dar, 2010 wird sie sie auch bei den Salzburger Festspielen verkörpern. Maike Fölling nennt sie in ihrem (reichlich oberflächlichen und knappen) Programmheftbeitrag zu der konzertanten Aufführung in der Mercatorhalle gar in einem Atemzug mit Rosa Ponselle und Maria Callas, während Gruberovas langjähriger Lebensgefährte Friedrich Haider sich im Booklet zu der erwähnten CD gerade daran störte, "dass Callas heute zum alleinigen Gradmesser für die Rolle geworden ist, und nicht mehr unbedingt Bellini", polemisierte wortreich gegen die Besetzung der Titelpartie mit dramatischen Sopranen, fand es "logischer, sich einer Norma vom Belcanto her zu nähern als zum Beispiel von Wagner", beklagte "jenes Defizit an wirklich differenziertem Gesangsvortrag", wusste, dass die Partie "extrem schattiert gestaltet werden muss" und forderte die "Auslotung von ausdrucksmäßigen Extremen". Und auch die Künstlerin äußerte sich zur Rolle: "Natürlich ist die Norma auch heroisch. Aber wichtiger ist die Frau dahinter, die leidende Frau. Es ist im Grunde so einfach zu bewältigen und von Bellini so herrlich geschrieben mit den wundervollen Melodien und den ganzen Gesetzmäßigkeiten, die der Belcanto verlangt."

Bei aller Koloraturgeläufigkeit, Mühelosigkeit bei Tönen über dem System, Pianissimokultur und Erfahrung in diesem Repertoire braucht man für diese Partie aber wohl doch auch eine kräftige Mittellage, eine Mittellage, die Differenzierung und Schattierung eben erst möglich macht und die durch merkwürdig hohle, mitunter auch eher gesprochene als gesungene Töne eben nicht zu kompensieren ist. Und so enttäuschte die Slowakin bereits im Auftrittsrezitativ, das keine rechte Architektur erkennen ließ, sondern nur in Erinnerung bleibt, weil sie am Ende eines ihrer zugegebenermaßen eindrucksvollen Morendi unterbrachte. Im (meines Erachtens für sie zu langsam genommenen) "Casta diva" irritierte sie am Anfang mit vager Intonation und hörbar noch recht behäbiger Stimme; sobald sie die zweite Strophe der berühmten Arie im zarten Piano singen konnte und Gelegenheiten zu (diskutablen) Auszierungen wahrnahm, ging es besser, wobei mir die Gesangslinie in der Cabaletta zu überladen war und ich keine Schwäche für nicht klar voneinander abgesetzte Töne habe. An wirkliche Grenzen kam die Sopranistin natürlich in den wirklich dramatischen Momenten etwa am Ende des ersten Aktes, und so wirkte die sonst (zurecht) gestrichene, hier aber teilweise ausgeführte Coda mit interpoliertem D für mich wie ein wohlkalkuliertes Ablenkungsmanöver, das die Fans natürlich verzückt, die sich auch nicht beruhigen konnten, wie leise man "Dormono intrambi" singen kann und überhörten, wie weit die Stimme doch inzwischen bei lang gehaltenen Tönen in der Vollhöhe ausschwingt, wie flach der Ton häufig im "In mia man" wurde, wie wenig das penetrante Vorführen des zweifellos immer noch beeindruckenden messa di voce zum Formen eines - wir erinnern uns - leidenden und heroischen Charakters gerade in der Schlussszene beitrug (wobei ich einige bemerkenswert zornig herausgeschleuderte Koloraturen in der finalen Auseinandersetzung mit dem Vater ihrer Kinder durchaus hervorheben möchte). Alles in allem bleibt beim Rezensenten ein fader Nachgeschmack, weil sich hier eine verdiente Künstlerin einmal mehr eine Partie den eigenen Möglichkeiten anbequemt, man als Zuhörer aber allzu viele Kompromisse machen muss, die Meriten die Defizite nicht überwiegen und viel von Bellinis Figur auf der Strecke bleibt - auch wenn man nicht die Callas als Maßstab ansetzt, ich habe auf Tondokumenten und live manch andere Sopranistin als Norma gehört, die keine Riesenstimme hatte und keine Wagnerpartien gesungen hat, die aber eine Figur aus Fleisch und Blut zu kreieren verstand.

Etwas enttäuscht war ich auch von Silvia Tro Santafé, die ich als bemerkenswerte Seymour aus Dortmund in Erinnerung hatte und die eigentlich der Grund für mein Kommen war, die an diesem Abend aber - der Vergleich sei gestattet - wie mit angezogener Handbremse sang, also ausgesprochen vorsichtig, als wolle sie der verdienten Kollegin auch nicht eine Sekunde die Show stehlen, was ihr aufgrund der vibrierend-sinnlich, ungemein frischen Stimme und dem an sich betörenden Klang ein Leichtes gewesen wäre. Freilich scheint sie auch mit der Partie noch nicht bis ins Letzte vertraut zu sein, allzuoft musste sie in den Klavierauszug schauen, von vertiefter Interpretation konnte da noch nicht die Rede sein, eher von einem Versprechen für zukünftige Produktionen wie etwa denen in Brüssel im März/April.

Zoran Todorovich, der den Pollione schon häufiger an der Seite von Edita Gruberova gesungen hat (und auch in La Monnaie dabei sein wird) sprang für den erkrankten Aleksandrs Antonenko ein und überzeugte wie bereits vor wenigen Monaten als Dick Johnson in Amsterdam mit seinem dunklen, kraftvollen Spintomaterial, das er aber eben nicht nur reißerisch vorführt, sondern mit großer Leagtokultur auch sehr verhalten und sensibel einzusetzen vermag, wie die in gehaltvollem Piano präsentierten Passagen in der letzten Szenen eindrucksvoll belegten. Nichtsdestotrotz absolvierte er seine Auftrittsarie mit großem Aplomb und reichlich ausgekosteter Schlussfermate (man konnte nachvollziehen, warum gleich zwei Priesterinnen sich diesem strammen Römer an den Hals werfen), und auch in der häufig geforderten tiefen Lage blieb er der Partie nichts schuldig.

Adrian Sâmpetrean singt seit Beginn der Spielzeit an der Deutschen Oper am Rhein kleine Rollen wie Monterone im Rigoletto oder Angelotti in Tosca - zurecht, denn eine so wichtige Partie wie Oroveso kommt zu früh, es fehlt dem jungen Rumänen noch erheblich an vokaler und interpretatorischer Intensität, Präsenz und Autorität, um dieser Vaterfigur das nötige Format zu verleihen, auch wenn er sich beim zweiten Auftritt steigern konnte. Anett Fritsch, die mich als Valencienne in Düsseldorf so enttäuscht hat, war eine artige Clotilde, Michael Pflumm komplettierte mit kleiner, aber nicht uninteressanter Stimme und großem Ernst als Flavio, und auch die Damen und Herren des Chores hinterließen in Gerhard Michalskis Einstudierung einen guten Eindruck.

Der vielleicht größte Schwachpunkt des Abends war aber Andriy Yurkevych, Generalmusikdirektor der Oper Odessa und seit der Spielzeit 2007/08 Favorit der Sopranistin - man mag es nicht glauben, dass der Ukrainer bereits in München, Dresden, Brüssel oder auch San Francisco arbeitet, wo er im vergangenen Oktober eine Fille du Régiment-Serie mit Diana Damrau und Juan Diego Florez leitete, denn bereits in der Sinfonia bewies er eine beispiellose Unsensibilität für Bellinis Musik und zettelte eine grobe, banal polternde, unraffinierte, wenig transparente, unkonturierte und vor allem entsetzlich langweilige Wiedergabe des Werkes an, die in den Momenten, in denen die Primadonna nicht beteiligt war, ohrenbetäubend und sängerunfreundlich war, in den übrigen so sehr an die begrenzten Möglichkeiten des Stars angepasst, dass das Spiel der Duisburger Philharmoniker kaum noch zu hören war (und dies dem Vernehmen nach noch weniger im Rang als im vorderen Parkett, wo der Rezensent sich einen Platz erkämpft hatte). Völlig überzogen auch der verhetzte Guerra-Chor und das vulgäre Lärmen bei den Aktschlüssen, das freilich meine Sitznachbarinnen ungemein entzückte und beinahe zum Mitklatschen animiert hätte und manch anderen an diesem zähen, nicht enden wollenden Abend vor dem Einnicken bewahrte.


FAZIT

Auch wenn die Fans der großen Koloratursopranistin aus Bratislava diesen Abend einen weiteren bedeutenden nennen werden - er war es in musikalischer Hinsicht nicht, weil ihm eine Protagonistin fehlte, die der komplexen Titelfigur wirklich gerecht geworden wäre, und ein Dirigent, der dem Abend Spannung eingehaucht hätte und Bellini nicht wie gemeine Kirmesmusik oder Hintergrundgedudel hätte klingen lassen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andriy Yurkevych

Choreinstudierung
Gerhard Michalski



Chor der Deutschen
Oper am Rhein

Die Duisburger
Philharmoniker


Solisten

Pollione
Zoran Todorovich

Oroveso
Adrian Sâmpetrean

Norma
Edita Gruberova

Adalgisa
Silvia Tro Santafé

Clotilde
Anett Fritsch

Flavio
Michael Pflumm



Weitere Informationen
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