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Das Rheingold
Vorabend zum Bühnenfestspiel
“Der Ring des Nibelungen”
Von Richard Wagner

In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 3/4 Stunden (keine Pause)

Premiere am 2. Mai 2010
Besuchte Vorstellung: 7. Mai 2010

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Oper Frankfurt
(Homepage)
Vom Naturgold zur Geldwirtschaft

Von Christoph Wurzel / Fotos von Monika Rittershaus

Auf einen neuen Ring in Frankfurt wartete man sehnlich; nicht allein, weil die gegenwärtige Qualität des Hauses hohe Erwartungen regelrecht herausfordert, sondern auch, weil seit der letzten Präsentation von Wagners Tetralogie in Frankfurt 15 Jahre vergangen sind. Es waren immer ihre besten Jahre, in denen die Frankfurter Oper mit den Realisierungen des Ring des Nibelungen geradezu Epoche gemacht hat: Ende der achtziger Jahre durch Ruth Berghaus (Regie), Axel Manthey (Ausstattung) und Michael Gielen (musikalische Leitung) sowie Mitte der Neunziger durch Axel Wernicke (Regie und Ausstattung) und Sylvain Cambreling (Dirigent). 

Nun begann mit der Premiere des Rheingold  ein neues Ring-Projekt, das in den Händen des Frankfurter GMDs Sebastian Weigle, der bulgarischen Regisseurin Vera Nemirova und des Bühnenbildners Jens Kilian liegt.  Die übrigen Ring-Teile werden in den beiden kommenden Spielzeiten bis Januar 2012 erarbeitet werden. Die hohen Erwartungen sind nicht nur nicht enttäuscht worden, sondern mit diesem Rheingold ist ein verheißungsvoller Anfang gesetzt worden, der auf eine geschlossene Interpretation des gesamten  Ringzyklus hindeutet und die Ungeduld auf das Werden des Ganzen nur noch steigert.

Vergrößerung in neuem Fenster Mit natürlichen Gold locken die Rheintöchter
(Katharina Magiera, Britta Stallmeister, Jenny Carlstedt)
Alberich (Jochen Schmeckenbacher)

 

Am Anfang ist nur Bild und Ton. Im gänzlich dunklen Opernsaal hebt die Musik mit dem Es-Dur-Akkord wie aus dem Nichts an. Langsam, im blauen Dämmerlicht, wird auf der Bühne eine Wasserfläche sichtbar, die, von Tropfen aus der Höhe sacht bewegt,  sich in Wellenbewegungen allmählich ausbreitet. Fasziniert wird man im Theatersessel Zeuge eines musikalisch-szenischen Schöpfungsaktes. Wenn sich allmählich die Rheintöchter aus der Mitte der Tiefe erheben, hat sich die Fläche in ein weiches  ineinander Schwingen konzentrischer Ringe aufgelöst. Das wunderbare Bild lässt gleichsam die Tiefe des Rheines wie die Weite des Kosmos assoziieren. Die Elemente bestimmen auch im weiteren Verlauf das Geschehen. So wie die bewegten Scheiben den Rücken der Erde bilden, erlauben sie den Blick in deren Tiefe nach Nibelheim. Und Loge, der Herr des Feuers, schwebt auf einer Schaukel vom Bühnenhimmel ein und entschwindet am Schluss auch wieder in den Lüften. Allein seiner weiträumigen Szenerie wegen ist dieser Vorabend schon ein Genuss. Sie wird sicherlich auch die weiteren Teile bestimmen und lässt Raum für phantastische weitere Handlungsentwicklungen.

Vergrößerung in neuem FensterIn Nibelheim mit bösen Absichten angekommen:
Loge (Kurt Streit) und Mime (Hans-Jürgen Lazar)

 

Kein Konzept hat Vera Nemirova mit ihrer Inszenierung dem Werk übergestülpt und keine Aktualisierungen an den Haaren herbeigezogen. Aber eine von heutigen Erfahrungen geprägte Interpretation des Mythos ist dennoch schon zu erahnen –  vis-á-vis zu den Finanz-Kathedralen hier in Frankfurt. Wenn Alberich zu Beginn auftaucht, erscheint er wie ein biederer Geschäftsmann, im schwarzen Anzug, den er aber bald ablegt, um sich den lockenden Gespielinnen zu nähern. Erst ist das Gold noch von reiner Natur, durch die Mehrwertschöpfung auf dem Rücken seiner beherrschten Nibelungen wird es sich bald zu schnödem Mammon akkumuliert haben. Leinerne Geldsäcke werden Alberich von Wotan und Loge abgezwungen, mit denen Freias auf den Boden gemalte Konturen ausgelegt werden, um den Riesen ihren Lohn abzumessen. 

Dass aber die Göttergesellschaft ihrerseits, deren vermeintliche Macht und Sicherheit auf dem Raub des aus gestohlenem Gold erwachsenen Geldes beruht, mit dem sie ihre Dienstleister, die Riesen, bezahlt haben, auch dem Verfall preisgegeben ist, zeigt das eindrückliche Schlussbild: Wotan, Fricka und ihre Gesellschaft reihen sich langsam ins Publikum ein und werden die Unsrigen. Im Saal wird es ein wenig heller, sie nehmen in den Proszeniumslogen Platz, prosten sich mit Champagner zu und verachten zynisch das Klagen der Rheintöchter. Oben auf einer der erhöhten Bühnenscheiben starren, um Jahre gealtert, ihre Doubles verwirrt und verängstigt vor sich hin. „Ihrem Ende eilen sie zu“, weiß ja der hellsichtige Loge. Gefragt ist schon hier nicht mehr: ob, sondern die Spannung lenkt sich auf das Wie ihres Untergangs. Und das werden die drei weiteren Abende erzählen.

Vergrößerung in neuem Fenster Finanzstarker Herr über die Nibelungen: Alberich (Jochen Schmeckenbacher) und Loge (Hintergrund: Kurt Streit)

So schlüssig, behutsam und in organisch entwickelten Bildern die Szene gebaut war, so gestaltete Sebastian Weigle die Rheingold-Musik zu einer monumentalen Sinfonie von der Urmusik des Beginns bis zum fragwürdigen Pathos des Einzugs nach Walhall. Kleine Trübungen im Orchester an diesem besuchten Abend beeinträchtigten das insgesamt glänzende Spiel des Museumsorchesters kaum. Es gelang vor allem ein geschlossen musikalisches Ganzes, dessen gleichsam epischer Duktus großartig wirkte und auch im Kleinen, in der Leuchtkraft der Stimmen und der Transparenz der Motive, feinsinnig ausgearbeitet war.

Das Sängerensemble beeindruckte mit außergewöhnlich klarer Textartikulation. Die Einzelleistungen waren durchweg beeindruckend. Terje Stensvold war darstellerisch wie sängerisch ein höchst präsenter Wotan. Als Fricka konnte Martina Dike ihm ebenbürtig parieren. Einen Alberich ohne mystische Düsternis, dafür aber mit ausgefuchster Berechnung gab Jochen Schmeckenbacher. Und als Mime sang und agierte

Hans-Jürgen Lazar mit starker Wirkung. Glänzend die Leistung von Kurt Streit als knallhart kalkulierender Loge. Gut spielten auch die beiden Riesen (die durch ein paar weitere Statisten vervielfacht waren) ihre Rollen aus: Alfred Reiter als verliebter Fasolt und Magnus Baldvinsson als ebenso entschlossen wie brutal handelnder Fafner. Die göttlichen Geschwister Freia (Barbara Zechmeister), Froh (Richard Cox) und Donner (Dietrich Volle) hatten ausgeprägt individuelle Züge. Die Trias der Rheintöchter (Britta Stallmeister, Jenny Carlstedt, Katharina Maniera) war stimmlich schön aufeinander eingestellt und agierte elegant und mit Charme. Meredith Arwady thronte als  Erda gluckenhaft in einem Erdloch, umgeben von den noch kindlichen Nornen und sang Ehrfurcht gebietend  mit mütterlich mahnendem Ton. Beachtlich war insgesamt, wie die Sängerdarsteller der ausgefeilten Personenregie zu szenischer Wirkung verhalfen.

FAZIT

Man weiß zwar nicht, wie das wird. Aber nach diesem viel versprechenden Vorabend könnte sich in Frankfurt ein außergewöhnlicher Ring formen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Sebastian Weigle

Inszenierung
Vera Nemirova

Bühnenbild
Jens Kilian

Kostüme
Ingeborg Bernerth

Dramaturgie
Malte Krasting

Licht
Olaf Winter

Video
Bibi Abel



Statisterie der Oper Frankfurt


Frankfurter Opern- und
Museumsorchester


Solisten

Wotan
Terje Stensvold

Donner
Dietrich Volle

Froh
Richard Cox

Loge
Kurt Streit

Alberich
Jochen Schmeckenbacher

Mime
Hans-Jürgen Lazar

Fasolt
Alfred Reiter

Fafner
Magnus Baldvinsson

Fricka
Martina Dike

Freia
Barbara Zechmeister

Erda
Meredith Arwady

Woglinde
Britta Stallmeister

Wellgunde
Jenny Carlstedt

Flosshilde
Katharina Magiera




Weitere Informationen


Oper Frankfurt
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