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Im Klangrausch
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Pedro Malinowski
Oper in der Kirche? Im Vorfeld gab es vereinzelte Proteste gegen den Plan des Musiktheater im Revier, während der Sanierung des Großen Hauses mit einer konzertanten Manon Lescaut in die benachbarte St.-Georgs-Kirche umzuziehen, die zwar nicht mehr für reguläre Gottesdienste genutzt wird, aber in den Augen mancher ehemaliger Gemeindemitglieder mit einem Werk über eine schillernde Frauenfigur in der Pariser Halbwelt ziemlich kräftig zweckentfremdet wird. Der Hinweis der Dramaturgie, eine Kirche sei doch ein reizvoller Spielort, weil die Manon zu Beginn der Oper auf dem Weg ins Kloster sei, klingt da mehr nach bösem Spott als nach einer ernst gemeinten Rechtfertigung. Es gibt sicher Werke, die plausibler in einen Sakralbau passen, und für Manon Lescaut spricht vor allem, dass die Oper zum Profil des Gelsenkirchener Ensembles passt und mit viel schöner Musik das Publikum während der Bauphase bei Laune halten soll. Dass daraus aber ein wirklich großer Theaterabend wird, gehört zu den angenehmen Überraschungen der noch jungen Saison. Petra Schmidt (Manon) und Ricardo Tamura (Des Grieux)
Der große neoromanische Bau von 1906 mit halliger Akustik und langer Nachhallzeit schafft ein völlig anderes Klangbild als der gewohnte Theatersaal, aber genau darauf haben sich Dirigent Rasmus Baumann und die Neue Philharmonie Westfalen hervorragend eingestellt. Sehr pointiert ist der Wechsel von Holz, Blech und Streichern hervorgehoben, wodurch ein registerartiger Klang entsteht. Die Interpretation ist geprägt von einer flächigen Klangvorstellung, die jedem Akt eine eigene vorherrschende Farbe verleiht, von einer flirrend-schwirrende Atmosphäre im ersten bis zu fast sakraler Stimmung im vierten Akt. Dadurch entsteht eine schlüssige Disposition, die das gesamte Stück übergreift. Baumann überzeichnet manches Detail, eine Aufführung der leisen Zwischentöne ist dies nicht, will es auch nicht sein. Vielmehr überwältigt der volle, direkte Klang, erreicht auch ein sattes, körperhaftes Fortissimo, wie man es im Großen Haus nebenan eben nicht erleben kann. Mit dem bestens disponierten Orchester gelingt es da, von der ungewohnten Umgebung zu profitieren und ein Raumklangerlebnis der besonderen Art zu produzieren: Keine Notlösung, sondern ein spannender Ausflug in unbekanntes Terrain. Bjørn Waag (Lescaut) und Dirigent Rasmus Baumann
Auch die Sänger fühlen sich offenbar sehr wohl in diesem Kirchenraum, der die Stimmen akustisch vergrößert und ins Riesenhafte steigert (was die Herren allerdings gerne auch dazu animiert, allzu pauschal im Forte zu verharren). Ob Bjørn Waag als zupackend-donnernder Lescaut, Michael Tews als grundsolider und genau phrasierender Geronte oder Andreas Herrmann als schwärmerisch aufblühender Edmondo, durch die Bank sind die Partien ausgezeichnet besetzt (das gilt auch für die kleinen Partien). Über sich hinaus wächst Ricardo Tamura als Des Grieux und schwingt sich scheinbar anstrengungslos zu absolut sicheren tenoralen Höhen auf, volltönend und expressiv. Übertriebenes Pathos wird durch Baumanns straffes Dirigat ohnehin unterbunden. Großartig auch die Manon von Petra Schmidt, die viele zerbrechliche Zwischentöne singt und das Fragile der Figur deutlich macht, aber mit ihrer lyrisch grundierten Stimme auch die Kraft für die großen Eruptionen besitzt. Dazu gesellen sich der sehr differenziert singende Chor und Extrachor (Einstudierung: Christian Jeub), akustisch geschickt weit hinten aufgestellt und dadurch mit großem Ausdrucksspektrum nie zu dominant. Es ist eine Binsenwahrheit, dass konzertante Aufführungen bekannter Werke das Ohr für Dinge schärfen, die durch das Bühnengeschehen sonst verloren gehen; das bestätigt sich auch hier. Oper in der Kirche? Auf so hohem Niveau unbedingt.
Tolles Orchester, tolle Sänger und ein ambitionierter junger Dirigent, der aus der ungewohnten Umgebung viel klangliches Kapital schlägt: Eine ganz starke konzertante Aufführung. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Chor
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der rezensierten AufführungManon Lescaut Noriko Ogawa-Yatake / * Petra Schmidt
Lescaut, ihr Bruder
Chevalier Renato Des Grieux
Geronte de Ravoir
Edmondo
Der Wirt
Ein Tanzmeister
Ein Lampenanzünder
Ein Sergeant
Ein Kapitän
Ein Musiker
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