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Premiere in der Staatsoper Hannover am 23. Mai
2010 Nothungs Geburt: Siegmund (Vincent Wolfsteiner)
Hunding ist ein brutaler, neureicher Macho,
der seiner Gattin
und sich auf dem Heimweg von dubiosen Geschäften fünf
Portionen Chinafood
mitbringt und dazu ein Bier nach dem anderen serviert bekommt. Mit
seinem
Gürtel verprügelt er Sieglinde hinter dem Sofa, dort, wo
später der
inzestuöse
Ehebruch stattfindet. Nachdem Sieglinde sich um Siegmunds blutende
Hände gekümmert
hat – ein Bild, das unweigerlich an Christi Wundmale erinnert – und
nachdem
der Lenz in Form einer giftgrünen Bühnenbeleuchtung in den
Saal gelacht hat, greift
Siegmund tief in eine die Zimmerdecke durchbrechende Wurzelspitze (oder
sonstige biologische Beule) und zieht das bisher unsichtbar gebliebene
Schwert
geburtsähnlich und mit viel gelblicher Flüssigkeit hervor.
Das ist kein
besonders angenehmer Anblick – zumal dadurch das schöne Ledersofa
verdorben
wird. Dass während des anschließenden Zeugungsaktes weitere
Flüssigkeit
nachfließt, macht das Bild vielleicht erklärlicher – aber
nicht ästhetischer. Der zweite Aufzug ist am
treffendsten mit „Vorhang auf –
Vorhang zu – Vorhang auf –
Vorhang zu...“
beschrieben.
Ein
erhöhter,
bühnenbreiter Weg mit
Mitteltreppe und
Geländer ist die Spielfläche – variiert durch vier
verschiedene Vorhänge, die sich
je nach Stimmungs- und Lebenssituation öffnen und schließen.
Wotan ist ebenso
wie Hunding ein Geschäftsmann – jedoch ein edlerer. Beim Joggen
wird er von
Security-Männern begleitet, die ihm Wasser und Handtuch
hinterhertragen. Sein
Fitnessprogramm wird vom Schneider, von der Sekretärin und nicht
zuletzt von
der Gattin (im orangefarbenen Kleid mit lila Pumps) gestört. Während
Wotan bei Brünnhilde (in
Lederjacke mit
Motorradhelm) seine Lebensbeichte ablegt, verfängt er sich im
roten
Bühnenvorhang. („In eig’ner“ Fessel fing ich mich…“). Sinnig. Und
wenn er dann
vom „freien Helden“ spricht, öffnet sich der Vorhang wieder. Noch
sinniger. Zur
Todesverkündigung erhellt eine einsame Lampe ihr Licht von rot zu
orange. Da
Wotan (natürlich) keinen Speer besitzt, kann Siegmunds Schwert
Nothung auch
nicht planmäßig daran zerschellen. Es bricht trotzdem und
gibt Hunding die
Gelegenheit, Siegmund in unbändiger Wut brutal zu meucheln, bevor
er unter irrem
Lachen selbst das Leben aushaucht. Wild:
Walküren
Den „Knaller“ haben sich Regisseur,
Bühnen- und Kostümbildner
für den Schluss aufgespart: Als „Walküren-Felsen“ sehen wir
eine durch und
durch elfenbeinfarbene Tankstelle. 17 Walküren aus dem
Punkermilieu (mit Brünnhilde
sind es später 18) rennen wie eine wild gewordene Mädchengang
über die Bühne. 8
singen 9 kreischen (hat da jede eine Auszubildende oder Praktikantin?).
Sie
sind wirr und verdreckt und machen sich an blutüberströmten
splitternackten
Jungmännerleichen in vielfältiger Weise zu schaffen.
Elfenbeinfarbene Autos passieren
die Tankstelle. Einige bringen Heldennachschub. Ganz eigeninitiativ zieht sich
Brünnhilde am Schluss ihre
Lederjacke wieder an und legt sich auf den harten Beton neben die
Zapfsäule, aus
der Wotan mit Benzin einen nassen Kreis um die unartige Tochter zieht –
nicht
ohne ihr vorher den Motorradhelm aufgesetzt zu haben. Sicherheit muss
sein.
Aber keine Angst (oder Hoffnung): Der Feuerzauber fällt bescheiden
aus, denn
Wotan drückt Brünnhilde lediglich eine Fackel in die Hand. Die ganze Geschichte spielt
in heutiger Zeit. An Stelle
eines Feuerkreises gibt es einen nassen Kreis, statt eines Helden einen
Neurotiker. Statt hehrer Kampfesmaiden durchgeknallte Teenies. Bringt
uns das
weiter? Und wenn ja, wohin? Ein bisschen wirken diese Bilder wie
verpuffte
Provokationen. War die Personenregie im „Rheingold“
noch
das
große
Plus in der
Waagschale, wirkt sie hier weniger subtil als plakativ, ja zuweilen
deutlich
überzogen. Und – und das war am allerwenigsten zu erwarten –
über lange
Strecken ist die Inszenierung einfach langweilig. Der Kontrast zwischen
Langeweile und Überdrehtheit entzündet nicht einmal einen
spannenden Funken. Das
ist alles in allem szenisch doch sehr enttäuschend. Doch zum
Glück gibt es ja auch die
musikalische Seite dieser
Produktion. Und da ist an vorderster Stelle Vincent Wolfsteiner zu
nennen, der
ein phänomenales Debüt als Siegmund gab. Sein glanzvoller, in
allen Lagen
ansprechender und sicherer Tenor hat ein ausgesprochen angenehmes
Timbre. Er
verfügt gleichermaßen über strahlende Höhen und
warme, lyrische Töne. Dabei
gestaltet er seine Partie sehr durchdacht und uneitel, so dass auch die
phantastischen „Wälse“-Rufe nicht geprahlt wirken. Albert
Pesendorfer ist ein stimmgewaltiger
und doch
kultiviert singender Hunding. Kelly God gestaltet die Sieglinde sehr
intensiv,
klingt wunderschön im Piano, in den Höhen aber immer wieder
angestrengt. Im
Walküren-Oktett vereinen sich die individuellen Stimmen zu einem
harmonischen
Ganzen. Über Khatuna Mikaberidzes Fricka schweigt des Rezensenten
Höflichkeit,
es kommt immer wieder vor, dass Ensemblemitglieder Partien
übernehmen müssen,
die ihre stimmlichen Möglichkeiten überschreiten. Szenisch kann diese „Walküre“ dem „Rheingold“
nicht
das
Wasser
reichen.
Die Regie schwankt unausgewogen zwischen schrill und
langweilig. Die musikalische Seite ist überwiegend erfreulicher.
Herausragend: Vincent
Wolfsteiners phänomenales Rollendebüt als Siegmund. Musikalische
Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Dramaturgie Statisterie der
Siegmund
Sieglinde Hunding Wotan
Brünnhilde
Fricka
Helmwige Gerhilde Ortlinde Waltraute Siegrune Rossweiße
Grimgerde Schwertleite
Weitere
Informationen
Die
Walküre
Erster Tag des Bühnenfestspiels
"Der Ring des Nibelungen"
Text und Musik von Richard Wagner
Aufführungsdauer:
ca. 5 Stunden (zwei Pausen)
Staatsoper Hannover
(Homepage)
Brünnhilde
auf
der
Tankstelle
Von Bernd
Stopka / Fotos Thomas M. Jauk
Siegmund (Vincent Wolfsteiner (vor dem Fenster)
Sieglinde (Kelly God), Siegmund (Vincent Wolfsteiner)
und Brünnhilde (Brigitte Hahn)
Wotan (Robert Bork),
Brünnhilde (Brigitte Hahn)
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Produktionsteam
Wolfgang
Bozic
Barrie
Kosky
Klaus
Grünberg
Klaus
Bruns
Klaus Grünberg
Susanne Rheinhardt
Ulrich Lenz
Staatsoper Hannover
Niedersächsisches
Staatsorchester Hannover
Solisten
Vincent Wolfsteiner
Kelly God
Albert Pesendorfer
Robert Bork
Brigitte Hahn
Khatuna Mikaberidze
Arantxa Armentia
Karen Frankenstein
Carmen Fuggis
Monika Walerowicz
Mareike Morr
Julia Faylenbogen
Valentina Kutzarova
Sandra Fechner
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Hannover
(Homepage)
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