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Musiktheater
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Orfeo ed Euridice
(Orpheus und Eurydike)


Azione teatrale per musica in drei Akten
Text von Ranieri Simone Francesca Maria de' Calzabigi
Musik von Christoph Willibald Gluck
Wiener Fassung (1762) in italienischer Sprache


Aufführungsdauer: ca. 1h 30' (keine Pausen)

Premiere im Opernhaus Köln am 24. Oktober 2009


Logo: Oper Köln

Oper Köln
(Homepage)

Auch die schönste Musik kann den Tod nicht überwinden

Von Stefan Schmöe / Fotos: gibt's nicht

Der Abend beginnt mit einem Knalleffekt: Lautstark fallen die Saaltüren ins Schloss, und wenn sich das Publikum erschrocken umdreht, rast auch schon die Overtüre los. Die klingt nicht wie sonst festlich-heiter, sondern stürmt und drängt gehörig los – fast ein bisschen zu schnell für die Streicher des Gürzenich-Orchesters, die über „kleinen“ Noten ziemlich unscharf hinweghuschen. Aber auch wenn dieses Orchester kein Spezialensemble für alte Musik ist und manches Detail im Tutti nicht die allerletzte Prägnanz erhält, ist vom ersten Ton an ein spezifischer, sehr genau ausgeloteter Klang hörbar. Glucks Musik, die ja allzu leicht zu pauschalem Schönklang neigt, wird entschlackt und erhält ihre ganz eigenen, bisweilen unerhört neuen Farben. Mit Konrad Junghänel steht ein Fachmann für „alte“ Musik am Dirigentenpult, dem der Wille anzumerken ist, nicht nur zu begleiten, sondern zu gestalten. Nicht alles, aber doch sehr vieles gelingt da ganz ausgezeichnet, beispielhaft etwa das berühmte, von Junghänel und dem Orchester atemberaubend phrasierte „Che faró, senza Euridice“.

Natürlich kann man ein Haus wie die Kölner Oper nicht von jetzt auf gleich in ein Institut für einen „Originalklang“ ummodeln. Der große Opernchor etwa singt wunderschön mit weichem, fein nuancierten Klang, besteht aber eben aus „romantisch“ ausgebildeten Sängern (die zeitgleich ja auch Stücke wie die Meistersinger oder La Traviata singen). Im Vergleich zum geschärften Orchesterklang wäre da eine kleine, den Instrumenten entsprechend noch stärker auf Vibrato verzichtende, schärfer akzentuierende Besetzung angemessen. (Da der von Andrew Ollivant einstudierte Chor tadellos singt, ist das immerhin auf angenehme Art zu verschmerzen.) Und streiten lässt sich sicher über die Besetzung der männlichen Titelpartie: Der Orfeo ist hier mit einem (weiblichen) Mezzosopran besetzt – Gluck hatte in seiner ersten („Wiener“) Fassung einen Altkastraten vorgesehen. Ein Countertenor mit seinem spezifischem Klangspektrum wäre für diese Aufführung schon sehr reizvoll gewesen – der konventionellere, auch „romantischere“ Frauen-Mezzo nimmt in gewisser Hinsicht die Bemühungen um einen Gluck-typischen Klang zurück.

Maria Gortsevskaya verfügt als Orfeo allerdings über eine höchst beeindruckende Ausdruckspalette. Die Stimme hat ein leicht dunkles, sehr apartes Timbre; dass die Partie teilweise recht tief für die Sängerin liegt und den ganz tiefen Tönen die Substanz fehlt, passt durchaus zu einer Ausgestaltung, die mit hoher Intensität an die emotionalen Grenzen geht. Bildet das Orchester das eigentliche Kraftzentrum der Oper, so ist dieser Orfeo der starke Gegenpol, der Herausforderer. Die durch und durch solide Euridice von Jutta Böhnert, eine selbstbewusste Frau mit gehörigen Zweifeln an der Rechtschaffenheit von Orfeos Mission, und der jugendlich strahlende Amore von Anna Palimina bleiben da ein wenig im Schatten Orfeos.

Dass die Aufführung in erster Linie von der Musik geprägt ist, spricht keineswegs gegen die unprätentiöse Inszenierung von Johannes Erath. Die Geschichte nacherzählen (die sowieso geradlinig und gut bekannt ist) will der Regisseur nicht. Da es ja darin um die wiederbelebende Wirkung der Musik geht, gebührt dieser auch der Vorrang vor dem erzählenden Element. Daher unterlegt Erath die Musik mit klaren Bildern, in denen sich die Gefühlslage Orfeos widerspiegelt. Menschen in heutiger Kleidung bevölkern die Bühne, heben zunächst den eisernen Vorhang wie eine riesige Last, verharren in Trauerpose, finden Trost in der Musik. Zum Chor der Furien streiten sie sich, erscheinen hart und abweisend - um dann zu Orfeos schmeichlerischen Klängen ihre harte Schale mehr und mehr abzulegen. Die Regie konzentriert sich ganz auf Orfeo und dessen scheitern, zeichnet die Begegnung mit Euridice als modernen Beziehungskonflikt. Das ist eine im Grunde sehr einfache Sicht- und Erzählweise, die aber sehr genau mit der Partitur korrespondiert und diese angenehm unaufgeregt für sich sprechen lässt.

Das glückliche Ende – auch nach dem erneuten Tod haben die Götter ein einsehen und lassen Euridice ihrem Gatten folgen - haben schon Gluck und dessen Librettist Ranieri de' Calzabigi als Zugeständnis an die Opernkonvention empfunden. So inszeniert es auch Johannes Erath: Zur abschließenden Ballettmusik ziehen die Choristen barocke Kostüme an und reichen sich die Hände zum Menuett; Euridices Leiche bleibt am Bühnenrand liegen. Keine erneute Rettung also, vielmehr der Verweis auf die barocke Operntradition. Konrad Junghänel und den Instrumentalisten gelingt es, die an sich konventionellen Ballettmusiken mit zarter melancholischer Schönheit aufzuladen, sodass man diesen Schluss weniger als Verweigerung denn als unerfüllbare Utopie ansehen kann. Am Ende einhelliger Jubel beim Kölner Publikum.


FAZIT

Eine konzentrierte und sehr stimmige Aufführung mit großen musikalischen Momenten und einer einfühlsamen Regie, die unaufdringlich Akzente setzt.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Konrad Junghänel

Inszenierung
Johannes Erath

Bühne
Olaf Altmann

Kostüme
Claudia Jenatsch

Licht
Hans Toelstede

Chor
Andrew Ollivant

Dramaturgie
Francis Hüsers


Statisterie der Oper Köln

Chor der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

Orfeo
Maria Gortsevskaya

Euridice
Jutta Böhnert

Amor / Eros
Anna Palimina


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Köln
(Homepage)





Da capo al Fine

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