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Im Casino
Von Ursula Decker-Bönniger
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Fotos von Michael Hörnschemeyer Auch 158 Jahre nach der Uraufführung scheint die Aktualität und Attraktivität der Verdi-Oper Rigoletto ungebrochen. Ist es die Tragödie des als Narr bei Hofe angestellten „sozialen Emporkömmlings“ Rigoletto, die uns heute berührt, das Vorführen absolutistischer Willkür im herzoglichen Spiel mit der Unschuld bürgerlicher Mädchen, die in der Geschichte angelegte Psychologie der Vater-Tochter-Beziehung, oder sind es die eingängigen Arien, mit denen der Herzog die angebeteten Schönen zu umgarnen weiß? Regisseur Andreas Baesler wählt als Blickwinkel für die münstersche Inszenierung neben der absolutistischen Willkür einer Militärdiktatur auch die schicksalhafte Dimension der Geschichte, den Fluch, die „maledizione", die die Oper wie ein Leitmotiv durchzieht. Mit diesem Fluch beantwortet Graf Monterone schon im ersten Akt den Spott Rigolettos anlässlich seiner Anklage der gesellschaftlichen Unmoral. An ihn erinnert Rigoletto sich, bevor er am Schluss über dem Leichnam seiner geliebten Tochter zusammenbricht. Henrike Jacob (Gilda), Andrea Shin (Herzog)
Baesler verlegt die bei Verdi im Palast des Herzogs von Mantua spielende Ausgangsszene in ein mit Warnstreifen gerahmtes Casino mit Billardtisch, Kronleuchter und lasziven Bardamen. Aus den Höflingen sind scherzende, grün uniformierte und zum Teil reich dekorierte Offiziere geworden, peinlich darauf bedacht, dass ihre Kreise nicht gestört werden. Der Herzog erinnert in seinem Verhalten eher an einen schonungslosen Draufgänger und Vergewaltiger als an einen charmanten Verführer, die Kostüme Gildas und der Gräfin Cepranos verweisen auf die 1950er Jahre. Ob sich Rigoletto als revolutionärer Außenseiter zu den Klängen des Fluchmotivs der Ouvertüre zu einem clownesken Teufel kostümiert oder nach der Arbeit als gebeugter, gehbehinderter, alter Mann mit schütterem, grauen Haar einsam die Bühne von links nach rechts begeht, ob Gilda barfüßig, in Weiß, mit aufgelösten blonden Locken verliebt an der Lederjacke ihres vermeintlichen Studenten Gualtier Maldè schnüffelt, viele Szenenbilder orientieren sich plakativ am bekannten Handlungsgeschehen. Oft trieft es geradezu vor sentimentalem Kitsch und Klischee. Die wenigen witzigen Regiekommentare, etwa wenn der „ehrenwerte“ Berufsmörder Sparafucile als stempelnder Beamter gezeigt wird oder der Herzog vor dem Erklingen des Opernhits „La donna è mobile“ den Musikautomaten anwirft, wirken aufgesetzt und unmotiviert. Henrike Jacob (Gilda), Jaco Venter (Rigoletto)
Auch der musikalischen Darbietung des Sinfonieorchester Münster unter der Leitung von Thorsten Schmid-Kapfenburg fehlt der szenische Spannungsbogen. Hier hätte man sich eine packendere, präsentere Gestaltung des kontrastiven musikalischen Geschehens und der Charaktere gewünscht. Solisten und Chor singen und spielen engagiert; vor allem der Chor überzeugt durch homogenen Klang und dynamisch differenzierte Gestaltung. Andrea Shin ist auch stimmlich ein zunächst forcierender, draufgängerischer Herzog, dessen Stimmfarbe im Laufe des Abends an Weichheit und Wärme gewinnt. Henrike Jakob glänzt als unschuldige Gilda mit virtuosen Koloraturen und glasklaren, stechend scharfen Spitzentönen. Jaco Venter ist ein differenziert gestaltender, kraftvoller, voluminöser Rigoletto, der schluchzt, fleht, seine tiefe Erschütterung herausschreit und Rache schwört, aber auch mit leiseren, tröstlichen Farben im Duett mit Henrike Jakob zu überzeugen weiß. Plamen Hidjov ist ein ausdrucksstarker Sparafucile mit tiefem, klangvollen Bassregister.
Szenisch wie musikalisch durchschnittlich. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne
Kostüme
Chor
Dramaturgie
Solisten
Herzog von Mantua
Rigoletto, Hofnarr
Gilda, seine Tochter
Graf von Monterone
Sparafucile
Maddalena, seine Schwester
Giovanna
Marullo
Borsa
Graf von Ceprano
Gräfin von Ceprano
Ein Gerichtsdiener
Ein Page
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