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Verkauft und verraten
Von Joachim Lange
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Fotos von Martina Pipprich Natürlich hat Katharina Wagner Bayreuth immer im Gepäck. Aber nicht nur, weil sie Wagner heißt, eine der beiden Festspielleiterinnen ist und bislang, von zwei Ausnahmen, nämlich Lortzings Waffenschmied und Puccinis Il Trittico abgesehen, in der Auseinandersetzung mit den Werken ihres Urgroßvaters trefflichen Regisseurinnen-Mut vor den Erwartungsthronen der Gemeinde gezeigt hat. Diesmal holte sie etwas ganz Menschliches ein. Sie verzichtete nämlich am Premierenabend auf den Auftritt vor dem Schlussvorhang ihrer Butterfly-Inszenierung in Mainz, um daheim in Bayreuth dem plötzlich an einer Lungenentzündung erkrankten 90-jährigen Vater Wolfgang Wagner nahe zu sein. Wobei sich das Contra, aber auch das Pro, das ihr Team stellvertretend entgegen nahm, in Grenzen hielt. Jedenfalls hat sie bisher mit ihrem Zugriff auf die Werke ihres Ahnen mehr an- und aufgeregt als mit ihren erklärtermaßen zweiten Favoriten Puccini. Goro hat für jeden Geschmack etwas im Angebot
Dabei entwickelt Katharina Wagner auch hier einen durchaus ambitionierten Deutungsehrgeiz, in dessen Dienst sie eine zum Teil schrille Bebilderung stellt. Sie zeigt überdeutlich, dass es bei der Kurzzeitehe zwischen dem amerikanischen Offizier Pinkerton und der Japanerin Cio-Cio Sun eigentlich um käuflichen Sex geht. Was offenbar allen klar ist, außer Butterfly selbst. Spielmacher Goro, der hier wie ein korrumpierter orientalischer Harlekin permanent die Fäden zieht, präsentiert den biederen Anzugträgern Pinkerton (streckenweise nur spürbar angestrengt: Sergio Blazquez) und Sharpless (solide: Patrick Pobeschin) in den sieben beweglichen Kuben, aus denen zunächst das ganze Bühnenbild von Monika Gora besteht, alle erdenklichen Objekte sexueller Begierde. Da gibt es eine Soldatin und ein Schulkind, ein Lack-und-Leder-Busenwunder ein Sado-Maso-Angebot und einen Matrosen ist da alles drin. Schrill und bunt. Goro präsentiert Sharpless (links) und Pinkerton die verschleierte Schöne
Da fällt die verschleierte Schüchterne schon wieder so aus dem Rahmen, dass sich Pinkerton für sie entscheidet. Die Begegnung zwischen ihnen ist von Anfang an ein Missverständnis, das sie von ihren Wurzeln und bewahrten Erinnerungen trennt. Um das zu verdeutlichen, ist ihre stoffreich aufgebauschte Kimonoadaption über Stoffstreifen mit dem Hintergrund verwachsen, ihr Blick auf die Wirklichkeit durch einen steifen, abstehenden Gesichtsschleier gefiltert und der Geist der Ahnen in lauter weiße Schachteln verpackt. Die sind erst eingenäht und dienen dann als Ausgangsmaterial, um sich eine Art Schrein zu bauen. In einigen davon finden sich Filzstifte, mit denen man die Schlagwörter der Hoffnung an die Wände schreiben kann. Andere sind einfach leer. So wie jenes rote Päckchen, das sie wie eine Reliquie hütet, seit sie es von Pinkerton geschenkt bekommen hat. Pinkerton, Butterfly und Suzuki
Wenn Butterfly dann auf Pinkertons Rückkehr wartet, richtet sie sich hier denn auch daran und nicht an ihrem (in Mainz nicht vorhandenen) Kind auf. Und an Schlagworten der Illusion wie Love, Hope oder Trust, die sie an die Wände ihrer abstrakt angedeuteten Behausung schreibt. Und die dort von selbst wieder zerlaufen oder weggewischt werden. Während dabei ein erstaunlich statisches Ausharren im Wechselspiel mit einer überstrapazierten Schachtel- und Tücher-Metaphorik das Kammerspiel der Selbsttäuschung eher unterläuft als wirklich entfaltet, fängt der Hintergrund diese Leerstellen zum Teil wieder auf. Wenn auch nur assoziativ. Dort türmen sich fünfzehn offene Räume. Sie sind fast leer, nur mit Neoröhren bestückt. Dort ein paar Lampions oder die Beine einer Frauenpuppe, da eine Batterie leerer Flaschen oder ein Maschendrahtrest. Das ähnelt einer urbanen Installation, die assoziativ von ungestümem und aufgestülptem Wachstum erzählt. Von einer Welt, die auf den Kopf gestellt wird, aber auch von zerstörten Bindungen. Goro hat hier seinen Sitz auf dem Rücken eines Mannes. Durch dieses Raumlabyrinth geistert immer wieder ein Mann, der wohl ein Alter Ego Pinkertons sein soll, der dabei wie zum Spaß immer wieder zwei halbnackte Soldaten erschießt. Dorthin aber und damit zum triumphierenden Goro wendet Butterfly am Ende ihren Blick. Wenn sie jeder Illusion beraubt, endlich ihren steifen Gesichtsschleier, der Thomas Kaisers missratene Kimonoübersetzung krönt, herunter reißt. Schlagworte einer Illusion
Immerhin arbeitet Katharina Wagner mit ihrer bewussten Stilisierung konsequent gegen die folkloristisch sentimentale Abrutschgefahr dieser Oper. Im Graben freilich führt Catherine Rückwardt ihr Orchester in die entgegengesetzte Richtung und lässt dabei im dick aufgetragenen cineastischen Schmäh sogar ihre wohlklingende Butterfly Abbie Furmansky auch schon mal fast untergehen.
Auf einem mittleren musikalischen Niveau bietet diese Butterfly-Produktion einen ambitionierten szenischen Ansatz, der versucht, gegen sentimental folkloristische Klischees anzugehen, dabei aber mit seinen Assoziationsräume eine solche Distanz schafft, dass die Geschichte am Ende kaum noch berührt. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
szenische Mitarbeit
Bühnenbild und Licht
Kostüme
Chor
Dramaturgie
Solisten
Cio-Cio Sun, genannt Butterfly
Suzuki
Kate Pinkerton
Sharpless
Goro
Der Fürst Yamadori
Onkel Bonzo
Yakusidé
Kaiserlicher Kommissar
Standesbeamter
Die Mutter Cio-Cio Sans
Die Tante
Die Kusine
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