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Treemonisha

Oper in drei Akten
Libretto und Musik von Scott Joplin
Orchestrierung von Gunther Schuller


in englischer Sprache mit französischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h (eine Pause)

Premiere am 31. März 2010 im Théâtre du Châtelet


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Théâtre du Châtelet
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Grace is back!

Von Thomas Tillmann / Fotos von Marie-Noëlle Robert



Vergrößerung in neuem Fenster Treemonisha (Adina Aaron, Bildmitte) träumt an ihrem Lieblingsplatz, dem bedeutsamen Baum, ihre "Eltern" Monisha (Grace Bumbry, rechts) und Ned (Williard White, rechts) lauschen dem Geschwätz des Zauberers Zodzetrick (Stephen Salters, links).

Fünfzig unglaubliche Jahre nach ihrem Bühnendebüt als Amneris im Palais Garnier, zwanzig Jahre nach ihrer Mitwirkung bei den ersten Opernvorstellungen in der Opéra Bastille in Berlioz' Les Troyens, dreizehn Jahre nach ihrem Bühnenabschied als Klytämnestra in Strauss' Elektra in Lyon, neun Jahre nach ihrem Auftreten im Châtelet mit ihrer "Hommage à Lotte Lehmann" (auf DVD bis heute erhältlich) und drei Jahre nach ihrem letzten bemerkenswerten Recital dort war es eben dieses Pariser Theater, an dem sie ihr Bühnencomeback feierte - und an dem sie gefeiert wurde von ihren Fans, die nicht nur ihre große, walzerselige Arie "The tree" zum Showstopper werden ließen, sondern sie auch am Ende der Vorstellung, als sie als letzte Darstellerin auf die Bühne trat, bejubelten für einen mehr als respektablen Auftritt in einer Rolle, die ihren heutigen Möglichkeiten vollauf entsprach. Sicher, mancher Fan hätte sich vielleicht ein hochkarätigeres Werk als Scott Joplins Treemonisha für Bumbrys Rückkehr auf die Opernbühne gewünscht, hätte sie gern noch länger singen und spielen sehen, aber man merkte doch auch, dass das Laufen und das Agieren auf der Bühne die Amerikanerin, der der französische Staat 1996 den Titel "Commendeur des Arts et Lettres" verlieh (worauf auf dem Besetzungszettel ausdrücklich und hochoffiziell hingewiesen wird), nicht wenig anstrengt, dass sie in vielen Szenen sitzen darf, dass manches um sie herum arrangiert wird. Schmunzelnd nahm man auch zur Kenntnis, dass die Perücke vielleicht etwas zu prachtvoll gestaltet war, dass sicher nicht billige Steine an den Ohrläppchen funkelten, dass das blaue Kleid nur schlicht wirkte - ein bisschen Primadonnenhabitus gesteht man einer Künstlerin mit einer solch glanzvollen Karriere gern zu. Erstaunlich genug, dass die Stimme sich in den letzten Jahren kaum verändert hat, man freut sich nicht zuletzt über die sorgfältige Phrasierung, das technische Finish, die Sorgfalt, mit der die Künstlerin ihre Partie musikalisch gestaltet, die Kraft vor allem in der hohen Lage, auch wenn ihr Erreichen anfangs noch ein wenig Arbeit erfordert und das Vibrato ein ausladendes, aber nicht unangenehmes ist.


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Lucy (Janinah Burnett, in der Bildmitte in weiß) erzählt Monisha (Grace Bumbry, Bildmitte in blau) und den Plantagenbewohnern von Treemonishas Entführung.

Williard White (er ist seit 1995 Commander of the Order of the British Empire und wurde 2004 auch zum Ritter geschlagen) sang den Nick auch in der einzigen verfügbaren Aufnahme, die im Herbst 1975 in den RCA Studios in New York entstanden ist (im Anschluss an die Aufführungen in Houston, auf die noch einzugehen sein wird) und die in der "opera_HOUSE"-Serie der Deutschen Grammophon 2005 neu aufgelegt wurde, und noch immer hat er die nötige darstellerische und auch vokale Autorität für diese Rolle, zu der ein leicht verwittertes Timbre durchaus passt.

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Treemonisha (Adina Aaron, in der Bildmitte in weiß) wird von den Magiern ordentlich in die Mangel genommen.

Einen glänzenden Eindruck hinterließ aber natürlich auch Anita Aaron, die die ein wenig undankbare Aufgabe hatte, neben zwei solchen Stars die Titelpartie zu singen, aber mit ihrem vollen, warmen lyrischen Sopran, der mich ein wenig an den ihrer großen Vorgängerin Leontyne Price erinnerte, deren Repertoire sie auch sonst singt, und herrlichen Spitzentönen gegen Ende für sich einnahm. Stanley Jackson war an ihrer Seite ein guter, wenn auch bei einigen hohen Tönen etwas nervöser Remus mit viel Geschmack und Intensität in seiner "lecture", Stephen Salters gab als bunt kostümierter Bösewicht Zodzetrick dem Affen reichlich Zucker, überzeugte dabei aber vor allem durch seine sehr persönliche, schillernde Körpersprache, Krister St. Hill, der mir vor einigen Jahren schon nicht schlecht als Telramund im Kölner Lohengrin gefallen hatte, gab einen kraftvollen, charismatischen Parson Alltalk, auch wenn ihm einige tiefe Töne nicht ganz leicht fielen. Stellvertretend für die übrigen Mitwirkenden sei Loic Félix genannt, der als Cephus nur ein paar Einsätze hatte, damit aber sofort aufhorchen ließ, ein hoher lyrischer Tenor, der mich an den Besuch des hervorragenden Juan-Diego-Flórez-Recitals in der Salle Pleyel zwei Abende zuvor erinnerte.

Das Orchester hätte mitunter etwas raffinierter und etwas weniger polternd musizieren können als in der Ouvertüre, aber insgesamt überzeugte das Ensemble orchestral de Paris unter Kazem Abdullahs Leitung doch, und manche Passage ging angenehm ins Bein, manche unmittelbar ans Herz.


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Treemonisha (Adina Aaron, in der Bildmitte in blau und mit Sternen) wird von den Plantagenbesitzern (Ensemble des Théâtre du Châtelet) als neue Leitfigur gefeiert.

Roland Roure und Blanca Li erzählen die ohnehin überschaubare, etwas rührselige, moralisierend-pathetische Geschichte ziemlich brav, naiv und traditionell, die nach Angaben ihres Schöpfers auf einer Plantage irgendwo im Staat Arkansas zwischen 1866 und 1894 spielt, die die weißen Besitzer nach der Befreiung der Schwarzen verlassen haben und in der die Letztgenannten im Zustand tiefer Unwissenheit und beeinflusst von bösartigen Magiern leben, bevor die Protagonistin, die als Einzige eine Ausbildung erhält, sie in die geistige Freiheit führt. Hübsch ist die märchenhafte Optik dieser Neuproduktion, die - und das ist gar nicht negativ gemeint - an Kinderoper und Läden mit Ethnowaren erinnert, da gibt es traditionelle (oder der Tradition nachempfundene) Masken und jede Menge Animal Print, einen launigen Bärentanz, ein stimmungsvolles Baumwollpflückerbild mit Bergen dieses Materials auf der von Jacques Rouveyrollis herrlich ausgeleuchteten Bühne, in dem die Herren des grundsätzlich gut aufgelegten Chores in der Einstudierung von Sergej Pavlov glänzen, ausgelassene Ragtimeszenen natürlich mit agilen Tänzerinnen und Tänzer, die in ihren Solos nicht zuletzt auch mit ihren akrobatischen Fähigkeiten das Publikum faszinieren, ein zu Herzen gehendes Bekenntnis zu Treemonisha als neuer Leitfigur, der man einen Sternenvorhang an die Blätterkrone hängt, der über die ganze Bühne reicht. Ein bisschen politischer hätte das alles aber doch sein dürfen, die Plakate, die überall in der Stadt zu sehen waren, gaben doch die Richtung vor mit dem Foto von entfesselten Afroamerikanern nach dem Obama-Sieg, und Treemonishas Versöhnungsbotschaft macht bei aller utopischen Schlichtheit doch nach wie vor Sinn in einer Zeit, in der religiös motivierte Kriege und ebensolcher Terror unseren Alltag bestimmen. Oder man hätte Joplins eigene Geschichte stärker in die Inszenierung einbringen können: 1909 ging er nach New York, um Treemonisha auf die Bühne zu bringen, aber niemand war bereit, eine von einem Schwarzen komponierte Oper mit autobiografischen Zügen zu produzieren. 1915 wurde das Werk in einem kleinen Saal zu Joplins eigener Klavierbegleitung privat uraufgeführt, danach geriet das von Gerard Condé im Programmheft als vermeintlich erste nordamerikanische Oper bezeichnete Oeuvre in Vergessenheit, bevor es am 27. Januar 1972 in Atlanta seine konzertante Uraufführung erlebte (immerhin mit Simon Estes als Ned), 1975 kam es dann zu einer vielbeachteten ersten szenischen Produktion an der Oper von Houston und zu einem Überraschungserfolg am Broadway, 1976 erhielt der Afroamerikaner posthum für sein Werk den Pulitzer Preis zuerkannt.


FAZIT

Treemonisha ist sicher kein Meisterwerk, dazu fehlt es Joplins Oper musikalisch wie inhaltlich letztlich an Gehalt, aber es ist eine gute Show, die unterhält und berührt und damit vielleicht doch eine Alternative ist zu Porgy and Bess oder den immer gleichen Musicals, die deutsche Dreispartenhäuser spielen, gerade auch wenn man (Opern-)Sänger und Tänzer im Ensemble hat. Und da ist Grace Bumbry, die auf bemerkenswerte Weise daran erinnerte, dass auch nach fünfzig Jahren auf der Bühne mit ihr zu rechnen ist.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kazem Abdullah

Szenisches Konzept, Dramaturgie,
Bühne und Kostüme
Roland Roure

Inszenierung und
Choreografie
Blanca Li

Licht
Jacques Rouveyrollis

Kostümmitarbeit
Lili Kendaka

Bühnenbildmitarbeit
Sonia Dalle

Regiemitarbeit
Jean-Philippe Delavault

Videorealisierung
Robert Nortik

Choreinstudierung
Sergej Pavlov



Chor des Châtelet

Ensemble orchestral
de Paris


Solisten

Treemonisha
Adina Aaron

Monisha
Grace Bumbry

Ned
Willard White

Remus
Stanley Jackson

Zodzetrick
Stephen Salters

Simon
Jacques-Greg Belobo

Luddud
Jean-Pierre Cadignan

Lucy
Janinah Burnett

Cephus
Loic Félix

Andy
Mlamli Lalapantsi

Parson Alltalk
Krister St. Hill



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Théâtre du Châtelet
(Homepage)



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