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Musiktheater
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Der Rosenkavalier

Komödie in drei Aufzügen
Text von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss

In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4  Stunden (zwei Pausen)

Premiere am 1. November 2009 im Staatstheater Stuttgart

Homepage Staatstheater Stuttgart

(Homepage)

Wenn es unterm Reifrock brodelt

Von Joachim Lange / Foto von Martin Sigmund


Noch bevor der erste Ton von Richard Strauss erklingt, gibt es schon mal eine kleine Rebellion auf der Bühne. Da sitzt nämlich die Feldmarschallin unter einem funkelnden, dunkelblauen Sternenfirmament vor dem Spiegel und memoriert ganz für sich offenbar ihren Zeitmonolog. Doch ergibt sich nicht mit schmerzender Weisheit dem Älterwerden und seinen Spuren in ihrem Gesicht. Mit der geballten Faust haut sie diesen Spiegel kurz entschlossen entzwei. Von nun an imaginiert sie sich eine Welt. Da werden plötzlich die Gestalten auf dem üppigen allegorischen Wandbild vom Raub der Europa lebendig, und jene Wunderwesen mit Fellen, Hörnern, hufartigen Füßen und baumelndem Gemächt, die sich dort tummeln, entfliehen geradewegs in ihre Geschichte des Abschieds vom jungen Geliebten. Auch die ganze adlige und sonstige Bagage um die Feldmarschallin herum ist bis zur tierischen Kenntlichkeit entstellt: vom lammfrommen Personal in ihrem oder dem affenartigen in Faninals Diensten, über Intriganten-Käfer mit vielen Armen und Juristen-Pudel mit riesigem Schwanz bis hin zu bettelnden Waisen-Katzen und einem neureichen Gockel mit rotem Kamm und geschwellter Brust bevölkern fortan eine Szene, in die der Ochs wirklich wie ein Ochs einbricht, der gerne ein Stier wäre und wie Jupiter persönlich unter die Röcke der Frauen fahren würde. Was er und sein faunisches Gefolge denn auch bei jeder Gelegenheit versuchen.

Am Ende sitzt die Feldmarschallin in der Loge des Theaters. Gegenüber von Sophies Vater. Von dort aus verfolgen die beiden nur noch, wie die jungen Leut' unten auf der Bühne in ihrem Liebesrausch, der nur Wolken und Sterne kennt, aufgehen und verschwinden. Der Faun aber, der bis dahin dem Rumoren der Triebe als leibhaftiger Vertreter des Eros auf Erden kräftig eingeheizt hatte, trauert verzweifelt über den Verzicht der Marschallin, verletzt sich selbst an den Scherben der zerbrochenen gläsernen Silberrose, und geht am Ende nach heftigem Winken mit dem unvermeidlichen Taschentuch vielleicht endgültig zu Boden. Aus der Traum.

Für Stefan Herheim ist der Verzicht der Marschallin auf Octavian ein grundsätzlicher Abschied von der erfüllenden Liebe, geweitet durch eine Anspielung auf das alte Europa. Bis zu ihrer sublimierenden Flucht in die Kunst hat der Norweger vor allem das Rumoren der Triebe mit einem Feuerwerk an Einfällen entfesselt. Und das, im wahrsten, bühnenbildkreierenden Sinne, unter dem Reifrock dieser klug liebenden Frau.

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Bei Stefan Herheim rettet die Marschallin als Madame Europa die Situation

Das Reifrockfirmament und die beweglichen (und reichlich bewegten), transparenten (und oft durchscheinenden) Wände mit ihren Ein- und Tiefblicken sind eine Arena für unzählige, kleine witzige Einfällen und große Effekte. Rebecca Ringst mit der Bühne und Gesine Völlm bei den Kostümen leisten jedenfalls Enormes! Und ob nun Octavian anfangs von oben in den Alptraum der Marschallin einschwebt oder bei der Überreichung der Silberrose geradewegs aus der Versenkung vor die Füße Sophies geworfen wird; oder ob die Marschallin am Ende wie eine allegorische Madame Europa von Sternen umstrahlt von oben daher kommt und der Ochs, von einem Raketensatz angetrieben, dorthin entschwindet, oder die Masken für die Narretei im üppig und öffentlich geratenen Wirtshaus mit Publikum wie aufgespießte Köpfe aus der französischen Revolution ausgeborgt sind, - der Einfall mag noch so abwegig scheinen, Herheim beglaubigt alles, was er macht, mit bestechender Konsequenz aus der Musik.

Doch da er jedes musikalische Detail in eine szenische Aktion überträgt und seine Pointenmaschine auf Hochtouren laufen lässt, wird das zugleich auch immer mehr zu einer Falle für das Stück, das ja gerade aus seiner subtilen Menschlichkeit lebt. Man kann sich amüsieren und wundern, verblüfft sein und Bauklötzer stauen, aber man ist nicht wirklich ergriffen von Herheims Theaterzauber-Wundertüte, die er aber mehr für die Inszenierung einer Idee vom Stück und weniger für dessen subtile menschlichen Zwischentöne geöffnet hat.

Dabei bietet Manfred Honeck mit dem Stuttgarter Opernorchester eine zwar kraftvolle, aber doch auch einfühlsame, betörend große Linie, mit offenkundiger Liebe zu dieser Musik auf. Mit Parlando-Schmäh und mozartschem Flirren, mit der so schön gefälschten Walzerseeligkeit und eben allem drum und dran. Hier ist der Stuttgarter GMD in seinem Element. Und auch die Protagonisten halten mit: Ob nun Christiane Iven, die die Feldmarschallin singend gestaltet, Marina Prudenskaja als Octavian, die ihre schauspielerischen Defizite hat, aber exzellent singt, oder die hinreißende Mojca Erdmann als jugendliche Sophie - ihr halsbrecherisches Terzett ist ein Genuss. Gemeinsam mit dem jugendlich stimmgewaltigen Lars Woldt als Ochs und dem übrigen Ensemble kann sich so am Ende das Musikalische dennoch vor der entfesselten Komödie behaupten. Für Stuttgart mal wieder ein Grund zum Jubeln.


FAZIT

Stefan Herheim bietet sein ganzes Zaubertheater auf. Da die Stuttgarter Staatsoper diesmal musikalisch auf der Höhe ist, gelingt ein insgesamt faszinierender Opernabend.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Manfred Honeck

Inszenierung
Stefan Herheim

Bühne
Rebecca Ringst

Kostüme
Gesine Völlm

Licht
Olaf Freese

Chor
Michael Alber

Dramaturgie
Xavier Zuber


Statisterie der Staatsoper

Chor und Kinderchor der
Staatsoper Stuttgart

Staatsorchester Stuttgart


Solisten

Feldmarschallin
Christiane Iven

Baron Ochs auf Lerchenau
Lars Woldt

Octavian
Marina Prudenskaja

Faninal
Karl-Friedrich Dürr

Sophie
Mojca Erdmann

Jungfer Marianne Leitmetzerin
Michaela Schneider

Valzacchi
Torsten Hofmann

Annina
Carola Gruber

Ein Polizeikommissar/ Ein Notar
Mark Munkittrick

Ein Haushofmeister/ Ein Wirt
Heinz Göhrig

Ein Sänger
Bogdan Mihai







Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater Stuttgart
(Homepage)



Da capo al Fine

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