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Platée

Ballet-buffon in drei Akten
Text von Adrien-Joseph Le Valois d'Orville
Musik von Jean-Philippe Rameau


In französischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere am 12.03.2010 in der Opéra national du Rhin, Strasbourg


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Opéra national du Rhin
(Homepage)
Herzerfrischend und aus einem Guss

Von Bernhard Drobig / Fotos von Alain Kaiser


Es bedurfte fast eines Quinquenniums, ehe Platée, das zur Dauphin-Hochzeit anno 1745 entstandene dreiaktige ballet-bouffon mit Prolog, zu Rameaus größtem Erfolg wurde. Die jetzige herzerfrischende Neuproduktion durch die Straßburger Opéra national du Rhin im Klang des Originals und im Bild der Moderne geriet auf Anhieb zur einhellig umjubelten Sensation. Pfiffig wie Librettist und Komponist Stoff und Strukturen der Tragédie lyrique ins Komische gewendet haben, parodierte Regisseurin Mariam Clément in ihrer Bebilderung und Deutung Lebensträume des vergangenen Jahrhunderts im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Und als wären sie ein Spiegelbild des hochdifferenzierten Formenreichtums Rameauscher Klangmagie, fügten sich die ihr zugeordneten zahllosen Überraschungen von Szenario, Personenführung und Choreographie bis in kleine Einzelheiten hinein zu einem solch zwingenden Gesamteindruck, dass selbst eine noch so ausführliche Würdigung nicht allen beteiligten Faktoren gerecht werden könnte.

Vergrößerung in neuem Fenster Winzerparty mit Amor

Beschränken wir uns auf die besonders hervorstechenden Merkmale und beginnen wir mit der hohen Bühnenrückwand, die prima vista nach einem geschmackvollen Designer-Patchwork an Rechtecken verschiedener Holz- und Metallflächen in einem Luxusambiente aussah, sich alsbald aber mehr und mehr zu einem Arsenal an ausziehbarem Doppelbett, Sitzecke, Bartheke, Treppen, aufklappbaren Kühl-, Getränke- und Medizinschränken, ja Wohnräumen und Garage entpuppte. Dabei war das unten mittig eingebaute Aquarium mit breitblättrigen Sumpfpflanzen – Domizil der mit langem Lurchenschwanz anthropomorphisierten Teichbewohnerin Platée – wie auch ein später an seine Stelle tretender Bildschirm eine kleine Bühne für sich, geräumig genug, um Statik und Aktion mehrerer Personen aufnehmen zu können: eine fürwahr imposante Dauerkulisse, die viel Raum ließ, nicht nur für das Partygedränge mit Discotänzen, das den Prolog mit seinem Lob des Weins und Wunsch nach einem neuen Theaterstück belebte, sondern auch und vor allem für die großen Ballettszenen, die das von einem schlichten Motiv – Platées Traum von der Verbindung mit Jupiter – getragene Werk konstitutiv durchziehen.

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Aus dem Sumpf gezogen

Überliefert ist die Geschichte beim altgriechischen Reiseführer Pausanias im Zusammenhang mit dem Kalkgebirge Kitheron zwischen Attika und Böotien, dessen ungünstiges Klima auf Junos Eifersuchtstoben zurückgeführt wurde. Um dieses als unberechtigt zu erweisen und so das Land vor weiterer Dürre zu bewahren, planen der Bergkönig und Merkur, Jupiter solle sich eben hier in eine Kröte verlieben. Der Göttervater spielt mit, kommt zu Platée, hier übrigens in einer Nobelkarosse, foppt die inzwischen zur Dame mit Handtasche Gestylte mit Zaubereien und sorgt schließlich für eine ausgedehnte Unterhaltung, in deren Verlauf unter anderem die Allegorie der Torheit – Rameaus geniale Hommage an den italienischen Geschmack – auftritt, hier eine schürzengeziert exaltierende Moderatorin von enervierenden Fenseh-Werbungen und -Showelementen wie Indianern und Cowboys.

Vergrößerung in neuem Fenster Jupiter besucht Platée

Natürlich nahm auch die von Julia Hansen zusätzlich zur Bühne entwickelte Kostümierung der übrigen Personnage auf die transatlantischen Lebensgewohnheiten etwa der Mitte des letzten Jahrhunderts Bezug: Jupiter gestriegelt im Gentlemandress, Juno mit glockenförmigem Reisekleid, Amor, hier erwachsen, in strahlend weißem Plissee, Merkur salopp wie ein Handelsreisender und der König des regenarmen Kitheron in eher abgetragenem Habit, dazu Party- und Defileepopulation mit individuellen Akzenten, fast-food-Serviererinnen auf Skates, und die verschiedenen Formatierungen des Balletts in ihren der Mannigfaltigkeit an oftmals akrobatischen Ausdruckstänzen entsprechenden Garnituren, von ausschwingender Stoffpracht bis hin zu den Badekostümen der Najaden aus dem Gefolge Platées.

Was aber dieses bunte Bild wie die gesamte Inszenierung im Letzten entscheidend prägte, waren die aus der Musik heraus entwickelten bzw. ihr grundsätzlich entsprechenden Verhaltensformen, wobei zur Choreographie von Joshua Monten nicht nur das leistungsstarke Ballett der Opéra national du Rhin atemberaubende Zeugnisse eines exzellenten Bewegungsrepertoires bot, sondern sich auch die musikalisch überzeugenden Chöre des Hauses in vielfachen tänzerischen Aufgaben bestens bewährten. Gleiches gilt für die Protagonisten, bis auf eine Ausnahme – den kraftvollen und angenehm glatt wirkenden Bass François Lis als abenteuerlich amourösen Göttervater Jupiter – allesamt Rollendebutanten, untadelig in Artikulation und Gesangstechnik, ungezwungen in Haltung und Gebaren. An ihrer Spitze Emiliano Gonzalez Toro, ein ebenso gefälliger wie geschmeidiger Haut contre, reich an Nuancierungswerten und feiner vis comica, berührend in seiner überzeugenden Wiedergabe der dünkelhaften Titelfigur mit all ihrer Eitelkeit, Ratlosigkeit, Ungeduld und Verzweiflung. Ähnlich mitreißend sang und spielte sich, wennschon weniger umfangreich, die klangvoll deklamations- wie koloraturenstarke Sopranistin Salomé Haller als Allegorie der Torheit in die Herzen des Publikums.

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Fernsehunterhaltung mit La Folie anno …

Graziler in Stimme und Körpersprache faszinierte Céline Scheen mit hellerem Diskant, einmal als Amor, ein andermal als Platéefreundin Clarine, dunkler timbriert und gewichtig porträtierte die Fachkollegin Judith Van Wanroij die eifersüchtige Jupitergattin. Dem schlankem hellen Ton und der Sportivität des Haute contre Cyril Auvity schienen Wendigkeit und Verschlagenheit des die Fäden zusammen haltenden Götterboten Merkur wie auf den Leib geschrieben, und der leicht brüchig wirkende Bariton Evgueniy Alexiev passte trefflich, den ausgedörrten Bergkönig Cithéron wie auch den olympischen Entertainer Momus abzubilden, besonders drollig als Vertreter des verhinderten Amor.

Alles in allem hatte Christophe Rousset, der musikalische Leiter, mit diesen Solisten markant rollengerechte Protagonisten um sich geschart und ihnen mit raffiniert ausgeziertem Continuo und fein ausgewogener Orchesterbegleitung optimale Entfaltungsmöglichkeiten gesichert. Dass er und sein leistungsstarkes Ensemble Les Talens Lyriques sich darüber hinaus Rameaus Pointillistik und karikierender Harmonik ebenso liebevoll und einfühlsam annahmen wie der Eleganz seiner Melodik, verlieh dem Abend den exzeptionellen Glanz veritabler Noblesse.


FAZIT

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christophe Rousset

Inszenierung
Mariame Clément

Bühne und Kostüme
Julia Hansen

Licht
Reinhard Traub

Choreographie
Joshua Monten



Ballet de
l'Opéra national du Rhin

Choeurs de
l'Opéra national du Rhin

Les Talens Lyriques


Solisten

Platée
Emiliano Gonzalez Toro

Thalie / La Folie
Salomé Haller

Thespis / Mercure
Cyril Auvity

Momus / Cithéron
Evgueniy Alexiev

Jupiter
François Lis

L'Amour / Clarine
Céline Scheen

Junon
Judith Van Wanroij





Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra national du Rhin
(Homepage)



Da capo al Fine

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