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Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg

Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner
Dresdner Fassung

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4h 30' (zwei Pausen)

Premiere an der Staatsoper Wien am 16. Juni 2010


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Staatsoper Wien
(Homepage)
Oper mit Abschieds-Schlagobers

Von Roberto Becker / Fotos: Wiener Staatsoper GmbH

An der Wiener Staatsoper war der aktuelle Tannhäuser die letzte Premiere in der 19jährigen Ära von Staatsoperndirektor Ioan Holender. Sie gehörte in einen ganzen Reigen von Abschiedsveranstaltungen. Diese Neuproduktion hatte im Vorfeld schon für Aufregung bei der Wiener Presse gesorgt, weil bekannt geworden war, dass ein bekanntes Wiener Stundenhotel das Vorbild für einen der Schauplätze der Handlung sein würde. Und über einen Tannhäuser im Stundenhotel kann man sich in Wien immer noch so richtig aufregen. Um die Stimmung nicht zusätzlich anzuheizen, hatte Holender diesmal sogar die Generalprobe fürs Publikum sperren lassen. Den (in Wien) vorhersehbaren Buhsturm kassierten Regisseur Claus Guth und sein Ausstatter Christian Schmidt denn auch tatsächlich.

Dabei hatte ihre ganz spezielle Wiener Variante von Wagners romantischer Oper durchaus etwas kulinarisch Opulentes. Für Guth ist Tannhäuser nicht so sehr die romantische Vorlage für einen Diskurs über Frauenbilder, religiöse und bürgerliche Doppelmoral oder die zerrissene Künstlerseele. Schmidt verlegt das Ganze in ein wiedererkennbar konkretes Wien der vorletzten Jahrhundertwende mit seiner ganzen Scheinheiligkeit einer sogenannten „besseren" Gesellschaft. Inszeniert wird dann eine Reise ins Innere Tannhäusers. Der Venusberg ist hier nur eine Projektion Heinrichs. Er sieht sich selbst (als verselbständigtes Alter Ego) wie er eine mondäne Künstlerin anhimmelt, die mit einem Strauß roter Rosen und einer extravaganten Zigarettenspitze vor einem Vorhang die Huldigungen ihres Publikums entgegen nimmt.


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Liebe ohne Aussicht, Wolfram und Elisabeth

Mit diesem in der Liebesgöttin Venus personifizierten Frauenbild kollidiert das andere, in Gestalt jener blonden Unschuld in Weiß mit weißen Rosen, das den Namen Elisabeth trägt. Ist das noch eine vergleichsweise konventionelle Exposition, so begegnet Tannhäuser auf seiner Reise ins eigene Ich (immer mit Koffer, versteht sich) der bürgerlichen Wartburggesellschaft just im Foyer jenes Stundenhotels „Orient“, dessen Verwendung im Vorfeld für Aufregung gesorgt hatte. Wie so oft liegt aber das Skandalöse allein im Auge des Betrachters. Denn was man wirklich zu sehen bekam, war die holzvertäfelte Biederkeit pur. Die teure Halle dann ist ein selbstreferenzieller Coup von Christian Schmidt, denn Elisabeth betritt hier das Schwindfoyer der Staatsoper, von dem aus man auf den Balkon treten kann. Umringt ist sie von einem stilvoll kostümierten Publikum von anno dazumal. Doch sie nimmt ihre Umwelt, in ihrer freudigen Erwartung, gar nicht richtig wahr. Immer wieder frieren nämlich die Bewegungen dieser Opernbesucher ein und konzentrieren so alle Aufmerksamkeit auf sie. Es ist nur konsequent, wenn dieser prachtvolle Raum wie in einer Explosion auseinanderfliegt und sich der eigentliche Sängerwettstreit als Alptraum Heinrichs, wie in einer schwarzen Messe abspielt. Guth zitiert hier Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“, eine Verfilmung von Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“, und umgeht so die Klippe noch jeder Tannhäuserinszenierung. Die die muss den plötzlichen Sinneswandel Tannhäusers - vom temperamentvollen Bekenntnis zur sinnlichen Liebe hin zur büßenden Pilgerfahrt nach Rom - glaubhaft vermitteln. Nach dieser alptraumhaften Selbsterfahrung bricht dieser Tannhäuser folgerichtig zusammen.


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Die teure Halle: das Schwindfoyer der Wiener Staatsoper auf der Bühne

Hier resultieren aus unbewältigten, inneren Konflikten keine Pilgerfahrten nach Rom, sondern klinische Fälle für die Psychiatrie. Und auch die zitiert eine berühmte Wiener Lokalität, nämlich das Otto-Wagner-Spital. Dort werden die Pilger als Patienten in Zwangsjacken ruhig gestellt. Da liegt Tannhäuser im Koma, wird von Wolfram besucht und von Elisabeth betreut. Doch die Lage scheint so aussichtslos, dass Elisabeth letztlich Pillen schluckt und auch Wolfram dauernd die Pistole auf sich selbst richtet.

Dass dieser Tannhäuser-Zugang auch als Wiener Geschichte nichts regional Begrenztes hat, liegt an der Stringenz der Inszenierung. Und an der Bedeutung, die Wien als Hort der Kultur und als Zentrum der Moderne hatte und immer noch hat. Dass dies immer auch Ablehnung provozierte, daran erinnerte das reflexartige Buhkonzert zumindest eines Teils des Wiener Publikums zuverlässig.


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Wolfram und Heinrich im Spital

Über die musikalische Qualität dieser Produktion war man sich allerdings einig. Franz Welser-Möst und das Wiener Staatsopernorchester wurden für ihren leidenschaftlich durchglühten Beitrag ebenso bejubelt wie die Protagonisten. Welser-Möst lieferte einen emotional aufgeladenen, transparenten und auf den großen Bogen zielenden Tannhäuser der Spitzenklasse.

Der in jeder Hinsicht schwergewichtige und eher spielresistente Johan Botha vermochte dabei nicht nur einen durchgängig stimmgewaltigen Tannhäuser mühelos zu singen, sondern er vermochte ihn im dritten Aufzug überraschenderweise sogar glaubwürdig zu gestalten. Der keineswegs heimliche, sondern mit stürmischen Ovationen bedachte Sieger des Sängerkrieges freilich war Christian Gerhaher. Er ist als Wolfram von Eschenbach mit seiner Artikulation und stimmlichen Gestaltungskraft eine Sensation und gegenwärtig konkurrenzlos. Dagegen hatten es vor allem die beiden Frauen (Michaela Schuster als mitunter etwas reife Venus und auch Anja Kampe als noch entwicklungsfähige Elisabeth) schwer. Die Wartburggesellschaft wurde von Ain Angers sonorem Landgrafen sicher angeführt, der erst nach Beginn der Probenarbeiten noch mit der Rolle des Hirtenknaben betraute Sängerknabe Alois Mühlbacher lieferte eine bemerkenswerte Talentprobe.


FAZIT

Claus Guth hat für seine (nach Basel zweite) Tannhäuser-Inszenierung einen überzeugenden Neuansatz gefunden, der stringent auf den Ort der Aufführung und dessen kulturhistorische Bedeutung bezogen ist. Musikalisch zeigten sich Sängerensemble und Wiener Staatsopernorchester in Hochform, wobei Christian Gerhahers Wolfram sogar Referenzqualtiät erreichte.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Franz Welser-Möst

Inszenierung
Claus Guth

Ausstattung
Christian Schmidt

Licht
Olaf Freese

Chor
Thomas Lang

Dramaturgie
Konrad Kuhn



Slowakischer Philharmonischer Chor
(Einstud.: Blanka Juhaòáková)

Chor der Wiener Staatsoper

Orchester der
Wiener Staatsoper


Solisten

Landgraf Herrmann
Ain Anger

Tannhäuser
Johan Botha

Wolfram von Eschenbach
Christian Gerhaher

Walther von der Vogelweide
Gergely Németi

Biterolf
Alecandru Moisiuc

Heinrich der Schreiber
Peter Jelosits

Reinmar von Zweter
Marcus Pelz

Elisabeth
Anja Kampe

Venus
Michaela Schuster

Ein junger Hirt
Alois Mühlbacher



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Wiener Staatsoper
(Homepage)



Da capo al Fine

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