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Les vêpres siciliennes
(Die Sizilianische Vesper)


Oper in fünf Akten
Libretto von Eugène Scribe und Charles Duveyrier
Musik von Giuseppe Verdi

In französischer Sprache mit niederländischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 30' (eine Pause)

Premiere im Muziektheater Amsterdam am 10. September 2010


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De Nederlandse Opera
(Homepage)
Die Arroganz der Mächtigen

Von Joachim Lange / Fotos von Monika Rittershaus


Die Trikolore der Franzosen ist eigentlich ein Symbol für die Freiheit, für das Gute. Sie wird zum rettenden Trompetenstoß der Befreiung in letzter Minute geschwungen. Selbst wenn der Befreier Napoleon heißt. In Verdis Sizilianischer Vesper, mit der der da schon berühmte Italiener 1855 im Format der Grand opéra deren Platzhalter in der Opernhauptstadt Paris, Giacomo Meyerbeer, unverhohlen in den Ring forderte, sind die Franzosen die Bösen. Sie sind es auch in Christof Loys Amsterdamer Neu-Inszenierung. Obwohl Ursula Renzenbrink sie in Abendgarderobe von heute gesteckt hat, verhalten sie sich eindeutig: Sie sind diejenigen, die in Johannes Leiackers bedrückender Bühnenbreitband-Beklemmung Flaschen und Gläser zertreten und nach einem Moment, in der es sogar der Musik die Sprache verschlägt, sizilianische Bräute darüber kriechen lassen, bis diese an Händen und Knien bluten.


Vergrößerung Nur scheinbar allein - Hélène (Barbara Haveman) einsam im Widerstand

Auch die Pritschen mit den Anschnallgurten, die sie für die Hinrichtung der Anführer der Revolte durch die Giftspritze zur Hand haben, verfehlen ihre assoziative Signalwirkung nicht. Das sind einprägsame Chiffren der Demütigung des Menschen durch die Arroganz der Macht. Wer aber auf Effekthascherei aus wäre, der würde hier Abu-Ghuraib-Zipfelmützen und Guantanamo-Orange bemühen. Christof Loy hält stattdessen ästhetisch wohltuend Maß mit dem metaphorischen Schrecken. Er will (mit Erfolg) auf eine subtilere Wirkung hinaus. Der diskursive szenische Minimalismus, der seine Inszenierung immer häufiger durchweht, lässt in diesem Falle immer die Möglichkeit offen, ja fordert sie geradezu ein, dass sich der Zuschauer von heute aus in das Geschehen auf der Bühne projiziert und (zumindest für sich selbst) Stellung bezieht und sich fragt, wie weit er sich dem Druck der Gruppe (ganz gleich welcher) zu konformem Verhalten beugen würde.


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Sizilianer (links) gegen Franzosen (rechts)

Schon bei Eugène Scribe und Verdi ist die Geschichte verfahren, der politische Kompromiss durch den Terror auf beiden Seiten Illusion. Und auch bei Loy bleibt sie es. Das exemplarisch Tragische von verfahrenen Verhältnissen für ein normales Leben wird eher noch deutlicher, weil er die (erstaunlich dahin plätschernde und trällernde) Ballettmusik nutzt, um die Alternative eines „richtigen“ Lebens als Traum zu zeigen. In den Räumen der Kindheit mit ihren Blümchentapeten und dem Kochgeschirr der Mutter, den unbeschwerten Kinderspielen und den Träumen vom kleinen Glück.


Vergrößerung Utopie als Balletttraum in den Schutzräumen der Kindheit

Jenseits dieses geträumten Schutzraums aber tun die Besatzer und ihr sadistischer Anführer alles, um den Hass der Sizilianer zu schüren, den vor allem die Herzogin Hélène und der in seine Heimat zurückkehrende Arzt Procida (Balint Szabo) bündeln und zur Befreiungstat führen wollen. Der in Hélène verliebte Henri wird in seinem aufständischen Furor ausgebremst, als ihm der verhasste Gouverneur eröffnet, dass er dessen leiblicher Sohn ist. Zum Tyrannenmord wäre er fähig, zum Vatermord aber nicht. Als er ihn, wie verlangt, endlich als Vater anspricht und um Gnade bittet, gewährt der Gouverneur Generalpardon und willigt sogar in die Verbindung von Henri und Hélène ein. Doch dieser Weg zu einer vermeintlichen Umkehr ist schon mit zu vielen Toten gepflastert. Die Sizilianer schlagen zu, als die Glocken die Versöhnung einläuten: Dem Gouverneur wird die Kehle durchgeschnitten.


Vergrößerung

Am Ende geht der Bösewicht zu Boden (Alejandro Marco-Buhrmester)

Auch am Pult des Nederlands Philharmonisch Orkest überzeugt Paolo Carignani, weil er dem Protagonisten-Ensemble Raum zur Entfaltung gibt, unaufgeregt und federnd begleitet, aber auch die große Emotion entfesselt. Unter den Protagonisten macht vor allem die dunkel leuchtende Eloquenz von Barbara Haveman die Hélène zum Ereignis. Auch ihre Gegenfigur, der Gouverneur Guy de Montefort, hat bei Alejandro Marco-Buhrmester stimmliches Charisma. Zwischen den Fronten verblüfft Burkhard Fritz als (Hélène und die sizilianische Freiheit liebender, aber von Montefort durch Vergewaltigung seiner Mutter abstammender) Henri mit tenoraler Wucht und erstaunlicher Leichtigkeit.


FAZIT

Mit dieser Sizilianischen Vesper ist der Oper in Amsterdam auf hohem musikalischem Niveau ein Wurf gelungen. Christof Loys packende Regiehandschrift war für manchen, an Pierre Audis Bildertheater gewöhnten Amsterdamer so ungewohnt, dass es auch ein paar Buhs gab. Es ist gleichwohl eine der besten Inszenierungen von Christof Loy. Sie macht neugierig auf seinen in Genf anstehenden Ring.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Paolo Carignani

Inszenierung
Christof Loy

Bühne
Johannes Leiacker

Kostüme
Ursula Renzenbrink

Licht
Bernd Purkrabek

Video
Thomas Wollenberger
Evita Galanou

Choreografie
Thomas Wilhelm

Ballett-Libretto
Thomas Jonigk

Chor
Martin Wright

Dramaturgie
Yvonne Gebauer



Koor an De Nederlandse Opera

Nederlands
Philharmonisch Orkest


Solisten

Hélène
Barbara Haveman

Ninetta
Livia Aghová

Henri
Burkhard Fritz

Guy de Montfort
Alejandro Marco-Buhrmester

Jean Procida 
Balint Szabo

Thibault
Hubert Francis

Danieli 
Fabrice Farina

Mainfroid
Rudi de Vries

Robert 
Roger Smeets

Le Sire de Béthune 
Jeremy White

Le Comte de Vaudemont 
Christophe Fel





Weitere Informationen
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De Nederlandse Opera
(Homepage)



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