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Musiktheater
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Aida

Oper in vier Akten
Libretto von Antionio Ghislanzoni
Musik von Giuseppe Verdi

In italienischer Sprache mit deutschen Untertiteln

Premiere im Theater Basel am 14. September 2010

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)


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Theater Basel
(Homepage)
Hinterm Absperrgitter

Von Dr. Joachim Lange / Fotos stellt das Theater Basel uns leider nicht zur Verfügung


Mit seinem Basler Don Carlos hatte Calixto Bieito den spanischen Schillerstoff weit in die Gegenwart und ihre Ängste geöffnet. Ob nun bewusst oder ungewollt hatte er damit auf Peter Konwitschnys Hamburger Wurf mit einer anderen, offeneren, gleichwohl packenden Ästhetik auf gleicher Augenhöhe reagiert. Eine Fortsetzung dieses Deutungsdiskurses mit der neuen Aida am aktuellen „Opernhaus des Jahres“ wäre also spannend gewesen, zumal Konwitschnys Grazer Kammerspiel-Version auch nach über 15 Jahren – jetzt in Leipzig - immer noch so prägend wirkt, wie vor ihr nur die Deutung von Hans Neuenfels aus den achtziger Jahren in Frankfurt.

Natürlich geht es hoch her in Calixto Bieitos Aida. In Basel ist er in den letzten Jahren fast so was wie ein Hausregisseur geworden. In seinem Don Carlos zwang er den Zuschauer selbst zu entscheiden, ob er seine Pause antritt oder die einfach weiterlaufende szenische Aktion verfolgt. Diesen Gag wiederholt Bieito auch in der Aida durch rhythmisches Klatschen. Vor der Pause drängt nämlich das gesamte Bühnenpersonal gegen ein heruntergelassenes Gitter und ein paar blutverschmierte Gestalten versuchen es zu überklettern. Die Assoziation zur Katastrophe auf der Duisburger Love Parade stellt sich hier ebenso ein, wie die zum ganz normalen Fußballwahnsinn. Da passt dann auch der Priester (Daniel Golossov) mit der Ganzkörperbemalung in Schwarz-weiß-rot. Diese Aida spielt nämlich in einem Schweizer Stadion, das Rebecca Ringst nachgebaut und mit landestypischer Werbung plakatiert hat.

Bieito sucht hinter dem Potenzial zum kollektiven Ausrasten, zu dem selbst die braven Schweizer fähig sind, nach dem rumorenden Zusammenhang von kriegerischem Blutrausch und Erotik. Und wohl auch nach der Selbstdefinition des modernen Europäers in der Abgrenzung von den Fremden, die halbnackt zusammengetrieben und erniedrigt werden (wie die von Radames besiegten Äthiopier) oder wenigstens Kopftuch tragen, wie Aida, oder die auch aufmarschierende Bauchtanzgruppe. Wenn Amneris Aida mit scheinheiliger Großzügigkeit ein europäisches Designer-Outfit aufzwingt, um sie dann letztlich als Rivalin im Kampf um die Gunst von Radames auszuschalten, gehört auch das zu diesen Spielen der Macht.

Solche durchaus starken, enthüllenden Momente blitzen immer mal wieder auf. Selbst im (so oder so) problematischen Triumphmarsch. Die Opfer standen allerdings in einem verglasten Teil der Tribüne schon von Anfang an bereit. Einen davon hatte die kriegsberauschte Meute schon exemplarisch zu Tode geprügelt. Beim trompetenüberstrahlten Triumphmarsch selbst werden sie alle blutverschmiert zusammengetrieben und mit Früchten beworfen, um die sie sich dann balgen. Kinder sitzen jetzt an Nähmaschinen und produzieren eine Auswahl von europäischen Flaggen. Ein (katholischer) Priester hat sich einen Knaben herausgefischt und führt ihn am Halsband mit sich herum. Eine Frau torkelt traumatisiert durch das Chaos. Ein Transvestit rockt verzückt vor sich hin. Amonasro wird natürlich im Käfig hereingefahren und von oben mit Bier übergossen.

Bieito greift tief in seine Kiste mit Gewalt- und Blutbildern. Das Schwert, das den Opfertieren ins Gedärm fährt, sitzt so locker wie der Dolch, mit dem das Sicherheitspersonal Amonasro absticht und dann auch Amneris. Im Schlussbild wird Radames lebendig begraben. Gemeinsam mit Aida steht er so in einem Erdloch, dass die Assoziation zu den archaischen Steinigungen im Herrschaftsbereich der Taliban eine autonom beklemmende Wirkung entfaltet.

Doch die behauptete Parallelgeschichte, bei der in einer biederen Schweizer Arena Angstträume aufbrechen und bei der der leidenschaftlichen Liebesgeschichte von Radames und Aida, eine selbst- und eifersüchtige Amneris dazwischenfunkt, funktioniert diesmal nicht wirklich. Sie bleibt in einer Ansammlung von Bruchstücken stecken, die letztlich weder der Liebesgeschichte noch der Haupt- und Staatsaktion gerecht wird.

Auch musikalisch bleiben Wünschen offen, obwohl Maurizio Barbacini mit dem Sinfonieorchester Basel temperamentvoll zur Sache geht. Angeles Blancas ist zwar eine äußerst kraftvolle, aber doch mitunter scharf überzeichnende Aida. Sergej Khomov geht für den Radames an seine Grenzen, Michelle De Young vermag die szenische Präsenz ihrer drall deftigen Amneris nicht durchgängig stimmlich zu beglaubigen. Der (tatsächlich) dunkelhäutige Amonasro von Alfred Walker war der stimmliche Verdi-Lichtblick. Der Beifall in Basel war gleichwohl fast einhellig.


FAZIT

Eine packende Inszenierung, mit der Bieito gleichwohl nicht die gedankliche Stringenz wie in seinen anderen Basler Inszenierungen erreicht.



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Produktionsteam

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Musikalische Leitung
Marizio Barbacini

Inszenierung
Calixto Bieito

Bühne
Rebecca Ringst

Kostüme
Ingo Krügler

Licht
Hermann Münzer

Chorleitung
Henryk Polus

Dramaturgie
Ute Vollmar



Statisterie des Theater Basel

Chor und Extrachor
des Theater Basel

Sinfonieorchester Basel


Solisten

Der König
Andrew Murphy

Amneris
Michelle DeYoung

Aida
Angeles Blancas

Radames
Sergej Khomov

Ramfis
Daniel Golossov

Amonasro 
Alfred Walker

Ein Bote
Karl-Heinz Brandt

Eine Tempelsängerin
Rena Harms



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Basel
(Homepage)



Da capo al Fine

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