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Les Huguenots (Die Hugenotten)

Oper in fünf Akten
Libretto von Eugène Scribe und Emile Deschamps
Musik von Giacomo Meyerbeer


In französischer Sprache mit flämischen und französischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4h 45' (zwei Pausen)

Premiere am 11. Juni 2011 im Theater La Monnaie, Brüssel


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La Monnaie
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Das Kreuz mit dem Kreuz

Von Joachim Lange / Fotos ©Baus


Die Bartholomäusnacht ist eine der finstersten Sternstunden im französischen und europäischen Kollektivgedächtnis. Auch der zu Grunde liegende Konflikt der Religionen ist ja längst nicht ausgestanden. Das Gemetzel, das die Katholiken im August 1572 bei der Hochzeit Heinrichs von Navarra mit Margarete von Valois unter den protestantischen Hugenotten anrichteten, und das, was daraus folgte, hat natürlich die Künste inspiriert. Zu den Großformaten von Literatur (Heinrich Mann) bis Film (Patrice Chereau) gehört seit 1836 unbedingt auch Eugène Scribes und Giacomo Meyerbeers Grand opéra Les Huguenots. Wenn man jetzt in der Brüsseler Oper La Monnaie die jüngsten Selbstentfesselung des Genres bestaunt, fragt man sich unwillkürlich, wieso dieses Werk so selten auf dem Spielplan steht. Mit Blick auf Repertoire und Ressourcen ist die Antwort schnell bei der Hand: Es sprengt alle gewohnten Grenzen.

Der Fünfakter im Götterdämmerungs-Format verbindet nämlich Wagnerschen Größenwahn mit italienischem Belcanto- und Emotions-Furor, ist aber dennoch mit französischer Leichtigkeit aufgeschäumt und behandelt obendrein den großen historischen Gegenstand mit Sprengkraft. So schreckt man auch in Zeiten, in denen keine Zensur mehr krampfhaft die Rolle der Katholiken aufzuhübschen versucht, selbst in Paris davor zurück. Der Chef der Brüsseler Oper, Peter de Caluwe, kennt solche Verzagtheiten nicht und krönt seine jüngste, durchweg erfolgreiche Saison mit einer Großtat in Sachen Grand opéra.

Vergrößerung in neuem Fenster Am Hofe der Königin

Der längst als Regisseur etablierte Schauspieler Olivier Py erweist sich in Pierre-André Weitz faszinierend wandlungsfähigen Treppen-, Palastfassaden- und Straßenbühnenbild nicht nur als Spezialist fürs Dunkle, sondern zieht auch wieder alle Register, um den untergründig brodelnden Obsession nachzuspüren, was bei Py jede Menge nackter Haut und einen handfeste erotische Sinnlichkeit in der Personenführung, die über das übliche Als-Ob Getue deutlich hinausgeht, einbezieht.

Dabei kommt er (in den ersten zwei Stunden) auch schon mal ziemlich weit vom Weg der historischen Erzählung auf die erotisch grundierte Nebenpfade ab, macht aus der Königin Marguerite eine Art Hohepriesterin der Liebe, und zeigt deutlich, woran die Franzosen bei dieser verschwenderisch mit Effekten um sich werfenden Musik auch früher schon nur im Stillen gedacht haben mögen. Die herabgefahrene Scheinwerfer-Batterie auf der dunklen Bühne gleich zu Beginn blieb jedenfalls eine Schrecksekunde minimalistischen Musiktheaters. Sofort gibt dann nämlich ein Mann mit nacktem Oberkörper und einem Kreuz in jeder Hand die Richtung vor, in der es weitergeht. Und da bleibt es vor allem ein Kreuz mit dem Kreuz und dem rechten Glauben.

Vergrößerung in neuem Fenster

Die Königin und Raoul

Wenn es an das historisch verbürgte, nächtliche Gemetzel geht, dann knallt der der leibhaftige Tod in seiner goldenen Rüstung mit den Kreuzen gegen die Tischplatten, und jedes Mal brechen die aufmarschierten Hugenotten wie vor dem Erschießungskommando zusammen. In dem vorsichtigen Zeitmix zwischen Rüstungen und Roben aus der Zeit Henri IV. (bis hin zu stummen Doubles von Henri und seiner Furie von Schwiegermutter Katherina), der Frack- und Zylinder Mode der Entstehungszeit und nachgerüsteten Handfeuerwaffen von heute, wäre dieser Verweis gar nicht nötig gewesen. Py wahrt nämlich erstaunlich sicher die Balance von zentraler Lovestory zwischen dem Hugenotten-Aktivisten Raoul (grandios mit Steigerung: Eric Cuttler) und der Tochter des Katholikenführers Valentine (eindringlich: Mireille Delunsch) und dem Widerstreit der religiösen Fanatiker, für die auf der einen Seite Raouls Diener Marcel (Jérôme Varnier) stets Luthers „Eine feste Burg ist unser Gott“ wie eine Banner aus der Bassgurgel entrollt und auf der anderen Seite als ebenso bassmächtiger Comte de Saint-Bris drauf haut, bis nicht nur der kompromissbereite Ex-Lover seiner Tochter Comte de Nevers (Jean-Francois Lapointe), sondern auch sie selbst seiner fanatischen Mordlust zum Opfer fallen.

Dass Caluwe nicht nur ein Händchen dafür hat die richtigen Stücke mit den passenden Regisseuren Dirigenten, sondern auch die richtigen Sängerdarsteller zusammenzubringen beweisen auch diesmal der exzellente Chor und das Ensemble, aus dem dann doch die in jeder Hinsicht verführerischen Marguerite der in jeder Hinsicht verführerischen Marlis Petersen herausragt. Und bei der es obendrein noch mit der 21jähren russischen Stimmsensation Yulia Lezhneva als Page Urbain eine Entdeckung als Krönung gibt. Mark Minkowski hat sich längst weg vom Image des Barockspezialisten gearbeitet, doch auch bei Meyerbeer vergisst er nichts von dem Furor der Sinnlichkeit, mit dem er bekannt wurde und fährt damit in diese schwelgerisch auftrumpfende Musik, bei deren Genuss, man ganz unwillkürlich über Wagners Lästereien schmunzeln muss. Wenn Meyerbeers Musik so sinnlich zum Aufleuchten gebracht wird und man mit der Story so unverkrampft und gescheit umgeht wie jetzt in Brüssel, dann ist Grand opéra nicht nur große, sondern dann ist sie großartige Oper.


FAZIT

Mit diesen Hugenotten ist der Brüsseler Oper in jeder Hinsicht ein Wurf gelungen. Dieser krönende Abschluss einer spannenden Spielzeit ist ein Argument für die Rehabilitierung dieser Oper, das man nicht ignorieren sollte.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marc Minkowski

Inszenierung
Oliver Py

Ausstattung
Pierre-André Weitz

Licht
Bertrand Kully

Chor
Martino Faggiani



Chor und Orchester des
Theater La Monnaie


Solisten

Marguerite de Valois
Marlis Petersen

Valentine
Mireille Delunsch

Urbain
Yulia Lezhneva

Raoul de Nangis
Eric Cutler

Comte de Saint-Bris
Philippe Rouillon

Comte de Nervers
Jean-Francoise Lapointe

De Retz
Arnaud Rouillon

Marcel
Jérôme Varnier

Cossé
Xavier Rouillon

Tavannes
Avi Klemberg

Thoré
Marc Labonnette

Méru
Frédéric Caton

Une dame d'honneur
Camille Merckx

Un coryhée
Tineke Van Ingelgem

Deux bohémiennes
Camille Merckx,
Tineke Van Ingelgem

Maurevert
Ronan Collett

Bois-Rosé
Olivier Dumait

Un Valet
Marc Coulon

Deux jeunes filles catholiques
Marta Beretta
Francoise Renson

Un archer du guet
Jacques Does

Un étudiant catholique
Alain-Pierre Wingelinckx

Trois moines
Oliver Dumait
Ronan Collett
Charles Dekeyser

Trois coryhées
Bernard Giovani
Alain-Pierre Wingelinckx
Pascal Macou



Weitere
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