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Premiere auf dem Burgplatz in Braunschweig am 14.
August
2010 Voller
Vorfreude strömt das Publikum auf den Domplatz. Seit 2001 bringt
das Staatstheater
Braunschweig dort jedes Jahr eine Open-Air-Opernproduktion heraus. Die
grandiose „Madame Butterfly“ des letzten Jahres wirft einen langen
Schatten. In
diesem Jahr steht „Der Freischütz“ auf dem Spielplan. Der
Regisseur ist derselbe. Die Erwartungen sind hoch. Ein
Fichtenwald, eine Giebelwand mit Unmengen von Schießscheiben,
Holzstege über
Rindenmulch inklusive Tümpel, Baumstümpfe, ein entwurzelter
und ein vom Blitz
getroffener Baum, eine umfangreiche Gartenzwergversammlung auf
Kunstrasen
hinter weißem Jägerzaun, ein überdimensionales
Gemälde als Forsthausprospekt –
Harald B. Thor hat sich nicht lumpen lassen und ein üppiges, ganz
naturalistisches Bühnenbild geschaffen, das das Herz eines jeden
konservativ
orientierten Opernbesuchers höher schlagen lässt. Warum auch
nicht!? Wichtig
ist dann aber, was in diesem Bühnenbild passiert. Und da liegt das
Problem
dieser Inszenierung. Die allzu
folkloristischen Kostüme von Alfred Mayerhofer und die
übertrieben plakative
Personenregie (für die sich jedes Bauerntheater zu schade
wäre) lassen zunächst
noch auf eine ironische Sichtweise hoffen. Eine Hoffnung, die sich
jedoch nicht
erfüllt, denn ironische Brechungen (wenn sie denn beabsichtigt
sein sollten) offenbaren sich nicht. Wenn Max statt der Adlerfeder (an
der man die Größe des Vogels
auch erkennen könnte) einen ganzen Adlerflügel mit zu Agathe
schleppt, könnte
das schon etwas Komisches haben. Hat es aber nicht. Eine
andere Idee des Regisseurs: Ännchen wirkt in ihrem gelb-schwarzen
Kostüm wie
eine trottelige Biene Maja mit Pferdefuß. Doch nur scheinbar. Im
Laufe des
Abends wird klar, dass sie zur „bösen Seite“ gehört: Der
Frauenchor in der
Wolfsschlucht ist in die gleichen schwarz-gelben Stoffe gekleidet und
später wird deutlich,
dass Ännchen von Samiel besessen ist und Kaspar liebt. Wie das mit
der
lieblich-harmlosen Musik einhergehen soll, kann wohl nur der schwarze
Jäger
selbst erklären. Agathe (Mária Porubĉinová) zwischen Noch
skurriler erscheint die Allgegenwart von Samiel und dem Eremiten, deren
Duelliergebaren und Kostüme an Western wie „High noon“ oder „Spiel
mir das Lied
vom Tod“ erinnern. Sicher, dort wird auch geschossen. Aber reicht diese
Parallele aus, um einen Bezug herzustellen? Eher weniger. Auch dann
nicht, wenn
Agathe zwischen Samiel und dem Eremiten ihr Gebet in der Wolfsschlucht
singt.
Ja, in der Wolfsschlucht. Dort erscheint die unglückliche,
unheilahnende junge
Frau und verdreckt sich ihr weißes Brautkleid auf dem schmutzigen
Holzsteg. Die
Wolfsschluchtszene allerdings ist grandios inszeniert, so, wie man es
sich bei
einem Open-Air-Spektakel vorstellt. Feuer, Blitz und Krach und Bum,
Agathe als
Zombie, blutige Soldaten, die aus der Erde aufsteigen und sich
bekämpfen usw.
Die menschengroßen, tanzenden Gartenzwerge konterkarieren den
ganzen Schauer –
es sei denn, man hat eine Gartenzwergphobie. Spätestens beim
Erscheinen Samiels
merkt auch der letzte Zuschauer, dass der Braunschweiger Löwe auf
dem Burgplatz
heute Geweih trägt – jetzt sogar mit roten flackernden Lichtern an
den Enden. Am Ende wird
Max verrückt,
Agathe trägt ein blutrotes Abendkleid (das schon im ersten Akt auf
der
Kleiderbüste hing) und nachdem Ännchen ihren toten geliebten
Kaspar zugedeckt
hat – der wiederum ganz textgetreu vom Baum stürzt – packt sie
ihren
Koffer, zertritt die Gartenzwerge und stellt sich zu Samiel. Im
jubelnden Chor
werden Schilder hochgehalten „Ende“ „gut“ „alles“ „gut“. Für
diesen Abend gilt
das leider nicht. Auch
musikalisch ist die Freude nur spärlich gesät. Von meinem
Platz aus machte die
Beschallungsanlage – die mich in den Vorjahren immer wieder sehr
positiv
beeindruckt hatte – einen eher unausgewogenen Eindruck. Manches
lässt sich
damit erklären, aber nicht alles. Dirigent Georg Menskes ist viel
damit
beschäftigt, das Ganze zusammenzuhalten, denn es klappert, wackelt
und
holpert immer wieder unüberhörbar. Max (Mark Adler) Das
vokale Glanzlicht des Abends ist Mark Adler als Max, der mit seinem
sicher
geführten, hell timbrierten Tenor, mit hoher Stimmkultur und
klaren
Spitzentönen beispielhaft zeigt, wie man in diesem Fach brillieren
kann. Seinen
Mitstreitern gelingt das weniger. Malte Roesner überzeugt mit
seinem noblen Bariton als Ottokar noch am
meisten – trotz angekündigter Indisposition. Den Kaspar hört
man doch lieber
mit einem schwarzen Bass besetzt als mit dem eher braven Bariton von
Christian
Veit Sist. Mária Porubčinová kann mit ihrer ersten Arie
wundervoll anrühren,
klingt und wirkt als Agathe aber doch etwas zu matronenhaft.
Störend wirkt bei
ihr der starke Akzent, ebenso wie bei Selcuk Hakan Tiraşoğlu, der als
Eremit
seinen üppigen Bass sehr ausgiebig strömen lässt. Moran
Abouloff bringt für das
Ännchen sauber gesungene Koloraturen mit, klingt jedoch insgesamt
etwas belegt.
Sie ist aber auch am meisten durch die alberne Personenregie belastet.
Sehr gute Eindrücke
hinterlassen dagegen die Brautjungfern in den solistisch gesungenen
Strophen. Mark
Adler als Max ist ein Ereignis. Ansonsten ein unnötiger
Opernabend. Zeitweise
kommt man sich vor, wie in der Aufführung einer jener
Operntruppen, die durch
die Stadthallen des Landes tingeln. Musikalische
Leitung Inszenierung
Bühnenbild Kostüme Dramaturgie
Ottokar Kuno Agathe Ännchen Kaspar Max Ein Eremit Kilian Samiel Brautjungfern Weitere
Informationen
Der
Freischütz
Romantische Oper in drei Akten
von Carl Maria von Weber
Text von Johann Friedrich Kind
Aufführungsdauer:
ca. 2 Stunden 45 Minuten (eine Pause)
Staatstheater Braunschweig
(Homepage)
"High Noon" zwischen Rindenmulch und Gartenzwergidylle
Von Bernd
Stopka / Fotos Karl-Bernd Karwasz
Samiel (Andreas Jäger) und dem Eremiten (Selcuk Hakan Tiraşoǧlu)
Warum
beim Kugelsegen die Tieraugen weggelassen werden, verwundert. „Das
rechte Auge
eines Wiedehopfs, das linke eines Luchses“ sprechen doch bezüglich
der
Freikugeleigenschaften für sich – vielmehr als das Quecksilber,
das hier in wundersamer
Weise als Pulver verwendet wird. Neben der eindrucksvollen
Wolfsschlucht ist
der witzig choreographierte Jägerchor ein zweiter tröstender
Lichtpunkt in
dieser Produktion.
Die Brautjungfern
Regisseur
Andreas Baesler verheddert sich in Erzähl- und
Bedeutungssträngen, sprudelt
über vor Ideen, die nicht wirklich zusammenpassen und die uns auch
nicht
weiterbringen. So verschenkt er das hübsche Bühnenbild, in
dem mit guter Personenregie
ein spannender und/oder auch einfach schöner Open-Air-Opernabend
hätte
entstehen können.
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Produktionsteam
Georg Menskes
Andreas Baesler
Harald B. Thor
Alfred Mayerhofer
Georg Menskes
Daniela Brendel
Staatsorchester Braunschweig
Chor und Extrachor des
Staatstheaters Braunschweig
Statisterie des
Staatstheaters Braunschweig
Solisten
Malte
Roesner
Ernst Garstenauer
Mária Porubčinová
Moran Abouloff
Christian Veit-Sist
Mark Adler
Selcuk Hakan Tiraşoğlu
Steffen Doberauer
Andreas Jäger
Marina Funke
Friederike Lechert
Annegret Glaser
Andreja Schmeetz
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Braunschweig
(Homepage)
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