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Musiktheater
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Der Freischütz

Romantische Oper in drei Akten
von Carl Maria von Weber
Text von Johann Friedrich Kind

Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden 45 Minuten  (eine Pause)

Premiere auf dem Burgplatz in Braunschweig am 14. August 2010



Staatstheater Braunschweig
(Homepage)

"High Noon" zwischen Rindenmulch und Gartenzwergidylle

Von Bernd Stopka / Fotos Karl-Bernd Karwasz

Voller Vorfreude strömt das Publikum auf den Domplatz. Seit 2001 bringt das Staatstheater Braunschweig dort jedes Jahr eine Open-Air-Opernproduktion heraus. Die grandiose „Madame Butterfly“ des letzten Jahres wirft einen langen Schatten. In diesem Jahr steht „Der Freischütz“ auf dem Spielplan. Der Regisseur ist derselbe. Die Erwartungen sind hoch.

Ein Fichtenwald, eine Giebelwand mit Unmengen von Schießscheiben, Holzstege über Rindenmulch inklusive Tümpel, Baumstümpfe, ein entwurzelter und ein vom Blitz getroffener Baum, eine umfangreiche Gartenzwergversammlung auf Kunstrasen hinter weißem Jägerzaun, ein überdimensionales Gemälde als Forsthausprospekt – Harald B. Thor hat sich nicht lumpen lassen und ein üppiges, ganz naturalistisches Bühnenbild geschaffen, das das Herz eines jeden konservativ orientierten Opernbesuchers höher schlagen lässt. Warum auch nicht!? Wichtig ist dann aber, was in diesem Bühnenbild passiert. Und da liegt das Problem dieser Inszenierung.

Vergrößerung in neuem Fenster Max (Mark Adler) und Chor

Die allzu folkloristischen Kostüme von Alfred Mayerhofer und die übertrieben plakative Personenregie (für die sich jedes Bauerntheater zu schade wäre) lassen zunächst noch auf eine ironische Sichtweise hoffen. Eine Hoffnung, die sich jedoch nicht erfüllt, denn ironische Brechungen (wenn sie denn beabsichtigt sein sollten) offenbaren sich nicht. Wenn Max statt der Adlerfeder (an der man die Größe des Vogels auch erkennen könnte) einen ganzen Adlerflügel mit zu Agathe schleppt, könnte das schon etwas Komisches haben. Hat es aber nicht.

Eine andere Idee des Regisseurs: Ännchen wirkt in ihrem gelb-schwarzen Kostüm wie eine trottelige Biene Maja mit Pferdefuß. Doch nur scheinbar. Im Laufe des Abends wird klar, dass sie zur „bösen Seite“ gehört: Der Frauenchor in der Wolfsschlucht ist in die gleichen schwarz-gelben Stoffe gekleidet und später wird deutlich, dass Ännchen von Samiel besessen ist und Kaspar liebt. Wie das mit der lieblich-harmlosen Musik einhergehen soll, kann wohl nur der schwarze Jäger selbst erklären.

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Agathe (Mária Porubĉinová) zwischen
Samiel (Andreas Jäger) und dem Eremiten (Selcuk Hakan Tiraşoǧlu)

Noch skurriler erscheint die Allgegenwart von Samiel und dem Eremiten, deren Duelliergebaren und Kostüme an Western wie „High noon“ oder „Spiel mir das Lied vom Tod“ erinnern. Sicher, dort wird auch geschossen. Aber reicht diese Parallele aus, um einen Bezug herzustellen? Eher weniger. Auch dann nicht, wenn Agathe zwischen Samiel und dem Eremiten ihr Gebet in der Wolfsschlucht singt. Ja, in der Wolfsschlucht. Dort erscheint die unglückliche, unheilahnende junge Frau und verdreckt sich ihr weißes Brautkleid auf dem schmutzigen Holzsteg.

Die Wolfsschluchtszene allerdings ist grandios inszeniert, so, wie man es sich bei einem Open-Air-Spektakel vorstellt. Feuer, Blitz und Krach und Bum, Agathe als Zombie, blutige Soldaten, die aus der Erde aufsteigen und sich bekämpfen usw. Die menschengroßen, tanzenden Gartenzwerge konterkarieren den ganzen Schauer – es sei denn, man hat eine Gartenzwergphobie. Spätestens beim Erscheinen Samiels merkt auch der letzte Zuschauer, dass der Braunschweiger Löwe auf dem Burgplatz heute Geweih trägt – jetzt sogar mit roten flackernden Lichtern an den Enden.
Warum beim Kugelsegen die Tieraugen weggelassen werden, verwundert. „Das rechte Auge eines Wiedehopfs, das linke eines Luchses“ sprechen doch bezüglich der Freikugeleigenschaften für sich – vielmehr als das Quecksilber, das hier in wundersamer Weise als Pulver verwendet wird. Neben der eindrucksvollen Wolfsschlucht ist der witzig choreographierte Jägerchor ein zweiter tröstender Lichtpunkt in dieser Produktion.

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Die Brautjungfern

Am Ende wird Max verrückt, Agathe trägt ein blutrotes Abendkleid (das schon im ersten Akt auf der Kleiderbüste hing) und nachdem Ännchen ihren toten geliebten Kaspar zugedeckt hat – der wiederum ganz textgetreu vom Baum stürzt – packt sie ihren Koffer, zertritt die Gartenzwerge und stellt sich zu Samiel. Im jubelnden Chor werden Schilder hochgehalten „Ende“ „gut“ „alles“ „gut“. Für diesen Abend gilt das leider nicht.
Regisseur Andreas Baesler verheddert sich in Erzähl- und Bedeutungssträngen, sprudelt über vor Ideen, die nicht wirklich zusammenpassen und die uns auch nicht weiterbringen. So verschenkt er das hübsche Bühnenbild, in dem mit guter Personenregie ein spannender und/oder auch einfach schöner Open-Air-Opernabend hätte entstehen können.

Auch musikalisch ist die Freude nur spärlich gesät. Von meinem Platz aus machte die Beschallungsanlage – die mich in den Vorjahren immer wieder sehr positiv beeindruckt hatte – einen eher unausgewogenen Eindruck. Manches lässt sich damit erklären, aber nicht alles. Dirigent Georg Menskes ist viel damit beschäftigt, das Ganze zusammenzuhalten, denn es klappert, wackelt und holpert immer wieder unüberhörbar.  Vergrößerung in neuem Fenster

Max (Mark Adler)

Das vokale Glanzlicht des Abends ist Mark Adler als Max, der mit seinem sicher geführten, hell timbrierten Tenor, mit hoher Stimmkultur und klaren Spitzentönen beispielhaft zeigt, wie man in diesem Fach brillieren kann. Seinen Mitstreitern gelingt das weniger. Malte Roesner überzeugt mit seinem noblen Bariton als Ottokar noch am meisten – trotz angekündigter Indisposition. Den Kaspar hört man doch lieber mit einem schwarzen Bass besetzt als mit dem eher braven Bariton von Christian Veit Sist. Mária Porubčinová kann mit ihrer ersten Arie wundervoll anrühren, klingt und wirkt als Agathe aber doch etwas zu matronenhaft. Störend wirkt bei ihr der starke Akzent, ebenso wie bei Selcuk Hakan Tiraşoğlu, der als Eremit seinen üppigen Bass sehr ausgiebig strömen lässt. Moran Abouloff bringt für das Ännchen sauber gesungene Koloraturen mit, klingt jedoch insgesamt etwas belegt. Sie ist aber auch am meisten durch die alberne Personenregie belastet. Sehr gute Eindrücke hinterlassen dagegen die Brautjungfern in den solistisch gesungenen Strophen.



FAZIT

Mark Adler als Max ist ein Ereignis. Ansonsten ein unnötiger Opernabend. Zeitweise kommt man sich vor, wie in der Aufführung einer jener Operntruppen, die durch die Stadthallen des Landes tingeln.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Georg Menskes

Inszenierung
Andreas Baesler

Bühnenbild
Harald B. Thor

Kostüme
Alfred Mayerhofer

Chor
G
eorg Menskes

Dramaturgie
Daniela Brendel


Staatsorchester Braunschweig

Chor und Extrachor des
Staatstheaters Braunschweig

Statisterie des
Staatstheaters Braunschweig


Solisten

Ottokar
Malte Roesner

Kuno
Ernst Garstenauer

Agathe
Mária Porubčinová

Ännchen
Moran Abouloff

Kaspar
Christian Veit-Sist

Max
Mark Adler

Ein Eremit
Selcuk Hakan Tiraşoğlu

Kilian
Steffen Doberauer

Samiel
Andreas Jäger

Brautjungfern
Marina Funke
Friederike Lechert
Annegret Glaser
Andreja Schmeetz




Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater Braunschweig
(Homepage)




Da capo al Fine

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