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Herzog Blaubarts Burg

Oper in einem Akt von Béla Balász

Deutsche Fassung von Wilhelm Ziegler
Musik von Béla Bartók

in deutscher Sprache 

Carmina Burana

Cantiones Profanae von Carl Orff


in lateinischer und mittelhochdeutscher  Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Chemnitz am 23. April 2011




Theater Chemnitz
(Homepage)

Sieben Türen zur Seele des Mannes

Von Thomas Molke / Fotos von Dieter Wuschanski

Wenn man Bartóks Einakter auf die Bühne bringt, stellt sich stets die Frage, mit welchem Werk man dieses psychologische, nahezu balladenhafte Stück kombinieren soll, will man das Publikum nicht bereits nach einer guten Stunde nach Hause schicken. Kann man mit einem zweiten Werk eine Parallele zu der eruptiven Kraft in Bartóks Musik schaffen oder vertraut man darauf, dass das Publikum sich nach einer Pause von diesen gewaltigen verstörenden Klängen erholt hat und sich auf etwas ganz anderes einlassen kann? Letzteres scheint auf den ersten Blick in Chemnitz der Fall gewesen zu sein, haben doch Orffs Carmina Burana mit Herzog Blaubarts Burg nur gemeinsam, dass es sich um zwei beeindruckende Werke des 20. Jahrhunderts handelt. Und doch lässt sich bei aller Unterschiedlichkeit der Musik eine kleine Parallele im Aufbau erkennen, da doch beide Werke von jeweils einem - wenn auch gegensätzlichem - Thema eingerahmt werden. Bei Bartók ist es ein düsteres fis-moll-Vorspiel, welches die unheimliche Atmosphäre zu Beginn charakterisiert und am Ende nach dem dem fatalen öffnen der siebten Tür wieder aufgegriffen wird. Bei Orff ist es die bombastische Anrufung der alles bestimmenden Fortuna in d-moll, die das Werk einrahmt.

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Noch scheint Judith (Kathrin Göring) die Macht über Blaubart (Oliver Zwarg) zu besitzen.

Bartóks Oper hat im traditionellen Sinn genau genommen keine Handlung. Die Burg, in die Blaubart seine neue Gattin Judith führt, symbolisiert eigentlich die männliche Seele, wobei die sieben Türen je einem Teil der männlichen Psyche entsprechen, die Judith im Verlauf des Stückes zu ergründen versucht. Um diesen psychologischen Ansatz zu unterstreichen, lässt Michael Heinicke Judith als Psychologin zu Beginn eine Art Sicherheitstrakt betreten, der durch den heruntergelassenen eisernen Vorhang dargestellt wird. Dahinter befindet sich Blaubart als Gefangener mit Hand- und Fußfesseln. Das Bühnenbild ist dabei sehr kontrastreich in Schwarz und Weiß gehalten. Während der Orchestergraben mit einem weißen Boden bedeckt ist, von dem nur eine Öffnung auf der linken Seite in den Graben hinabführt - das Orchester ist auf der Bühne hinter dem Geschehen platziert - und die Stühle, der Schreibtisch und die Wände in sterilem Weiß gehalten sind, sitzt Blaubart auf einem schwarzen Hocker. Doch so eindeutig, wie das Bühnenbild die Zuordnung in Schwarz und Weiß, in Gut und Böse suggeriert, entwickeln sich die Charaktere im Verlauf des Stückes nicht. Wenn Judith vor der Ouvertüre an dem weißen Schreibtisch Platz nimmt und ein Mikrophon auf Blaubart richtet, scheint sie, in der überlegenen Position zu sein und ihn als Patient studieren zu wollen. Noch bevor die Musik beginnt, liest Blaubart das Ende aus Perraults Märchen vor, wobei Oliver Zwargs Diktion dem Zuhörer durchaus Angst einjagen kann. Man fragt sich - wie in der Oper übrigens auch - warum Judith überhaupt in diese dunkle Seele eindringen will.

Aber Judith (Kathrin Göring) gibt sich Blaubart (Oliver Zwarg) hin, um alles über seine Seele zu erfahren.

Jetzt erst beginnt die Ouvertüre in dem düsteren fis-moll. Erneut steigt Judith aus dem Orchestergraben empor und ignoriert Blaubarts eindringliche Warnungen. An der rechten Wand befinden sich fünf surreale Bleistiftzeichnungen, die mit zwei weiteren auf dem Boden liegenden Bildern die sieben Türen symbolisieren könnten. Dieser Ansatz wird aber nicht stringent durchgehalten, da nicht jede Tür einem Bild entspricht. Bei der ersten Tür zerreißt Judith ein an der Wand hängendes Bild, löst Blaubart die Handfesseln und hilft ihm in einen schwarz-roten Mantel, der dem aufmerksamen Chemnitzer Publikum noch als Umhang Wotans aus dem legendären ebenfalls von Michael Heinicke inszenierten Ring im Gedächtnis sein könnte. Aus dem anfangs schwach wirkenden Irren der Anstalt entwickelt sich so ein langsam erstarkender Herzog. Aber Judith ignoriert jede Gefahr, so besessen ist sie von dem in der Dunkelheit auftauchenden Licht, dass sie die weiteren Türen unbedingt öffnen will, bis sie alles, Blaubarts ganze Seele, ergründet hat. Die im Text befindlichen Hinweise auf das Blut, das an den Türen klebt, wird zunächst nur sehr dezent in der Inszenierung umgesetzt, indem Blaubart eine Zeichnung mit roter Farbe markiert. Erst die dritte Tür offenbart - wiederum hinter einem heruntergerissenen Bild - ein rotes Kleid, das mit durchwirkten Goldfäden Blaubarts Reichtum symbolisiert, der aber blutdurchtränkt ist. Judith zieht dieses Kleid zunächst an, streift es dann aber entsetzt wieder ab. Dennoch kann sie nicht zurück, öffnet Blaubart sogar noch die Fußfesseln und setzt ihn somit ganz frei.

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Nach dem öffnen der fünften Tür könnte das Glück perfekt sein. Blaubart (Oliver Zwarg) will aufhören, aber Judith (Kathrin Göring) zwingt ihn, weitere Türen zu öffnen.

Bei der fünften Tür ist das Orchester bei strahlendem C-Dur angekommen. Jetzt hat Blaubart alles preisgegeben, was er zu offenbaren bereit ist. An dieser Stelle könnte die Geschichte für alle Beteiligten ein glückliches Ende nehmen. In strahlendem Licht steigt ein kindlicher Blaubart aus der Öffnung des Orchestergrabens, bekränzt mit  goldenem Lorbeer und einem durchschimmernden Ball in der Hand. Diesen reicht er Judith, doch sie schreckt zurück. Sie will mit diesem Bild der absoluten Harmonie und Glückseligkeit nicht aufhören, sondern weiter in die Seele dieses Mannes eindringen, koste es, was es wolle. Spätestens an dieser Stelle wird klar, dass die Trennung zwischen Gut und Böse, Weiß und Schwarz nicht mehr eindeutig ist. Nun nimmt auch Judith auf dem schwarzen Schemel Platz. Die Bilder werden jetzt in blutrote Farbe getränkt. Judith löst auch die weiße Lackschicht von dem Tisch, was sie eigentlich erkennen lassen müsste, dass ein weiteres Eindringen in Blaubarts Seele keine Erhellung mehr bringen kann. Doch unbeirrt geht sie dem fatalen Ende entgegen, findet hinter der letzten Tür Blaubarts verstorbene Ehefrauen und wird selbst zum nächsten Opfer.

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Die siebte Tür wird Judith (Kathrin Göring) zum Verhängnis. Jetzt ist auch sie Blaubarts (Oliver Zwarg) Opfer.

Beide Partien des Stückes stellen enorme Anforderungen an die Sängerdarsteller, denen aber Oliver Zwarg und Kathrin Göring in vollem Umfang gerecht werden. Oliver Zwarg, der in Chemnitz schon als Schmied in Schrekers Opernrarität Der Schmied von Gent brillierte, gestaltet den Blaubart sehr eindringlich mit sehr fülligem Bariton. Auch darstellerisch weiß er, die innere Zerrissenheit und Zwiespältigkeit diese Charakters glaubhaft zu verkörpern. Kathrin Göring stattet Judith mit einem sehr dramatischen Mezzosopran aus und besticht vor allem durch eine hervorragende Textverständlichkeit. Auch ihre Entwicklung von der mächtigen Psychologin zum Opfer ist sehr glaubhaft dargestellt. Frank Beermann gelingt es, mit der Robert-Schumann-Philharmonie Bartóks düstere Musik zur vollen Blüte zu bringen, und erzeugt einen Klang, der unter die Haut geht.

Auch im zweiten Teil des Abends versteht er es, das hohe musikalische Niveau zu halten. Dabei steht und fällt eine Aufführung der Carmina Burana natürlich mit der Qualität des Chors. Der Opernchor Chemnitz wird hierbei vom Extrachor, dem Kinderchor und Mitgliedern der Singakademie Chemnitz unterstützt. Mary Adelyn Kauffman schafft daraus einen sehr homogenen Klangkörper, der es einerseits versteht, beim "O Fortuna" voll aufzudrehen, sich andererseits im ersten Teil, dem Frühling, dezent zurücknehmen kann und dennoch spielerisch über das Orchester kommt, welches aufgrund des vorhandenen Bühnenbildes des ersten Teils immer noch auf der Bühne platziert ist. Schade ist nur, dass auf eine Übersetzung der Texte in Form von Übertiteln verzichtet wird.

Bei den Solisten begeistert vor allem Guibee Yang mit glockenklarem Sopran im dritten Teil, der Macht der Liebe. Im Zusammenspiel mit dem hervorragend disponierten Kinderchor zaubert sie einen bewegenden innigen Klang, der Amors Kraft regelrecht spürbar macht. Besonders bewegend gelingt ihr das "Dulcissime", bei dem sie hinter dem Chor auftritt und ihre Stimme fast schon sphärisch über den Chor und das Orchester hinwegschwebt. André Riemer nutzt die Begebenheit des Bühnenbildes und erscheint als zu bratender Schwan aus dem Orchestergraben, so als ob er Kochtopf entsteige. Die Partie lässt in den Höhen jeden Tenor an seine Grenzen stoßen, wobei die gequetschten Töne durchaus mit dem Leid des Federviehs korrespondieren, von daher also gewollt sind. Wie Guibee Yang trägt André Riemer diese Partie ohne Ablesen vor und gestaltet sie spielerisch überzeugend. Der Bariton Julian Orlishausen überzeugt vor allem im Lied des Abtes "Ego sum abbas", der darunter leidet, zu viel gegessen und getrunken zu haben. In den anderen Liedern bereiten ihm die Höhen aber enorme Schwierigkeiten und lassen die Stimme etwas dünn klingen. Trotz allem wird auch er wie alle anderen Beteiligten am Ende mit lang anhaltendem und verdientem Applaus gefeiert.


FAZIT

Über die Kombination zweier so unterschiedlicher Werke kann man geteilter Meinung sein. Ein großes musikalisches Erlebnis ist dieser Abend auf jeden Fall.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Frank Beermann

Inszenierung, Bühne und Kostüme
Michael Heinicke

Chöre
Mary Adelyn Kauffman

Licht
Mathias Vogel

Dramaturgie
Carla Neppl




Damen und Herren des
Opernchores, Extrachor
und Kinderchor
der Oper Chemnitz

Mitglieder der
Singakademie Chemnitz

Robert-Schumann-Philharmonie

 

Solisten

Herzog Blaubarts Burg

Herzog Blaubart
Oliver Zwarg

Judith
Kathrin Göring

Blaubart als Kind
Jonathan Heinicke

 

Carmina Burana

Sopran
Guibee Yang

Tenor
André Riemer

Bariton
Julian Orlishausen

 


Weitere
Informationen

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Theater Chemnitz
(Homepage)



Da capo al Fine

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