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Die ganze Hamlet-Welt ist nur TheaterVon Stefan Schmöe / Fotos von Thomas M. Jauk / Stage PicturesAusgerechnet Shakespeares Hamlet und damit einen der ganz großen Theaterstoffe hat sich Christian Jost als Vorlage für seine gleichnamige, 2009 an der Komischen Oper Berlin uraufgeführte Oper gewählt. Ein wortgewaltiges Drama, das eigentlich nicht auch noch Musik braucht, was freilich auch auf Verdis geniale Otello-Adaption zutrifft wobei der sich von Arrigo Boito daraus ein handfestes Opernlibretto machen ließ, während Jost selbst den Originaltext in der klassischen Übersetzung von Tieck und Schlegel auf Opernlänge quasi eindampft hat. Er hat das Drama in 12 Tableaus zerlegt, fragmentarische Einzelszenen, die Facetten Hamlets, wechselnde Zustände, die Zerrissenheit der Figur zeigen sollen. Obwohl das in der Dortmunder Inszenierung von Peter te Nuyl noch unterstrichen wird, wirkt die Struktur in der Gesamtbetrachtung dann aber recht konventionell letztendlich hangelt Jost sich eben doch linear erzählend an der Vorlage entlang, ohne sich so recht von diesem emanzipieren zu können (was auch schon unser Rezensent anlässlich der Uraufführung anmerkte). Die Qualität der Musik macht diesen Hamlet sicher trotzdem zu einer der besseren Werke des modernen Musiktheaters. Kinder, lasst uns Hamlet spielen! (Ensemble)
Im Zentrum der Oper steht die Schauspielszene, in der Hamlet den Mord an seinem Vater nachstellen lässt, um Stiefvater Claudius als Mörder zu überführen. Das Theater-Spielen, das In-der-Rolle-Sein oder Aus-der-Rolle-Fallen ist die Kernidee der Inszenierung, die hier von einer Theatertruppe Hamlet spielen lässt. Die Drehbühne (Ausstattung: Sebastian Hannak) zeigt eine (übertrieben klapprige) Theaterbühne samt Regal für den Fundus, zu Beginn werden die Rollen verteilt. Bloß kein Illusionstheater im Stile des 19. Jahrhunderts und seiner Shakespeare-Romantik, scheint die Devise zu sein, und die Verfremdung durch die Brechung funktioniert ganz ordentlich und ist auch in sich schlüssig. Auch gibt es ein paar visuell sehr eindrucksvolle Momente, etwa wenn sich am Ende die Drehbühne wie in einem Strudel in den Unterboden versenkt. Der Verzicht auf den Einbau einer weiteren Bedeutungsebene durch die Regie ist sicher richtig; vielleicht hätte der Oper eine noch größere visuelle Strenge gut getan, denn das Nebeneinander von Musik, Shakespeares eben doch sehr dominantem Text und der Bühnenaktion, auch wenn diese sich insgesamt zurück hält, wirkt auch so immer noch etwas überfrachtet. Eine etwas schönere Perücke hätte Maria Hilmes für die riesige Titelpartie schon verdient.
Die kleinteilige Aufsplitterung der Handlung in die Tableaus ist gleichzeitig ein Verzicht auf große musikdramatische Zuspitzung. Josts Musik beschreibt nicht die theatralische Aktion, sondern viel mehr das Unbewusste, Unsagbare, und ist darin sehr dicht und entwickelt große Sogkräfte. Der Dortmunder GMD Jac van Steen verzichtet auf jeden Knalleffekt, nie geht die Musik über ein (hochkonzentriertes und spannungsgeladenes) Forte hinaus, ist von kammermusikalischer Transparenz und großer Farbigkeit. Die Dortmunder Philharmoniker meistern das ganz ausgezeichnet. Der orchestrale Bereich hinterlässt somit die stärkste Wirkung, was sicher auch an der letztendlich undramatischen Komposition liegt. Drastische Konfliktlösungsversuche einer zerütteten Mutter-Sohn-Beziehung: Gertrud und Hamlet
Die Titelpartie ist mit einem Mezzosopran besetzt, was die Figur noch einmal bricht, weil ihr die maskulinen Elemente weitgehend ausgeblendet sind (in verschiedenen Schauspielinszenierungen ist das längst vorweg genommen). Jost hat seinerzeit die Partie seiner Ehefrau Stella Doufexis, dem Berliner Uraufführungs-Hamlet, auf die Kehle geschrieben. Geschmeidigkeit in den Koloraturen, die Fähigkeit zu lyrischen Aufschwüngen, den Atem für große Bögen das alles bringt in Dortmund jetzt auch Maria Hilmes beeindruckend ein. Was ihr mitunter fehlt, ist die vokale Statur für dramatische Ausbrüche, um das Unbedingte in dieser Figur deutlich zu machen und, damit einher gehend, auch etwas mehr zickige Divenhaftigkeit. Neben den vorherrschenden introvertierten Momenten dürfte die Figur eben auch mehr Forderndes, Vernichtendes haben, das aber ist nicht unbedingt Sache der immer sehr sympathisch auftretenden Maria Hilmes. Vorsicht Shakespeare: So ein Theaterspiel kann Familienkatastrophen mit tödlichem Ausgang in Gang setzen.
Jugendlich-schwärmerisch und mit betörenden Lyrismen glänzt Julia Amos als Ophelia, grüblerisch-vielschichtig gibt Bart Driessen eine treffende Charakterstudie des Claudius, und Susanne Schubert ist eine stimmlich wie szenisch präsente Prinzenmutter Gertrud. Durchweg solide sind die weiteren Rollen besetzt. Der Chor (Einstudierung: Granville Walker), dem auch die Worte des väterlichen Geistes anvertraut sind, scheint klanglich nicht immer ideal gestellt zu sein, wodurch die Einzelstimmen mitunter zu wenig zum Gesamtklang verschmelzen, hat aber seine starken Szenen. Das alles scheint die Dortmunder, in diesen Wochen freilich im fußballerischen Ausnahmezustand, allerdings herzlich wenig zu interessieren: In der hier besprochenen zweiten Vorstellung blieb das ohnehin viel zu große Stadttheater erschreckend leer. FAZITHamlets Seelenzustände beeindrucken in erster Linie durch die suggestive, in Dortmund glänzend präsentierte Orchestersprache. Die (sehr ordentlich gesungene und gespielte) Inszenierung macht nicht viel falsch, kann die dramatische Leerstellen aber auch nicht überspielen. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Ausstattung
Choreinstudierung
Dramaturgie
Solisten
Hamlet
Horatio
Claudius
Gertrud
Polonius
Rosenkranz/1. Clown
Güldenstern/2. Clown
Ophelia
Laertes
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