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Ritter Blaubart

Opéra bouffe in drei Akten (4 Bildern)
Text von Henri Meilhac und Ludovic Halévy
Musik von Jacques Offenbach

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 15. Januar 2011

 


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Theater Dortmund
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Spritzige Offenbachiade in Dortmund

 Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Thomas M. Jauk / Stage Pictures


Lustig, unterhaltend und amüsant müsse die opéra bouffe bzw. comique sein und der Text dürfe nicht nach bitterem Zola und die Musik nach schwermütigem Brahms riechen,  forderte Offenbach in den 1860er Jahren anlässlich einer seiner Meinung nach missratenen Aufführung der „Périchole“ in Deutschland.
Vermutlich hätte er an dieser gefälligen, phantasievollen und spielfreudigen Dortmunder Neuinszenierung der Operette Barbe bleue seine Freude gehabt.
 

Noch bevor sich der Vorhang lüftet und das Spiel beginnt, taucht man in das Operetten verrückte Paris der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ein, wird uns ein prunkvolles, jugendstilartiges Bühnenportal mit Eisenkonstruktion und Symbolen der Vergänglichkeit, mit gerafftem, rotsamtig leuchtendem Vorhang vor Augen geführt.
1866 im Théâtre des Variétés erfolgreich uraufgeführt, greifen Offenbach und sein geniales Autorengespann Henri Meilhac und Ludovic Halévy die Frauen mordende Schauermärchengestalt vom Ritter Blaubart auf und verkehren seine dämonische Ausstrahlung ins Gegenteil und machen einem demokratischen Lebensgefühl Platz: zum Beispiel will der unersättliche Schürzenjäger Blaubart mit der Heirat des Bauernmädchens Boulotte die Epoche einleiten, wo „Palast und Hütte“ miteinander verschmelzen. Buckelnde Höflinge werden satirisch beleuchtet, Boulotte aber auch Königin Clémentine schockieren mit ihrem Etikette missachtenden, rebellischen Benehmen den Hofstaat. Blaubart lässt seine Schönen vergiften, König Bobèche die Verehrer seiner selbstbewussten Gemahlin Clémentine ermorden. Da weder Graf Oscar, noch der Alchimist im Dienste Blaubarts sich an die Anordnungen halten, sondern ihre eigenen Machtinteressen verfolgen, verabreicht Popolani den Frauen zwar Gift, erweckt die vermeintlich Toten jedoch mittels Elektrizität wieder zum Leben.
 

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Graf Oscar (Hans Werner Bramer, links) und Popolani (Christian Tschelebiew, rechts).

Zwischen Rocky-Horror-Picture-Show, Addams Family und Frankenstein inszenieren Leistenschneider und ihr Produktionsteam die opéra comique Barbe Bleue wie eine spielfreudige, auf das Verständnis des Originals angelegte Offenbachiade, keine Politsatire. Die Dialoge und Liedtexte werden bis auf einige Refrains in einer sprachlich ansprechenden, modernisierten, deutschen  Fassung dargeboten, die Albernheiten der Figuren durch süße,  französische bzw. englische Akzentfärbungen unterstrichen, mit lokalpatriotischen Wendungen gewürzt und musikalisch aufgepäppt, wenn es grotesk komischer  Wirkung dienlich ist. So trällert die sinnenfrohe Boulotte in freudiger Erwartung ihrer Liebesnacht mit Blaubart ein flottes „I wanna be loved by you“, während sie nichts Böses ahnend in die Friedhofstiefen hinabsteigt. Sie stellt gutgläubig Hypothesen besonderer sexueller Vorlieben auf, bevor ihr Schritt für Schritt die  nahende Ermordung bewusst wird.

Geschickt werden den Klängen des Orchesters in der ersten Szene, eine gelungene Satire auf das klassische Schäferspiel, zartes Blöken, Muhen und Kikeriki vom Band beigemischt, bevor Vogelrufmotive in der Komposition selbst motivisch aufgegriffen werden. Und während das Mutterschaf erwartungsvoll mit dem Fernrohr aus dem Wohnwagenfenster ins Publikum blickt, verlässt Schäfer bzw. Prinz Saphir als blonder Elvis in rosa Hemd und hellblauem Seidenhosenanzug die bescheidene Hütte, um sich mit seiner Fleurette, seinem „Mon chéri“ zu vergnügen....

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Königin Clémentine (Johanna Schoppa), König Bobèche (Hannes Brock), Hermia (Anke Briegel) und Prinz Saphir (Stefan Boving)

Im Unterschied zum Original wird der Dortmunder Blaubart von einem nächtlichen Friedhofsvorspiel eingeleitet. Angeführt vom Alchimisten Popolani beweinen zunächst zu den Klängen von Chopins Trauermarsch für Banjo und Kazoo eine Trauergemeinde und ein mit schwarzem Gehrock und Zylinder ausgestatteter Blaubart den „rätselhaften“ Tod seiner 5. Frau. Anschließend – vor der eigentlichen Ouvertüre - folgt die im Original lange hinausgezögerte Auftrittsarie Blaubarts, des „tönenden Pfauenrads mit Trauerrand“. Sie beginnt mit einem pathetisch tragischen Bläser-Lamento und kippt blitzartig in lustige Revue-Atmosphäre. Dazu flackert ein Strahlenkranz aus Glühbirnen im Takt. Der Freude am Grotesken und Makabren wird mit neckischen Tanzbewegungen und Hüftschwüngen Ausdruck verliehen.

Bei solch hintersinniger Situationskomik, anderen augenzwinkernden Regieeinfällen, schrägen, skurrilen Requisiten und bis auf Blaubart wechselnden, phantasievollen Kostümen – z.B. König Bobèche als blonde Louis XIV-Imitation in wallenden, pink bzw. lila farbenen, liliengemustertem Gewande -  gibt es viel zu sehen, zu schmunzeln und zu lachen. Und das Premierenpublikum machte reichlich Gebrauch davon.

Einziges Problem ist die Platzierung des Orchesters. Warum entschied man sich, die Musiker nicht im Orchestergraben zu belassen, sondern sie fernab vom Publikum, hinten auf der Bühne zu platzieren - zwischen einem dem Spiel vorbehaltenen vorderen Bereich und dem den jeweiligen Schauplatz spezifizierenden Bühnenprospekt? Das führte,  zumindest am Premierenabend, zu akustischen Problemen und kleinen Abstimmungsschwierigkeiten. In den Ensembleszenen war die spritzig leichte, tänzerische Orchestermusik in der 11. Parkettreihe kaum zu hören.

Unter der musikalischen Leitung Lancelot Fuhrys agieren Solisten und die verschiedenen Chorensembles spritzig und spielfreudig. Musikalisch überzeugt das Solistenensemble der vermeintlich toten Ehefrauen Blaubarts und vor allem der Opernchor durch seine homogene, rhythmisch präzise, dynamisch differenzierte, textverständlich artikulierende Darbietung. Craig Bermingham gibt einen schlank geführten, geschmeidigen Blaubart, dessen Stimme sich jedoch – zumindest an diesem Abend - in den höheren Lagen nicht genug öffnete. Vera Semieniuk ist eine sinnenfreudige, textverständlich singende, mit dramatischen Koloraturen ausgestattete Boulotte, Christian Tschelebiew ein gewitzter Alchimist Poplani. Hannes Brock stellt  einen kindischen, herrlich grimassierenden, selbstverliebten König Bobèche dar. Hans Werner Brahmer ist der ob der Sitten bei Hofe leicht verstörte, englische Kammerherr des Königs. Johanna Schoppa präsentiert eine selbstbewusste Clémentine mit Spitzentönen von leichter Hand. Schauspielerisch und sängerisch überzeugen auch Anke Briegel als Fleurette bzw. Prinzessin Hermia sowie Stephan Boving als Daphnis bzw. Prinz Saphir.


FAZIT

Ein spielfreudiges, amüsantes Theatervergnügen für dunkle Januartage.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Lancelot Fuhry

Inszenierung
Anette Leistenschneider

Bühne
Christian Floeren

Kostüme
Ulrike Kremer

Lichtgestaltung
Stefan Schmidt

Choreinstudierung
Granville Walker

Dramaturgie
Verena Harzer

Choreographie
Adriana Naldoni


Statisterie des Theater Dortmund

Opernchor des Theater Dortmund

Dortmunder Philharmoniker


Solisten

 

Ritter Blaubart
Craig Bermingham

Boulotte
Vera Semieniuk

König Bobèche
Hannes Brock

Königin Clémentine
Johanna Schoppa

Daphnis/Prinz Saphir
Stephan Boving

Fleurette/Hermia
Anke Briegel

Graf Oscar
Hans Werner Bramer

Popolani
Christian Tschelebiew

Alvarez
Johannes Knecht

Eloise
Lusine Ghazaryan

Rosalinde
Vera Fischer

Blanche
Renate Höhne

Eléonore
Natascha Valentin-Hilscher

Isaure
Maria Hiefinger

Kuh Babybell
Adriana Naldoni


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