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Ein großer Strauss-Abend
Von Thomas Tillmann / Fotos werden uns von der Rheinoper leider nicht zur Verfügung gestellt Nicht Guy Joostens von mir bereits bei der Düsseldorfer Premiere vor gut zwei Jahren als unentschlossen-fad, streckenweise fast ein wenig hilflos wirkend und die Vorlage banalisierend beurteilte Inszenierung der Frau ohne Schatten, die keinen rechten Schlüssel zum Werk findet und mitunter nichts als Kopfschütteln beim Rezensenten produziert (wie etwa das Herumlaufen der Kinder mit Taschenlampen während des wunderbar verklärten ersten Aktschlusses oder der gänzlich überflüssige Einfall, Barak zum Trinker zu machen), machte die Übernahmepremiere zu einem großen Strauss-Abend, sondern die wirklich hervorragende vokale wie szenische Leistung der meisten Protagonisten, deren Erfahrung und Ausstrahlung den Abend prägen, und nicht zuletzt der Duisburger Philharmoniker (wobei die Kollegen in Düsseldorf damals unter John Fiores Leitung ja auch schon sehr ordentlich vorgelegt hatten). Hatte ich angesichts seines "Fr-o-Sch"-Debüts 2007 in Mannheim trotz vielversprechender Ansätze angemerkt, dass Axel Kober "noch eine Zeitlang brauchen" dürfte, "damit sich dieses besondere Werk setzen kann, damit die innere musikalische Gedankenwelt ... noch überzeugender erfasst werden kann", so hat sich die häufige Beschäftigung mit dieser monumentalen Oper unter anderem auch an der Deutschen Oper Berlin nun bemerkbar gemacht, dem GMD gelingt es nun, einen Spannungsbogen vom ersten bis zum letzten Ton zu ziehen, aus vielen gelungen Einzelleistungen im Graben ein großes Ganzes zu formen und die eigene Handschrift deutlich zu machen, ohne vordergründig oder eitel zu werden, und natürlich gilt wie schon vor drei Jahren, dass er "den gewaltigen Klangapparat beeindruckend im Griff" hat und er dem "Bühnenpersonal die ohnehin schwere Sache nicht noch schwerer" macht. Und wieder ist es auch der erste Schluss des ersten Aufzugs, der mir am deutlichsten und intensivsten in Erinnerung bleibt, ohne dass deswegen Abstriche in den Folgeakten zu machen gewesen wären oder die Intensität der Wiedergabe irgendwo nachgelassen hätte. Den stärksten Applaus erhielt völlig zurecht Susan Maclean, die damals am Nationaltheater Mannheim auch schon als "exzellente, vielschichtige" Amme dabei war und die nun zum Ensemble der Rheinoper gehört. Sie singt die Partie nicht nur beinahe mühelos mit ihrem "in allen Lagen ausgesprochen schön und gleichermaßen expressiv" eingesetzten Mezzosopran, "ohne in Sprechgesang und grelle Überzeichnungen zu verfallen", sondern überzeugt auch erneut "durch ihre exzellente Diktion" und ihre immense darstellerische Intensität - sie ist wirklich eine gefährliche Schlange, eine Meisterin der Verstellung, die jede Nuance des Textes auskostet und dabei in einigen Momenten auch sehr komisch wirkt. Zur Interpretin der Färberin habe ich 2008 bereits alles gesagt: "Es gibt sicher Leute, denen Linda Watsons einiges Metall und Schärfe sowie kein kleines Vibrato aufweisender Sopran keine wahre Freude am Ohr ist, aber jenseits von solchen Geschmacksfragen muss man festhalten, dass es nicht viele Sängerinnen auf dieser Welt geben dürfte, die die heikle Partie mit solcher Souveränität und Stamina durchstehen wie die Amerikanerin ..., und dies gilt nicht nur für den großen Ausbruch am Ende des zweiten Aktes, der mir Gänsehaut bescherte, oder ihren mit machtvollem, jetzt weicheren Ton und starkem Legato bewältigten Monolog zu Beginn des dritten Aufzugs, sondern auch für die vielen tiefer gelegenen Passagen dieser Partie (wie etwa das "Dritthalb Jahr bin ich dein Weib", bei dem man jeden Konsonanten verstehen konnte und das mich sehr berührt hat), und nicht zuletzt besitzt die Stimme immer noch genügend Flexibilität für ganz zarte Momente." Hinzuzufügen ist, dass die Sopranistin auch darstellerisch weiter an der Figur gearbeitet hat - von Anfang an gerät man in den Bann dieser zutiefst unglücklichen und eben nicht nur frustrierten Frau, es gibt Momente, in denen man sich sogar an die Vergänglichkeitsüberlegungen der Marschallin erinnert fühlt - eine große Leistung der ehemaligen Rheinopernsängerin, zweifellos. Weniger eindeutig geriet dagegen die Leistung von Morenike Fadayomi, die offenbar ihre Schwäche für Strauss entdeckt hat (dass ich ihre Salome in Duisburg vokal missglückt fand, habe ich indes nicht verschwiegen). Erneut sind es die leisen, lyrischen Töne etwa ganz zu Beginn, die gut geraten und den ursprünglichen attraktiven Klang der Stimme erkennen lassen, aber sobald ein Forte gefordert ist, hört man "jede Menge häßlich-spröden Sprechgesang und wildes Geschreie ohne jeden Glanz, ein quälendes Anbohren von Tönen und viele weitere Zeichen der Überforderung". Unerträglich waren mir auch die enervierenden Portamenti, mit denen sie die Ausbrüche in der Erwachensszene meinte dekorieren zu müssen, das hätte ihr wirklich jemand verbieten müssen. Dagegen klang die Stimme im dritten Aufzug und hier namentlich in der Mittellage erholt und durchaus tragfähig, und als gute Schauspielerin wusste sie hier natürlich auch am meisten zu punkten. Ein Wiedersehen und -hören gab es für den Rezensenten auch mit Roberto Saccà, der den Kaiser bereits in Zürich gesungen hat und mir dort "auf Grund seiner exzellenten Diktion und der geschmackvollen Phrasierung, die zweifellos ihre Wurzeln in der Erfahrung mit Mozartrollen und im italienischen Repertoire hat" besser gefallen hat. Trotz großer Rücksichtnahme durch den musikalischen Leiter war der Künstler, der in entscheidenden Momenten auch noch ungünstig weit hinten stand, mit seiner grundsätzlich interessanten, lyrische Grundierung und dunkle Farbe verbindenden, aber bereits in der Mittellage nicht genügend Kraft ausweisenden Stimme schlicht nicht zu hören. Tomasz Konieczny gab erneut einen kernig-attraktiven Barak der "wuchtige(n), beeindruckende(n) und unverkrampft produzierte(n) Töne", wobei er schon etwas weniger ungestüm schmetterte und sich wohl doch noch einmal etwas intensiver mit seinem Part auseinandergesetzt hat als vor der Düsseldorfer Premiere. Mir persönlich ist er nach wie vor zu jung und zu vordergründig für diese Partie, und mich stören auch manch mauliger Vokal und der starke Akzent im Deutschen, trotz oder eher gerade angesichts seiner sehr deutlichen Aussprache. Stefan Heidemann gab wiederum "prägnant mit reifem, markanten Ton, aber phasenweise ziemlich textunverständlich den Geisterboten", Bruno Balmelli, Timo Riihonen und Simeon Esper waren nun die Brüder des Färbers, Iryna Vakula war nicht die beste Stimme des Falken, die ich gehört habe, Michael Pflumm ließ aufhorchen als Stimme des Jünglings, Geneviève King beeindruckte als Stimme von oben, Friedemann Pardalls Cellosolo gefiel mir besser als jenes von Violinist Siegfried Rivinius.
Wenn die vokalen und orchestralen Leistungen stimmen, dann vergisst man Guy Joostens Inszenierung ziemlich schnell, und so kann man nur hoffen, dass die Produktion immer wieder einmal auf den Spielplan gesetzt wird, denn in ihr werden sich auch Gäste ziemlich schnell zurechtfinden. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Licht
Dramaturgie
Chor
Spielleitung
Solisten
Der Kaiser
Die Kaiserin
Die Amme
Der Geisterbote
Barak, der Färber
Sein Weib
Der Einäugige
Der Einarmige
Der Bucklige
Hüter der Schwelle
Die Stimme des Jünglings
Erscheinung des Jünglings
Die Stimme des Falken
Erscheinung des Falken
Eine Stimme von oben
Geisterstimmen/Kinderstimmen
Die Stimmen der Wächter
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