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Irische Seele im Pub
Von Thomas Molke
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Fotos von Mario Perricone Nach der erfolgreichen Liebeserklärung an das französische Chanson in dem Ballettabend La vie en rose und der großartigen Tanzhommage an Queen hat sich Ballettdirektor Ben Van Cauwenbergh nun der irischen Volksmusik gewidmet und erweitert damit das Spektrum seiner Ballett-Compagnie um einen weiteren Themenabend, der die ebenfalls gepflegten klassischen Handlungsballette hervorragend ergänzt. Dass dieses Konzept in Essen aufgeht, zeigt unter anderem, dass die zweite Vorstellung an einem Dienstag vor nahezu ausverkauftem Haus stattfand, was manchem Haus leider noch nicht einmal in der Premiere gelingt. Ballett-Compagnie vor einer irischen Postkartenidylle zu Beginn des Abends. Inspirieren ließ sich Van Cauwenbergh noch zu seiner Wiesbadener Zeit 2001, als er in einer Kneipe einen Musiker des 1995 gegründeten Trios "Midnight Court" kennen lernte. Für Wiesbaden wurde dann auch die Uraufführung dieses Werkes kreiert, in der das Trio, bestehend aus dem Sänger, Gitarristen und Songwriter Aaron Shirlow, dem Violinisten und Sänger Bernd Lüdtke und dem Knopfakkordeonisten und Sänger Noel Minogue, gemeinsam mit einem der besten Flötenvirtuosen Irlands, dem Dubliner Brian O'Connor, den Soundtrack nicht nur komponierte, sondern auch live spielte. Auch für die Neuproduktion in Essen in anderer Form und Ausstattung konnten die Musiker erneut gewonnen und mit dem Sänger und Gitarristen Kevin Sheahan, einem Essener mit irischer Abstammung, um einen weiteren Spitzenmusiker ergänzt werden. So gab es an diesem Abend aus dem Orchestergraben folkloristische Klänge aus Irland unter anderem auf einer Bodhrán, einer irischen Rahmentrommel, mit der man sowohl einen dumpfen, bassigen, als auch einen helleren Klang erzeugen kann, oder den so genannten Bones, welche in der Regel aus einfachen tierischen Knochen bestehen und in der irischen Volksmusik weit verbreitet sind. Thematisch ist der Abend zweigeteilt, wobei der erste Teil vor der Pause das Land Irland präsentiert, während im zweiten Teil nach der Pause die Menschen Irlands vorgestellt werden, die sich - dann doch recht stereotyp - bei Whiskey und Bier im Pub treffen und ihre Geschichten erzählen. So wird zu Beginn des Abends auf eine riesige Leinwand auf der Bühnenrückseite ein Sonnenaufgang in Postkartenidylle projiziert. Davor befinden sich Nebelschwaden, aus denen sich die Tänzer zu "The Buckle Air", einem langsamen Instrumentalstück allmählich erheben. In meerblauen Kostümen scheinen sie nahezu direkt dem Wasser zu entsteigen und verbinden sich von einzelnen Paaren zu einer Menschenmasse. Die Insel ist erwacht. Adeline Pastor als Leprechaun. Und mit der Insel erwacht die bekannteste mythologische Figur Irlands: der Leprechaun, ein Naturgeist, der auch als Schuhlieferant der Feen gilt und gerne als Maskottchen verwendet wird. Man sagt, dass er dem Menschen, der ihn trifft oder fängt, viel Geld und Glück bringen kann. Adeline Pastor haucht diesem Fabelwesen mit grandiosen Pirouetten Leben ein, wirbelt über die Bühne und macht so sehr deutlich, dass dieser Leprechaun sich ganz gewiss nicht leicht fangen lässt. Hervorragend ist in diesem zweiten Bild auch die Lichtregie von Bernd Hagemeyer. In einem augenförmigen grünen Lichtkegel bewegt sich Adeline Pastor, bis sie am Ende der Musik wie von Zauberhand gezogen von der Bühne schwebt. Auch im zweiten Teil des Abends taucht sie während der einzelnen Musikstücke immer wieder auf und begeistert durch kraftvolle Sprünge. Alena Gorelcikova und Denis Untila in "Klein und verliebt" Nach dem Fabelwesen kommt das nächste bedeutende Element Irlands zu Wort: das Meer. Während auf die rückwärtige Leinwand eine stürmische See projiziert wird, stellt das Ensemble hochpeitschende Wogen dar, wobei eine Tänzerin wie ein Delphin in die Luft geworfen wird und gewissermaßen aus diesen Wogen aufzutauchen scheint. Als Fischer versuchen Armen Hakobyan, Davit Jeyranyan und Wataru Shimizu das tobende Meer zu beherrschen. Und nachdem die See dann ruhiger geworden ist, tanzen Yulia Tsoi und Marat Ourtaev vor rotem Hintergrund ein sehr inniges Pas de deux. Doch die Ruhe ist nur vorübergehend. Plötzlich fängt es an, vom Bühnenhimmel in Strömen zu regnen. Wasserpfützen bilden sich auf der Bühne, und die Tänzer gleiten durch das Wasser. Mit welcher Körperbeherrschung sie sich dabei auf dem nassen und rutschigen Untergrund bewegen, ist beachtlich. Inmitten des Regens heben Armen Hakobyan und Igor Volkovskyy die durchnässten Tänzerinnen Ana Sánchez Portales und Michelle Yamamato über die Bühne. Und wieder findet das Ensemble wie zu Beginn in dem herabströmenden Regen zu einer Menschenmasse zusammen, die in einem hellen weißen Lichtkegel steht. Großer Applaus nach dem Ende des ersten Teils. Ana-Carolina Reis und Nour Eldesouki in "Lass uns verreisen". Während im ersten Teil nur die Musiker im Orchestergraben Platz genommen haben, befinden sich dort nach der Pause zahlreiche Tische mit Kerzen, Bier und Whiskey. Hier liegt also der Pub, in dem Musiker und Tänzer nun zusammenkommen werden. Vorher zeigt das Ensemble, jetzt in sehr bunten Kostümen (Ulrich Lott), zu dem Instrumentalstück "Rathmore Hornpipe", einem traditionellen englischen Tanzstück in sehr lebhaftem Tempo, wie viel Energie in den irischen Rhythmen steckt. Die Beine der Tänzerinnen und Tänzer scheinen dabei nahezu aus Gummi zu sein und bewegen sich absolut synchron zum Takt der Musik. Ein bisschen erinnert dieser Tanz an Riverdance ohne Steppeinlagen. Nachdem nun alle im Pub zusammengekommen sind, können einzelne Figuren ihre Geschichten erzählen. Die anderen lauschen den Klängen der Musik und haben sichtlich Spaß, animieren das Publikum bisweilen auch zum Mitklatschen. Finale: Compagnie mit Leprechaun (Adeline Pastor, vorne). Von den nun folgenden kleineren Stücken gefallen vor allem Alena Gorelcikova und Denis Untila in "Klein und verliebt" zu zwei instrumentalen Jigs, lebhaften Volkstänzen. Während Denis Untila seinen Part recht clownesk anlegt und in seinen Bewegungen absichtlich unbeholfen wirkt, tanzt Alena Gorelcikova permanent auf Spitze und wirkt dadurch noch größer als ihr Partner. Wie graziös sie die klassischen Bewegungen durchhält, obwohl Denis Untila sie mit seinem verspielten Tanz stets aufzulockern versucht, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Auch Ana-Carolina Reis und Nour Eldesouki amüsieren das Publikum in ihrem Stück "Lass uns verreisen", wenn Nour Eldesouki seine Partnerin wie einen Koffer unter den Arm klemmt und über die Bühne trägt, wobei Ana-Carolina Reis in ihrer ganzen Körperhaltung steif wie ein Brett bleibt. Recht akrobatisch wird der Tanz bei Wataru Shimizu und Nwarin Gad. Unter dem Motto "Ich liebe zu tanzen..." zeigt Shimizu zu einem Reel, einem irischen Volkstanz in einem sehr schnellen 4/4-Takt, dass er neben dem klassischen Repertoire auch Street Dance beherrscht und rollt in atemberaubender Geschwindigkeit über die Bühne. Bei diesen Bewegungen gelingt es ihm dann auch, den windigen Leprechaun zu erwischen. Wenn das kein Glück bringt. Für den Ballettabend, der danach in ein erneut an Riverdance erinnerndes Finale übergeht, auf jeden Fall, da die Begeisterung des Publikums so groß ist, dass dieser Teil noch einmal als Zugabe gegeben wird.
Ben Van Cauwenbergh gelingt ein sehr unterhaltsamer und abwechslungsreicher Ballettabend, der beweist, dass das Aalto Ballett mit dieser Bandbreite von Klassik und Moderne das Publikum in Essen in vollem Maße erreicht. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Choreographie, Bühne und Kostüme Kostüme
Licht Einstudierung
Flöte, Whistle, Gesang Gesang, Gitarre, Mandoline, Bodhrán Klavier, Keyboard
Tänzerinnen und TänzerIrland erwachtCompagnie
Leprechaun
Meer und Felsen
Fischer und Meer Davit Jeyranyan Wataru Shimizu
Omagh Town
Die Insel braucht Regen
Die Angst bleibt
Unterwegs zum Pub Bittersüß Klein und verliebt Schneller geht's nicht Lass uns verreisen Auf der Suche nach Leprechaun Freunde, oder? Nur so... Ich liebe, zu tanzen... ... Ich auch Leprechaun erwischt Letzte Runde Leprechaun Feierabend
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