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Robin Hood

Oper in drei Akten
Text von Reinhard Mosen
Musik von Albert Dietrich


in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 15' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theater Erfurt am 20. März 2011
(rezensierte Aufführung: 29.04.2011)


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Theater Erfurt
(Homepage)

Free Robin in Erfurt

Von Thomas Molke / Fotos von L. Edelhoff


Robin Hood, der Rächer der Enterbten, ist eher aus Film und Literatur bekannt. Mit der Oper wird der Kämpfer für Witwen und Waisen eigentlich nicht in Verbindung gebracht - sieht man einmal von dem 2008 an der Komischen Oper Berlin uraufgeführten Werk von Frank Schwemmer ab, das danach auch noch an der Deutschen Oper am Rhein zu erleben war und sich eher an ein jugendliches Publikum richtet. Selbst die "bekannteste" Vertonung ist samt seinem Komponisten Albert Dietrich heute völlig in Vergessenheit geraten. Um diesem entgegenzuwirken, hat das Theater Erfurt im Rahmen seiner jährlichen Ausgrabung dieses Werk der deutschen Romantik, was sich im 19. Jahrhundert durchaus einer gewissen Beliebtheit erfreute, das erste Mal seit über 100 Jahren wieder auf den Spielplan gestellt und präsentiert damit einen Komponisten, der wahrscheinlich nur eingefleischten Musikexperten als Wegbegleiter von Brahms und Schumann durch deren gemeinsame Violinsonate ein Begriff sein dürfte.

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Robin Hood (Markus Petsch, rechts) und Little John (Sebastian Pilgrim, links) im Kampf für die Freiheit.

Die Handlung der Oper orientiert sich dabei im Großen und Ganzen an dem aus Film und Literatur bekannten Ablauf, wobei die Liebesgeschichte zwischen Robin und Marian ins Zentrum gerückt wird und um eine Beziehung zwischen Robins treuem Freund Little John und Marians Begleiterin Ellen ergänzt wird. Auf Kampfhandlungen und das legendäre Bogenschießen wird in der Oper völlig verzichtet. Robin Hood will beim Maifest seine Geliebte Marian aus den Händen ihres Vormundes, des Sheriffs von Nottingham rauben, da sie mit Jeremias, dem Neffen des Sheriffs verheiratet werden soll. Die Flucht misslingt, und Robin wird eingekerkert und von König Richard zum Tode verurteilt, da dieser ihn vorher gewarnt hatte, im Sherwood Forest zu bleiben und die Ordnung der Stadt nicht durcheinander zu bringen. Doch Marians  inständiges Flehen und Robins standfeste Treue zu seiner Geliebten und seinen Gefolgsleuten lassen den König einlenken und führen zur Begnadigung des Titelhelden.

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Marian (Ilia Papandreou) liebt Robin Hood.

Regisseur Jürgen R. Weber ist es wichtig, den zum Mythos gewordenen Helden nicht in einer entfernten Vergangenheit agieren zu lassen, sondern ihn mit Blick auf die zahlreichen Nacheiferer in der Gegenwart zu verorten, genauer genommen sogar in Erfurt. So wird in einer Videoeinspielung während der Ouvertüre das Foyer des Theaters zum Sherwood Forest, und zwei gutsituierte Theaterbesucher werden von Robins Gefolge ausgeraubt. Nach Robins Verhaftung sieht man im dritten Akt in einer weiteren Videoeinspielung den Regisseur bei Protestmärschen durch die Erfurter Innenstadt laufen, wobei er den Protestmarsch mit einem großen "Free Robin"-Schild begleitet. Doch auch wenn nach diesem Ansatz Nottingham überall ist und auf die hintere Leinwand auch Bilder von Che Guevara und Andreas Baader projiziert werden, bleiben die Kostüme bei Robin Hood und seinen Gefolgsleuten doch so, wie man sie aus den zahlreichen Verfilmungen kennt. Einzig eine weiße Theatermaske, die Richard später einem seiner Soldaten aufsetzt, reicht aus, um zu zeigen, dass jeder in die Rolle des Freiheitskämpfers schlüpfen kann.

Der Sheriff und die Bewohner von Nottingham treten in feiner Abendgarderobe auf und korrespondieren somit mit den Zuschauern im Saal. Das Volk von Nottingham sind also die Theaterbesucher höchstpersönlich. Marian und Ellen bewegen sich zwischen diesen beiden Welten. So treten sie zunächst in mittelalterlichen grünen Kostümen, farblich auf Robin und Little John abgestimmt, auf. Erst wenn Marian im Rahmen des Maifestes mit Jeremias verkuppelt werden soll, wird ihre Kleidung modern angepasst, wobei ihr etwas unflätiges jugendliches Gebaren signalisiert, dass die beiden Frauen sich dieser Gesellschaft keineswegs unterordnen werden.

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Der Sheriff von Nottingham (Vazgen Ghazaryan) und seine Frau Kitty (Astrid Thelemann, links) wollen Marian (Ilia Papandreou, Mitte) mit ihrem Neffen verheiraten.

Das Bühnenbild, für das Hank Irvin Kittel ebenso wie für die Kostüme verantwortlich zeichnet, wird größtenteils nur angedeutet, um die Videoeinspielungen (Sven Klaus), die die Inszenierung beherrschen, nicht zu behindern. So hängen im Sherwood Forest die Tannen verkehrt herum von der Decke herab. Soll durch die Aufhängung ausgedrückt werden, dass die Welt Kopf steht? Im zweiten Akt wird Marians Zimmer von vier Zäunen umgeben, die Marian, während sie in einer großen Arie ihre Liebe besingt, mal wegschiebt, dann aber wieder das Zimmer damit verschließt. Vielleicht ist sie sich nicht sicher, ob sie wirklich bereit ist, aus ihrem konventionellen Leben auszubrechen, um wie Robin Hood ein Leben in Freiheit außerhalb der Gesellschaft zu führen. Der Rest wird durch Videoprojektionen angedeutet. Neben diesen projizierten Bühnenbildern gibt es aber auch Einspielungen des Stummfilms von 1922, und - wie in Stummfilmen üblich - wird bei fast jeder Arie die Handlung kurz in einem Satz in weißer Schrift auf die Rückwand projiziert. Im Anschluss an diese inhaltliche Beschreibung kommt stets ein Kommentar, dieses Mal in schwarzer Schrift auf weißem Hintergrund, der das Verhalten der Protagonisten ironisch bricht. Während diese Kommentare bisweilen lustig sind (z. B. der Kommentar zu der den Jungen Ralf verkörpernden Sopranistin Malwina Makala: "Wenn das ein Junge ist, bin ich Jesus" oder "Heul nicht rum, Genosse! Tu was!"), manchmal auch Robins Handeln kritisch hinterfragen, wenn er nur an seine Geliebte und eben nicht an den Kampf für die Freiheit denkt, geht ein Kommentar im dritten Akt aber vielleicht doch zu weit, der - wenn auch nicht ernst gemeint - "Brennt alle Opernhäuser nieder" fordert.

Aber Weber scheint es gerade mit Blick auf die zahlreichen Nacheiferer Robin Hoods wichtig zu sein, die Titelfigur nicht zu idealisieren und stattdessen davor zu warnen, dass jede Utopie auch ihre dunkle Seite hat. So wird dem Theaterbesucher in der Videoprojektion der Ouvertüre nach dem Raub die Kehle durchgeschnitten, was genauso zu weit geht wie die terroristischen Handlungen der RAF oder die Unterdrückung ganzer Völker im Namen des Sozialismus. Dass der Mensch sich mehr von Gefühlen als von Idealen lenken lässt, wird in zahlreichen Phallus-Symbolen und Brüsten dargestellt, die im Stil von Wandbeschmierungen häufig auf die Leinwand projiziert werden oder in das gezeichnete Bühnenbild eingearbeitet werden.

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Was läuft da zwischen König Richard (Peter Schöne, links) und Robin Hood (Markus Petsch, rechts)?

Ambivalent ist die Charakterzeichnung des Königs. Weber scheint, dessen Motiven für die Begnadigung Robin Hoods zu misstrauen, zumal die Geächteten im Wald am Beispiel der Videoprojektionen nicht so harmlos dargestellt werden. Folglich entwickelt Weber eine homoerotische Beziehung zwischen Richard und Robin. Während dies im ersten Akt bei dem Zusammentreffen im Wald nur dezent angedeutet wird und vom König ausgeht, während Robin eher irritiert über die Avancen des Königs wirkt, geht Weber am Schluss zu weit, wenn Robin nach seiner Begnadigung zum jubelnden Schlussgesang nicht seine Vereinigung mit Marian feiert, sondern mit dem König eine Wendeltreppe emporsteigt und wild zu knutschen beginnt, während Marian sich mit Ellen recht unbeteiligt an der ganzen Szene bei einem Picknick Alkohol hinter die Binde kippt. An dieser Stelle hat Weber dann vielleicht doch ein bisschen am Stück vorbeiinszeniert, wobei ihm der Beginn des dritten Aktes noch sehr bewegend gelingt. Richard schreitet zur herrlich sinfonischen Zwischenaktmusik eine Wendeltreppe herab, während Robin auf dem Weg zur Verurteilung eine andere Wendeltreppe emporsteigt. In der Mitte begegnen sich die beiden, halten inne, und Robin übergibt dem König seine Maske. Dieser symbolische Aufstieg der Titelfigur durch die bevorstehende gesellschaftliche Rehabilitierung durch den König und das Interesse des Königs an seinem Volk, das sich in der gesuchten Nähe durch den Abstieg ausdrückt, ist wirklich sehr innig inszeniert. Schade, dass anschließend Marians Bittgesuch mit einem Geigenkasten, dem sie ein Schwert entnimmt, mit dem sie den König ermorden will, die emotionale Tiefe der Musik bricht und karikiert.

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Jeremias (Jörg Rathmann, links) und Tante Kitty (Astrid Thelemann) wollen Robin Hood (Markus Petsch, vorne) an den Kragen (im Hintergrund: Chor).

Gesungen wird auf hohem Niveau. Markus Petsch stattet die Titelpartie mit kräftigem Tenor aus, der sich auch in den Höhen sehr sicher zeigt, und verkörpert darstellerisch einen sehr glaubhaften Freiheitskämpfer. Sebastian Pilgrim steht ihm als sein treuer Begleiter Little John in nichts nach und gestaltet die Partie mit profundem Bass. Auch Ilia Papandreou begeistert als Marian mit sehr lyrischem Sopran, der sich auch in den Höhen durch hervorragendes Textverständnis auszeichnet. Christa Maria Dalby gibt mit sehr jugendlich frischem Sopran eine recht kecke Ellen. Besonders gefällt Peter Schönes kräftiger Bariton in der Rolle des Königs, wobei es ihm auch in der Mimik und Gestik sehr überzeugend gelingt, die Motivation Richards für Robins Begnadigung deutlich zu machen. In den kleineren Partien sind vor allem Malwina Makalas weicher Sopran als Ralf und Vazgen Ghazaryans Interpretation des Sheriffs positiv hervorzuheben.

Das Philharmonische Orchester Erfurt unter Leitung von Johannes Pell versteht es, den sinfonischen Klang dieser romantischen Oper zur vollen Blüte zu bringen und somit zu hinterfragen, ob dieses Werk nicht zu Unrecht dem Vergessen anheim gefallen ist. So gab es am Ende lang anhaltenden und verdienten Applaus für alle Beteiligten. Nur einem Zuschauer ging das Regiekonzept Webers zu weit, was er mit einem einsamen Buhruf beim Auftritt des Regisseurs dokumentierte.

FAZIT

Eine auf die Stadt zugeschnittene Aktualisierung einer völlig unbekannten Oper, ohne dem Werk dabei den Zauber des Mythos zu nehmen, und somit ein großes Opernerlebnis in Erfurt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Johannes Pell

Inszenierung
Jürgen R. Weber

Bühne und Kostüme
Hank Irwin Kittel

Video Artist
Sven Klaus

Licht
Stefan Winkler

Chor
Andreas Ketelhut

Dramaturgie
Arne Langer


Opernchor des Theater Erfurt

Statisterie des Theater Erfurt

Philharmonisches Orchester Erfurt


Solisten

Richard Löwenherz
Peter Schöne

Robin Hood
Markus Petsch

John, genannt "kleiner John"
Sebastian Pilgrim

Ralf
Malwina Makala

Marian, des Sheriffs Mündel
Ilia Papandreou

Ellen, deren Gespielin
Christa Maria Dalby

Der Sheriff von Nottingham
Vazgen Ghazaryan

Kitty, seine Frau
Astrid Thelemann

Jeremias, deren Neffe
Jörg Rathmann

Sir William Blunt /
Hauptmann der Leibwache
Manuel Meyer


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