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Musiktheater
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Adam Schaf hat Angst

Musical in einer Fassung von Sandra Wissmann und Mark Weigel

für das Musiktheater im Revier
Text und Musik von Georg Kreisler


in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 5' (eine Pause)

Premiere im Kleinen Haus des Musiktheaters im Revier am 22. Oktober 2010


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Musiktheater im Revier
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Das gibt es nur bei uns in Gelsenkirchen!

Von Thomas Molke / Fotos von Pedro Malinowski


Nachdem man vor zwei Jahren mit dem Chanson-Abend Piaf zahlreiche ausverkaufte Vorstellungen im Kleinen Haus hatte, hat man sich dieses Jahr in Gelsenkirchen entschieden, ein Ein-Mann-Musical von Georg Kreisler auf den Spielplan zu nehmen. Mit diesem will man einen vergleichbaren Coup landen, auch wenn das Stück nicht so bekannt ist wie die berühmten Lieder der Piaf und man als Theaterbesucher den Komponisten vor allem mit Heute Abend - Lola Blau  verbindet.

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Adam Schaf (Mark Weigel) als Bräutigam mit dem Garderobenständer als Braut über die Ehe.

Dass dieses Musical, das 2002 in Berlin mit Tim Fischer in der Titelpartie seine Uraufführung hatte, an den deutschen Bühnen relativ selten nachgespielt wird, mag daran liegen, dass man für die Rolle des Adam Schaf einen charismatischen Sängerdarsteller benötigt, der aus dem Schatten eines Tim Fischer heraustreten kann, und es vermag, dieser Figur in ihren zahlreichen Facetten Leben einzuhauchen. In Gelsenkirchen ist dies mit Mark Weigel in vollem Umfang geglückt. Er verfügt  sowohl für die satirisch-bissigen, als auch für die gefühlvollen Lieder über eine sehr gute Chanson-Stimme, die nur in den Höhen etwas dünn wird. Dies ist der Rolle aber nicht einmal abträglich, da Adam Schaf selbst ja ein alternder Künstler ist, der den Zenit seiner Karriere bereits überschritten hat. Wie Herr Weigel einerseits den alten Künstler, andererseits den jungen Mann in der Erinnerung mit Leben füllt und die Bühne beherrscht, ist ganz große Schauspielkunst.

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Adam Schaf (Mark Weigel, links) träumt am Klavier (rechts Askan Geisler).

Das Musical spielt in einer Künstlergarderobe. Hier wartet der alte Adam Schaf auf seinen Auftritt in der Operette Gräfin Mariza von Emmerich Kálmán. Allerdings sind die Zeiten, in denen er selbst den Grafen Tassilo spielen durfte, lange vorbei. Jetzt hat er nur noch eine kleine Sprechrolle von zwei Minuten als Diener Tschekko, ein Schicksal, das wohl manch alter unkündbarer Kollege an Theatern mit ihm teilen dürfte. Aber Adam Schaf lässt sich nicht unterkriegen. Wortlos schlurft er aus einem nach hinten weit offenen Raum oder Flur, der den Weg zur Bühne andeutet, in seine Garderobe und baut sich, unterstützt von etwas Cognac, seine eigene Welt auf, um sich in den nächsten zwei Stunden, die es noch bis zu seinem Auftritt sind, auf seine Rolle vorzubereiten. Und sobald er in der Erinnerung vergangener Zeiten schwelgt, legt er seine weiße Perücke ab und mutiert zu einem jungen Mann. Jetzt folgen einige bissige, politisch unkorrekte Kreisler-Lieder aus jungen Jahren. Da erzählt er in "Schwärmerei" von seiner Begeisterung für alles Illegale und teilt dem Publikum mit, dass es froh sein kann, dass er nicht Bundeskanzler sei. Da beschreibt er in "Der Weg zur Arbeit", dass nach dem Krieg zahlreiche Kriegsverbrecher noch die gleichen einflussreichen Posten hätten wie zur NS-Zeit und dass in Deutschland mit der Vergangenheit nicht aufgeräumt worden sei. In "Meine Freiheit, deine Freiheit" stellt er dann den Klassenunterschied zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dar, bis er dann das berüchtigte "Gelsenkirchen"-Lied präsentiert. Dieses Lied, eine satirische Abrechnung mit der Bergbaumetropole, hatte 1961 für Empörung gesorgt, weil sich die damaligen führenden Politiker über die Verunglimpfung der Stadt mit Versen wie: "Wer zu lang dort lebt, bekommt beim Atmen Krämpfe. Aber wer lebt dort schon lang?" erregten. Bei der Premiere tobte in Gelsenkirchen der Saal, aber vor Begeisterung. Und so kommt Adam Schaf mit seinem bissigen Zynismus immer mehr in Schwung, setzt mit "Der Staatsbeamte", einem Hohelied auf Arschkriecherei  noch einen drauf, bevor er dann urplötzlich zu tragischeren Tönen wechselt. Erkennt er doch zu seinem Sekretär eine Zuneigung, die in der damaligen Zeit noch nicht so problemlos war wie heute. Da ist sie also zum ersten Mal: die Angst des Adam Schaf. Also flüchtet er sich in die Ehe, ein Lied, das 1969 Georg Kreislers damalige Frau Topsy Küppers interpretiert hatte und was aus Sicht eines Mannes, der sich eigentlich einen Mann wünscht, eine ganz andere Nuance bekommt. Warum Herr Weigel bei diesem Lied den Garderobenständer, der bei der Hochzeit die Frau darstellt, mit Frau Küppers anredet, wird nicht klar, da das Programmheft die Mutmaßung, Adam Schaf könne eine Autorenfigur sein, explizit zurückweist.

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Adam Schaf (Mark Weigel) bereitet sich auf seinen Auftritt als Tschekko vor.

Nach der Pause geht es wesentlich melancholischer zu. Adam Schaf beklagt, dass ein Großteil der Zuschauer im Theater nur nackte Haut sehen wolle, und sinniert darüber, was in den Zuschauerköpfen wohl vorgehe, "Wenn die Mädchen nackt sind". Wie er dann seine Träume in "Wenn ich lieben dürfte" auslebt, ist sehr anrührend. Da bettet er seine kleine Pinocchio-Marionette auf einem Meer von Tüll. Doch dieser Anflug von Zärtlichkeit ist schnell verflogen, wenn er dann wieder sehr verbittert konstatiert, dass alle Mächtigen und vor allem die Kirche mies seien. Dann wird er auch noch von einer Lautsprecherstimme aus seinen Träumen gerissen und muss sich für seinen Auftritt umziehen. Nachdem er die Perücke wieder aufgesetzt hat, wirkt er wieder so zerbrechlich wie am Anfang. Frustriert stellt er beim Abgang zur Bühne fest "Es hat keinen Sinn mehr, Lieder zu machen", wobei dieses melancholisch klingende Lied sehr brutal im Text fortgesetzt wird: "statt die Verantwortlichen niederzumachen". Ein letzter Aufruf zur Revolte, bevor er als kleines unbedeutendes Licht im Gang zur Bühne verschwindet. Und damit schließt der Abend um einen Menschen, der zwar von Liebe, Selbstverwirklichung, Freiheit und Gerechtigkeit träumt, diese Träume aber aus Angst vor Veränderungen und gesellschaftlichen Repressionen niemals oder nur ansatzweise umsetzt.

Askan Geisler begleitet den Abend am Klavier. Dabei vermag er es grandios  zum einen Melancholie, zum anderen aber auch beißenden Zynismus aus der Musik herauszuholen. Sein Spiel ist stets exakt auf die jeweiligen Gefühlsregungen der Titelfigur abgestimmt. Auch der Regisseurin und Bühnenbildnerin Sandra Wissmann gebührt sehr großes Lob für die szenische Umsetzung dieses sehr anrührenden Alterswerkes, aus dem am Ende dann doch weniger Kampfgeist  spricht als die anfänglichen Lieder vermuten lassen. So muss das Publikum auch trotz tosendem Applaus für alle Beteiligten auf eine Zugabe verzichten. Schade, hätte man doch gerade hier gerne noch einmal "Das gibt es nur bei uns in Gelsenkirchen" gehört. Aber das Stück steht ja noch ein paar Mal auf dem Spielplan.

 

FAZIT

Eine große Ein-Mann-Show mit einem hervorragenden Solisten und wunderbarer Musik in einer sehr stimmigen Inszenierung.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung / Klavier
Askan Geisler

Inszenierung / Bühne
Sandra Wissmann

Kostüme
Andreas Meyer

Licht
Helmut Justus

Dramaturgie
Anna Grundmeier

 




Solist

Adam Schaf
Mark Weigel

 




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Da capo al Fine

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