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Im weißen Rössl

Singspiel in drei Akten von Hans Müller und Erik Charell
frei nach dem Lustspiel von Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg
Musik von Ralph Benatzky

Gesangstexte von Robert Gilbert

Musikalische Einlagen von Bruno Granichstaedten, Robert Gilbert und Robert Stolz

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 55' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 27. November 2010


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Weißes Rössl im Milka-Look

Von Thomas Molke / Fotos von Foto Kühle (Rechte Theater Hagen)

Bei Ralph Benatzkys Singspiel denken die meisten zunächst an Verfilmungen aus den 50er und 60er Jahren, von denen vor allem die Version mit Peter Alexander als Oberkellner Leopold, Waltraut Haas als Rössl-Wirtin Josepha und Gunther Philipp als schöner Sigismund das Bild vom Heimatfilm mit netten Musikeinlagen geprägt hat. Langjährige Besucher des Theater Hagen haben vielleicht auch noch die erfolgreiche Produktion aus dem Jahr 1998 im Tor 2 in Erinnerung, die in sehr intimem Ambiente genau dieses Klischee bediente und zu zahlreichen ausverkauften Vorstellungen führte. Der ursprüngliche Revuecharakter dieses Werkes geht bei all diesen Umsetzungen allerdings weitestgehend verloren. Um dieses Image zu revidieren, orientiert sich das Theater Hagen als zweite Bühne (nach der Dresdner Staatsoperette 2009) an einer Fassung, die sich bemüht, den Stil der Uraufführung zu rekonstruieren. Dabei gilt es, den Spagat zu wagen, einerseits die Erwartungshaltung der zahlreichen Zuschauer nicht zu enttäuschen, die eine Reminiszenz an die ihnen bekannten Verfilmungen erhoffen, andererseits aber auch aufzuzeigen, dass in diesem Stück weit mehr Potenzial steckt. Beides ist dem Produktionsteam um Thilo Borowczak zum großen Teil gelungen.

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Josepha Vogelhuber (Stefanie Smits, Mitte) mit den Kellnern und Stubenmädchen (Ballett-Ensemble) vor dem weißen Rössl.

Schon beim Betreten des Zuschauerraums wird angedeutet, dass hier mit üblichen Sehgewohnheiten gebrochen wird, wird doch der Orchestergraben als großes Schwimmbad angedeutet. Ist das der Wolfgangssee? Wenn man Sigismund Sülzheimer (Richard van Gemert) mit Klärchen (Stefanie Köhm) später dort angeln sieht, kann man diese Frage wohl mit Ja beantworten. Noch bevor die Ouvertüre beginnt, hört man über Mikroports die Darsteller streiten, wer denn heute die Ansage machen darf. Dabei bleibt ein Hinweis auf die finanziell angespannte Situation des Theaters nicht aus. Dass es sich bei der ganzen Rössl-Geschichte um eine Revue handelt, wird dann bei der Ouvertüre wieder aufgenommen, indem die Rössl-Wirtin Josepha Vogelhuber (Stefanie Smits) als Conferencier flankiert vom Ballett auftritt und schon einmal die musikalischen Highlights des Abends ankündigt. Recht aufgesetzt wirkt jedoch, dass der eigentliche Konflikt - Oberkellner Leopold liebt die Rössl-Wirtin Josepha, aber diese schwärmt für den Rechtsanwalt Dr. Siedler - auf die Akteure übertragen wird. So wird in einer Rahmenhandlung angedeutet, dass die Darstellerin der Rössl-Wirtin die Revue verlassen will, um einem Tenor (soll das der Darsteller des Dr. Siedler sein?) aus der Provinz (Hagen?) nach Berlin zu folgen, was dem Bariton (Leopold) missfällt. Diese Spiel-im-Spiel-Geschichte erinnert stark an Kiss me, Kate, wird aber im Gegensatz zu dem erwähnten Musical nicht stringent durchgehalten und führt im zweiten Akt zu  Langatmigkeit und zu einem Stocken der eigentlichen Handlung.

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Im weißen Rössl als Revue (mit Stefanie Smits in der Mitte und dem Ballett-Ensemble).

Dabei hat sich der Bühnenbildner Thorsten Macht mächtig ins Zeug gelegt, um mit einem sehr abwechslungsreichen und fantasievollen Bühnenbild keine Langeweile aufkommen zu lassen. Das weiße Rössl hat die Gestalt einer riesigen runden Puppe, die wie die Dienstmädchen und Josepha selbst ein Dirndl in zartem Milka-Lila trägt. Die üppigen Brüste dieser Puppe sind dabei nur zur Hälfte bedeckt, wobei die Brust über dem Herzen auch noch als Balkon für den von Josepha geliebten Dr. Siedler (Jeffery Krueger) fungiert. Damit wird zwar plakativ, aber auch ironisch darauf Bezug genommen, dass die Rössl-Wirtin das Geschehen beherrscht. Tannen schweben im Hintergrund vor einem blauen Himmel mit weißen Quellwolken, um das kitschige Postkarten-Idyll perfekt zu machen. Die Rückseite der Puppe bietet ein Alpenpanorama mit der Aufschrift "Im Salzkammergut, da kann man gut...". Vor dem Panorama befindet sich eine Treppe in grasgrün, die dann im zweiten Teil des Abends als beleuchtete Revuetreppe fungiert. Und wenn Sigismund mit Klärchen baden geht, wird sogar ein Unterwasserpanorama mit gelbem Kugelfisch und Clownfischen gezaubert, bei dem Findet Nemo Pate gestanden haben dürfte. All das ist liebevoll gestaltet und im Kitsch so übertrieben, dass es schon wieder ironisch wirkt.

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"Im Salzkammergut da kann man gut..." Wilhelm Giesecke (Guido Fuchs) mit dem Ballett-Ensemble.

Auch bei den Kostümen von Martina Feldmann wird ein sehr großer Aufwand betrieben. Die Reisegruppe, die gleich zu Beginn im weißen Rössl einfällt, besteht aus lauter schwarzen Witwen, die von einem Reiseführer (Götz Vogelsang als Schlagerbarde mit Michael Jackson-Outfit) zum Kauf von Wolldecken angetrieben werden. Das Ballett erscheint je nach musikalischer Einlage im feschen Dirndl und knackigen kurzen Lederhosen mit Herzchen auf dem Gesäß, im Kuh-Outfit mit Federfächern, als Kellner in schwarzen Livreen und Stubenmädchen in zartem Lila. Bei "Die ganze Welt ist himmelblau" treten die Herren des Balletts als Tannenbäume auf mit einem kleinen Eichhörnchen im Ast, was dem Kitsch erneut einen ironischen Anstrich verleiht. Auch die Rössl-Wirtin wechselt zwischen Milka-Dirndl und kitschigem Blumenhut, je nach Gesangsnummer. Bei den übrigen Charakteren wird auf eine sehr zeitgemäße Kostümierung geachtet, die weder verfremdet noch karikiert.

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Happy End zwischen Josepha Vogelhuber (Stefanie Smits) und Leopold (Werner Hahn).

Wie bereits 1998 gibt Bariton Werner Hahn den Oberkellner Leopold Brandmeyer, und diese Rolle passt ihm immer noch wie maßgeschneidert. Mit sehr großem darstellerischem Talent verleiht er der Figur einen stereotypen Wiener Schmäh und macht seine unglückliche Liebe zur Rössl-Wirtin glaubhaft. Beim Gesang bleibt er sehr diszipliniert, so dass seine Gefühlsausbrüche in den gesprochenen Passagen etwas intensiver sind. Für die Rolle des Kaisers ist in Hagen natürlich niemand anderes vorstellbar als Kammersänger Horst Fiehl, der diese Rolle mit kaiserliche Würde und stoischer Ruhe verkörpert. Stefanie Smits als Rössl-Wirtin Josepha Vogelhuber ist nach ihrer lustigen Witwe schon so eine Art Markenzeichen für die Operette in Hagen. Mit klangschönem Sopran stattet sie diese Partie aus und überzeugt auch darstellerisch. Dabei wäre es nicht nötig gewesen, die oben erwähnte Rahmenhandlung zu stricken, da sie sich aus der Geschichte heraus einfach nicht motivieren lässt. Leopold fällt während des Stückes im Stück nicht so aus der Rolle, dass die Darstellerin der Wirtin sich über das Verhalten des Baritons in der Revue echauffieren könnte.

Tanja Schun als Ottilie und Jeffery Krueger als Dr. Siedler geben erneut ein musikalisches und optisches Traumpaar ab, das sowohl gesanglich als auch tänzerisch auf ganzer Linie überzeugt. Emanuele Pazienza als Piccolo zeigt sich als Allround-Talent, da er sich einerseits in die von Ricardo Viviani ausgeklügelten Ballettchoreographien wunderbar einfügt, andererseits auch darstellerisch und gesanglich in dieser Partie zu gefallen weiß. Guido Fuchs gibt einen herrlich grantelnden Wilhelm Giesecke mit Berliner Kodderschnauze, der einen netten Kontrast zum beschaulichen Salzkammergut darstellt. Auch die übrigen Rollen sind sehr treffend besetzt.

Bernhard Steiner weiß, mit dem Philharmonischen Orchester Hagen für einen flotten Operetten-Sound mit Revuecharakter zu sorgen. Die Ohrwürmer erklingen schmissig aus dem Orchestergraben, so dass die Melodien auch nach der Aufführung noch lange im Ohr bleiben. Folgerichtig gab es am Ende begeisterten Applaus für die Sängerdarsteller, das Orchester und das komplette Regieteam.


FAZIT

Thilo Borowczak hätte ruhig auf die Qualität des Stückes vertrauen können und auf die Rahmenhandlung verzichten können. Die restliche Inszenierung mit dem knallbunten Bühnenbild und den aufwendigen Kostümen zeigt nämlich, welches Potenzial in diesem Stück steckt.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Bernhard Steiner

Inszenierung
Thilo Borowczak

Bühne
Thorsten Macht

Kostüme
Martina Feldmann

Choreographie
Ricardo Viviani

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Anja Oeck


Opernchor des Theater Hagen

Extrachor des Theater Hagen

Ballett Hagen

Statisterie des Theater Hagen

Philharmonisches
Orchester Hagen


Solisten

*Besetzung der Premiere

Josepha Vogelhuber
Stefanie Smits

Leopold Brandmeyer
Werner Hahn

Wilhelm Giesecke
*Guido Fuchs / Rainer Zaun

Ottilie, seine Tochter
Tanja Schun

Dr. Otto Siedler
Jeffery Krueger

Sigismund Sülzheimer
Richard van Gemert

Prof. Dr. Hinzelmann
Robert Schartel

Klärchen, seine Tochter
*Stefanie Köhm / Susanna Mucha

Der Kaiser
Ks. Horst Fiehl

Der Piccolo
Emanuele Pazienza

Der Reiseführer
Götz Vogelsang

Kathi, Briefträgerin
Verena Grammel

 

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen (Homepage)




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