Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Jekyll & Hyde

Musical in zwei Akten
für die Bühne konzipiert von Steve Cuden und Frank Wildhorn
Buch und Liedtexte von Leslie Bricusse
Musik von Frank Wildhorn
Orchestrierung von Kim Scharnberg
Arrangements von Jason Howland
Deutsch von Susanne Dengler und Eberhard Storz

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)


Premiere im Theater Hagen am 4. September 2010

Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Der Dämon im Forscher

Von Stefan Schmöe / Fotos von Stefan Kühle (© Theater Hagen)

Die Theatersaison beginnt denkbar blutrünstig: Mit dem Schocker-Musical Jekyll & Hyde eröffnet das Theater Hagen die neue Spielzeit – nicht unbedingt geeignet für die ganze Familie, denn für empfindsame Kinderseelen wird dann doch ein bisschen zu lustvoll erwürgt, ertränkt, erstochen und erschossen – aber das jugendliche und erwachsene Premierenpublikum zeigte sich begeistert. Die dunkle Seite des Menschen, eben der Mr. Hyde, zu dem der ehrbare Dr. Jekyll nachts mutiert, erweist sich als ausgesprochen theaterwirksam. Nicht zuletzt deshalb, weil das Hagener Theater sich mit großer Energie darauf stürzt und mit einer hoch konzentrierten Aufführung die Konkurrenz der kommerziellen Musical-Tempel nicht scheuen muss.

Vergrößerung in neuem Fenster Wissenschaftler kurz vor dem Selbstversuch: Dr. Jekyll (Henrik Wager) testet ein Serum, mit dem das Böse im Menschen separieret werden soll

Die Regie von Philipp Kochheim blendet das viktorianische Ambiente der Vorlage (die Novelle von Robert Louis Stevenson aus dem Jahr 1886) völlig aus und siedelt die Geschichte in der Gegenwart an. Das Bühnenbild (Ausstattung: Uta Fink) zeigt die unterkühlt moderne Lobby einer Privatklinik, deren klobige Architektur im Hintergrund an technokratische Bauexzesse der 70er und 80er-Jahre erinnert. Hier ist Dr. Jekyll Forscher und Chefarzt, in seinem Gestaltungsspielraum von einem mäßig interessierten Kuratorium abhängig. Kochheim zeigt nicht die Polarität von Gut und Böse in dieser Figur, es gibt keine Verwandlung des ehrbaren Bürgers in den Triebtäter; vielmehr hat dieser Dr. Jekyll von Beginn an etwas Dämonisches und Gefährliches, das durch die Einnahme des von ihm entwickelten Medikaments nur verstärkt wird. Henrik Wager spielt das großartig, er hat von Beginn an etwas nervös Raubtierhaftes, wie ein eingesperrtes Tier. Die Stimme ist nicht schön, aber er singt mit großer Intensität – auch da zeigt sich der besessene Außenseiter, der sich nicht anpassen kann und will.

Vergrößerung in neuem Fenster

Dr. Jekyll (Henrik Wager) und seine Verlobte Lisa Carew (Tanja Schun)

Kochheim führt einen Mediziner vor, der seine Forschung ohne Rücksicht auf Gesellschaft oder Menschlichkeit kompromisslos voran treibt. Nun ist ein Musical natürlich eher auf Unterhaltung denn auf Gesellschaftskritik angelegt. Kochheim versteht es aber gut, den Plot aus diesem Kontext heraus spannungsvoll zu inszenieren, ohne den Stoff interpretatorisch überstrapazieren zu müssen. Ein Teil der Beklemmung entsteht eben gerade daraus, dass persönlichkeitsändernde oder persönlichkeitssteuernde Stoffe längst nicht mehr der Fantasie angehören. Kochheim bleibt auf der anderen Seite Theaterpraktiker genug, um auch bewährte Elemente wie den vertrottelten Assistenten (Robert Schartel agiert mit viel Spielwitz, zeigt aber auch die Verletzlichkeit der Figur) einzubauen. Und ästhetisch ist die Inszenierung spätestens dann in der You-tube-Gegenwart angekommen, wenn Dr. Jekyll seinen Selbstversuch mit der Videokamera aufzeichnet und sofort am Monitor mitlaufen lässt.

Vergrößerung in neuem Fenster Jekyll (Henrik Wager) und die Prostituierte Lucy (Maricel)

Die unumgängliche Liebesgeschichte, eine klassische Dreierkonstellation mit braver bürgerlicher Verlobter (Tanja Schun aus dem hauseigenen Ensemble spielt und singt das sehr souverän und verleiht der Figur durchaus ein paar interessante Ecken und Kanten) und liebesbedürftiger Prostituierter (Mariel, die bereits bei der deutschen Erstaufführung 1999 in Bremen die Lucy gespielt hat, imponiert mit toller Stimme und viel Bühnenpräsenz), gerät fast ein wenig in den Hintergrund, was nicht weiter schadet. Norbert W. Conrads verkörpert einen sehr akkuraten, eine Spur zu stromlinienförmigen Anwalt Utterson, gleichzeitig Jekylls letzter Freund und Vertrauter. Ein durchweg ausgesprochen spielfreudiges Ensemble, der gute Chor eingeschlossen, wertet auch die kleineren Partien auf. Gefeilt werden könnte hier und da noch an der Textverständlichkeit. Musikalisch gestützt wird das Ganze durch das sehr zuverlässige Philaharmonische Orchester Hagen, das unter der umsichtigen Leitung von Steffen Müller-Gabriel dem Bühnengeschehen den Vorrang lässt, aber jederzeit stilsicher die passenden Klangfarben beisteuert.


FAZIT

Starker Saisonauftakt mit einer zupackenden Musical-Produktion.



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Steffen Müller-Gabriel

Inszenierung
Philipp Kochheim

Ausstattung
Uta Fink

Licht
Ernst Schießl

Choreinstudierung
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Thilo Borowczak


Chor des Theater Hagen

Statisterie des
Theater Hagen

Philharmonisches
Orchester Hagen


Solisten

Jekyll / Hyde
Henrik Wager

Lisa Carew
Tanja Schun

Lucy Harris
Maricel

John Utterson
Norbert W. Conrads

Sir Danvers Carew
Harro Korn

Simon Stride
Raymond Ayers

Lady Beaconsfield
Marilyn Bennett

General Lord Glossop
Orlando Mason

Sir Archibald Proops
Horst Fiehl

Lord Savage
Götz Vogelgesang

Bischof von Basingstoke
Werner Hahn /
* Michael Ophelders

Reverend Brown
Richard van Gemert /
* Jeffrey Krueger

Dr. Poole
Robert Schartel

Spider
Dirk Achille

Soul Girls
*Anja Frank-Engelhaupt /
* Verena Grammel /
* Seija Koecher /
* Nicole Nothbaar /
Margarethe Nüßlein /
Julia Steinhaus


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen (Homepage)




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2010 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -