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Il Trovatore
(Der Troubadour)


Drama in vier Teilen
Text von Salvatore Cammarano
nach dem Drama El Trovador
von Antonio García Gutiérrez
Musik von Giuseppe Verdi


In italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere der konzertanten Aufführung
in der Kölner Philharmonie am 21. Februar 2011

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Oper Köln
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Anja Harteros verzaubert als Leonora

Von Thomas Tillmann

Im Zuge der unübersichtlichen Situation der Renovierung des Kölner Opernhauses hatte man auch ein paar Abende in der Kölner Philharmonie eingeplant: Im Februar wurden drei konzertante Aufführungen von Verdis szenisch ja häufig nicht unproblematischen Troubadour angesetzt, im April gibt es dreimal Parsifal am selben Ort. Ganz ausverkauft war der Konzertsaal indes bei der Verdi-Premiere nicht, was natürlich auch daran liegen mag, dass dort deutlich mehr Plätze zur Verfügung stehen als am Offenbachplatz.

Anja Harteros hat die Leonora als eine ihrer Traumpartien bezeichnet, und man muss nach diesem Rollendebüt sagen, dass sie das richtige Gespür hatte: Ihre Interpretation lebt von dem schönen, edlen Ton, der auch im durchaus kraftvollen Forte bei den herrlich gefluteten Tönen in der Vollhöhe nicht an Qualität verliert, ihr Singen besticht durch die vielen Nuancen und Schattierungen, einen überlegten Umgang mit dem Text. Zudem besitzt die Stimme den großen Vorteil, dass sie trotz des ingesamt lyrischen Fundaments eine tragfähige, farbige Mittellage und Tiefe hat und ihre Besitzerin da nicht mogeln oder grob werden muss, und sie verfügt auch über ausreichend Agilität, um die verzierten Passagen etwa der Cabaletta, von der sie leider nur einen Vers singen durfte, tadellos zu bewältigen, wobei ich einen ähnlichen Eindruck hatte wie nach Violettas "Sempre libera" in der vor kurzem hier besprochenen CD-Einspielung der Traviata, nämlich dass die Künstlerin ganz erleichtert ist, wenn die dezidiert virtuosen Herausforderungen hinter ihr liegen. Ganz wunderbar schwebende Töne gelangen Anja Harteros erwartungsgemäß in der Klosterszene, allein das hohe B in der Phrase "deh, pietosa gli arreca i miei sospiri" vor der zweiten Arie lohnte den Besuch des Konzerts, die herrlich ausgesponnenen Phrasen, die souveränen Triller, das Ausschöpfen der gesamten dynamischen Bandbreite im "D'amor sull'ali rosee" rechtfertigten den langanhaltenden Applaus alle Mal, sie besaß auch die nötige Agilität für das "Tu vedrai", und spätestens im "Mira, di acerbe lagrime" (vor dem sie kurz abging) hatte man das Gefühl, dass die Künstlerin auch wirklich einmal "losließ" und ohne allzugroßes Kalkül durchaus beherzte, frauliche Töne produzierte, und auch das herzzerreißende "Prima che d'altri vivere" verdient ausdrückliche Erwähnung.

Eine gute Wahl für die Azucena war Andrea Edina Ulbrich, die die Zigeunerin 2010 auch in der Arena di Verona gegeben hat: Sie hat das richtige reife Timbre für diese Partie (einzelne etwas steifere, stumpfere Töne fielen angesichts der großen Gesamtleistung kaum ins Gewicht), die Stimme ist nicht riesig, aber durchschlagkräftig, wenn es darauf ankommt, und transportiert das Geheimnisvolle und Gefährliche dieses düsteren Charakters, aber auch die Verletztheit der Figur, die Ungarin hat viel Persönlichkeit und Mut zu kräftigen Farben - und zu hohen Tönen, die sich eine andere vielleicht nicht getraut hätte. Und auch in der tiefen Lage kam sie nicht in Verlegenheit und musste nie vulgär werden, eine erfahrene Künstlerin eben, die weiß, was sie kann.

Kiril Manolov, der anstelle des zunächst angekündigten Thomas J. Mayer den Luna sang, besitzt einen satten, dunklen Bariton, eine mächtige Stimme in einem mächtigen Körper, aber er hat mit der vergleichsweise hohen Tessitura dieser Partie durchaus seine Mühe, namentlich im "Il balen" und in weiteren höher gelegenen Passagen. Im Piano hörte man mitunter flache, ertrotzte und kratzige Töne, und manche Phrase drang auch etwas ungeschlacht ans Ohr.

Einen zwiespältigen Eindruck hinterließ Giuseppe Gipali (sein eigentlicher Name soll nach youtube-Quellen Josif Gjipali sein, und er soll in Albanien eine Karriere als Rockstar gehabt haben, bevor er sich der Oper zuwandte) in der schwierigen Titelpartie: Aus dem Off hörte man eine angenehm bronzen timbrierte, runde, legatostarke, technisch sehr souverän geführte Stimme mit unverkrampfter Höhe, man bewunderte die generöse Phrasierung und den elegischen Ton im "Ah si, ben mio" (nachzuhören auf youtube-Ausschnitten aus einer Aufführung in Lausanne aus dem Jahre 2009, die auch dokumentieren, dass er die wegen der traditionellen Interpolationen gefürchtete Stretta sehr viel besser singen kann als an diesem Abend in Köln) und wunderte sich, warum in vielen anderen Momenten die Stimme so eindimensional leise klang, mitunter in den (freilich auch wenig kontrollierten) Orchesterfluten unterging und dann kaum noch auszumachen war. Man wurde den Eindruck nicht los, dass der Künstler, der ja immerhin in Häusern wie der Wiener Staatsoper, der Mailänder Scala, am Royal Opera House Covent Garden, an den Pariser Opernhäusern oder den Staatsopern von Hamburg und München reüssierte, vor Studiomikrofonen ein exzellenter Manrico sein könnte.

Über Mirco Palazzis Mitwirkung bei einer konzertanten Aufführung der Lucrezia Borgia in Liège hatte ich geschrieben, dass er den Alfonso "mit Energie und Vehemenz, aber ohne Poltern und reißerische Effekte" gab; der zweite Teil der Bemerkung traf zweifellos auch auf seinen Ferrando zu, aber es waren genau diese Energie und Vehemenz, die die Erzählung gebraucht hätte, um nicht so belanglos und langatmig am Ohr des Zuhörers oder der Zuhörerin vorbeizurauschen; gerade ein Muttersprachler müsste mehr aus diesem Part machen, da nützt die größte Akkuratesse bei schnelleren Notenwerten nichts. Das Ensemble ergänzten Adriana Bastidas Gamboa als durchaus individuelle Inez, Alexander Fedin als souveräner Ruiz, Jong Doo Park als alter Zigeuner und Jeongki Cho als Bote, und auch die Damen und Herren des Chores in der bewährten Einstudierung von Andrew Ollivant erhielten für ihre ansprechende Leistung nicht nur nach dem Zigeunerchor viel Applaus.

Dem Vernehmen nach dirigierte Markus Stenz mit diesem Trovatore seinen ersten Verdi, und natürlich setzte er dabei einige eigene Akzente, aber in erster Linie bleiben gehetzt wirkende, übertrieben schnelle Tempi in Erinnerung, die die Mitwirkenden mitunter an Grenzen führten, an interpretatorischer Tiefe hinderten und die meistens ein Zeichen von Unsicherheit sind, dazu kam vor allem im ersten Teil ein viel zu lauter, mitunter arg plärrender, ungehobelt lauter Orchesterklang, eine bemerkenswerte Unfähigkeit, die Solisten wirklich flexibel zu begleiten und sie zu unterstützen, zu inspirieren. Wie gut dieses Kollektiv Verdi spielen kann, hat man angesichts der Aida-Aufführungen noch gut im Ohr, und vielleicht hätte man gut daran getan, Will Humburg auch für diese konzertanten Aufführungen der früheren Verdioper zu engagieren. Nicht ganz klar ist mir, wie gut die Kommunikation zwischen den Sängern und dem musikalischen Leiter war und ob erstgenannte wenigstens aus dem Augenwinkel Kontakt zum Dirigenten halten konnten, der diesen von sich aus meiner Beobachtung nach kaum je suchte. Gerade dieser aber hätte das Starre seines Dirigats abmildern können, hätte für die nötige Flexibilität sorgen können.

Was mich zudem störte, war der Umstand, dass die Sängerinnen und Sänger (auch jene des Chores) jeweils nur für ihre Auftritte auf die Bühne kamen und "ablieferten". Das Werk ist nicht so lang, als dass man nicht die gesamte Zeit auf dem Podium verbringen könnte, ein paar Stühle hätte man da ganz sicher noch untergebracht, und elegante Wassergläser und -karaffen sollten in der Philharmonie ebenfalls aufzutreiben sein.



FAZIT

Wirklich glücklich konnte der Verdifreund mit diesem vor allem orchestral ziemlich groben Trovatore kaum werden, aber vor allem die Leistungen der beiden Damen machten diesen Konzertabend doch zu einem, an den man sich erinnern wird, zumal die Sopranistin sich als erste Interpretin der Leonora empfahl und ihre Partie sicherlich bald auch an größeren Häusern und szenisch wiederholen wird.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Markus Stenz

Chorleitung
Andrew Ollivant




Chor der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

Leonora
Anja Harteros

Inez, deren Vertraute
Adriana Bastidas Gamboa

Graf von Luna
Kiril Manolov

Ferrando
Mirco Palazzi

Azucena
Andrea Edina Ulbrich

Manrico
Giuseppe Gipali

Ruiz, Manricos
Vertrauter

Alexander Fedin

Ein alter Zigeuner
Jong Doo Park

Ein Bote
Jeongki Cho



Weitere Informationen
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