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Euryanthe

Große heroisch-romantische Oper in drei Akten
Text von Helmina von Chézy
Musik von  Carl Maria von Weber


In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln
Dauer: ca  3 ¼  Stunden – eine Pause
Premiere am 29. Mai 2010
Rezensierte Aufführung am 25. September 2010

Homepage des Badischen Staatstheaters Karlsruhe
Badisches Staatstheater Karlsruhe
(Homepage)

Eine Tote in der Gruft

Von Christoph Wurzel  / Fotos: Jacqueline Krause-Burberg



Inmitten seiner Ouvertüre zu „Euryanthe“ hat Carl Maria von Weber zwischen schwungvollen Jubel und schmetternde Fanfaren eine kurze geheimnisvoll verhangene Largopassage eingebettet, die musikalisch ein Motiv einführt, das für den Fortgang der Handlung bedeutsam wird. Es ist die Beschwörung von Emmas Geist, der Schwester Adolars, die wegen ihres Selbstmords im Grabe keine Ruhe finden kann. Erst durch Euryanthes am Ende der Oper erwiesene Unschuld wird sie Erlösung finden. Bis dahin wiederholt sich dieser musikalische Gedanke im Verlauf der Oper mehrfach und Weber nimmt so gleichsam Wagners Leitmotivtechnik vorweg. Ebenso wie Wagner schwebte auch Weber eine poetische Verschmelzung der Bühnenkünste  Musik und Drama vor. Er nannte sie „Schwesterkünste“, jener sprach dann vom „Gesamtkunstwerk“. Bei Wagner erzählt das sprechende Orchester viel vom untergründigen Handlungs- und Motivgeflecht, Weber hat dies im Ansatz schon in „Euryanthe“ vorgeführt.

 

Was bei Weber also nur musikalischer Gedanke ist, dass nämlich Emma aus dem Grab entsteigt, um unerlöst umherzugeistern, bis sie schlussendlich zur ewigen Ruhe findet, wird in dieser Karlsruher Inszenierung dem Zuschauer durch ihre Bühnengegenwart in Gestalt einer grau verschleierten Schauspielerin augenfällig vorgeführt. Dabei arbeitet diese szenische Verdoppelung der musikalischen Aussage, diese Nachhilfe in Phantasie, einer gegenseitigen Verschränkung der künstlerischen Ausdrucksebenen entgegen. In der konzentrierten und genau gearbeiteten Personenführung dieser Inszenierung lenkt Emmas Geräkel und Geschleiche also eher ab. Was dagegen leider unterbleibt, ist eine kritische Distanz zu dem abstrusen Aberglauben von der Todsünde einer Selbsttötung.


 

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Die böse Eglantine missbraucht Euryanthes Vertrauen und entlockt ihr ein Familiengeheimnis
(links: Edith Haller als Euryanthe, Christiane Libor als Eglantine / Premierenbesetzung)

 

Auch darüber hinaus wimmelt die Handlung, die Helmina von Chézy nach einem französischen Ritterroman zusammengedichtet hat, von verworrenen Elementen. Ihre psychologische Glaubwürdigkeit ist schwach,  die Dramaturgie alles andere als schlüssig, der Vers klappert, die Worte sind allzu schlicht und schal. Dieses unsägliche Libretto mag auch der Grund dafür sein, dass „Euryanthe“ keinen festen Platz im Opernrepertoire finden konnte. Umso mehr ist es dem Badischen Staatstheater zu danken, eine szenische Aufführung gewagt zu haben.

 

Robert Aeschlimanns Inszenierung erzählt die Handlung vom Blatt in klaren Szenentableaus und mit genau gezeichneten Charakteren im Einheitsbild einer postmodern abstrahierten Treppenlandschaft von Jan Eßinger. Durch die leicht ritterzeitlich inspirierten Kostüme von Andrea Schmitt-Futterer werden die Figuren noch zusätzlich charakterisiert – die heuchlerische Verleumderin Eglantine mit feuerrotem Schopf, der intrigante Lysiart mit schwarzer Tarnkappe und verdecktem Auge, Euryanthe in unschuldigem Weiß und ihr ebenso einfältig wie starrköpfiger Bräutigam Adolar mit jugendlich gestylter Frisur. Als Stilbruch wirkt in dieser Gesellschaft der allzu offensichtlich als naiv karikierte König, dessen unbedarfte Schwäche die Intrige des bösen Paares Lysiart und Eglantine machtlos geschehen lässt. Der Chor als schwarzer Block gepanzerter Ritter und bis auf das Gesicht verhüllter höfischer Frauen ist ohne jede individuelle Zeichnung als bedrohliches Kollektiv gestaltet.


Was wirklich diese Oper aufführenswert macht, ist Webers exzellente Musik, die zwar nicht mit der unmittelbaren Volkstümlichkeit des „Freischütz“ aufwarten kann, aber  zupackende Dramatik mit schönster lyrischer Melodik vereinigt. Wagners große Verehrung gerade auch für diese Oper mag nicht nur durch viele verwandte Motive (von der Verschwörung eines „schwarzen“ gegen ein unschuldiges Paar bis hin zum Erlösungsgedanken) getragen sein, sondern auch von Webers eminentem Klanggefühl. Hiervon ist vor allem im dritten Akt in der Karlsruher Aufführung viel zu hören. Christoph Gedschold lässt das Orchester beherzt musizieren, leuchtet die Partitur nach allen Seiten genau aus, bringt die klanglichen Raffinessen der romantischen  Tonsprache zu voller Blüte.


Vergrößerung in neuem FensterDer finstere Lysiart (rechts: Armin Kolarczyk) packt Adolar (Bernhard Berchtold) bei seiner Ehre: „Euryanthe ist nicht treu!“
(Foto der Premierenbesetzung)



 

 

Vier große, schwierige Rollen sind zu besetzen. Ein Glück, dass in Karlsruhe ein gutes Sängerensemble zur Verfügung steht. Als Euryanthe  hat Christiane Libor das Kunststück vollbracht, in einer Produktion zwei Hauptrollen zu beherrschen – und dies brillant. In der Premierenserie (letzte Spielzeit) sang sie die tiefere Partie der Eglantine, nun in der Wiederaufnahme die höhengespickte Titelpartie ohne Makel. Sabina Willeit singt nun mit runder Mezzostimme die Rolle der Eglantine und überzeugt rollendeckend mit tückischem Habitus. Viel lyrisches Potential braucht es für die Rolle des Adolar, des edlen, aber in blindem Ehrverständnis gefangenen Ritters, des schwärmenden, minnesingenden Liebhabers. Klaus Schneider kommt diesem Ideal im Laufe des Abends näher, muss sich aber erst frei singen, hat mit der Höhe zu kämpfen. Einen mustergültigen Finsterling stellt Stefan Stoll in der Rolle des Lysiart auf die Bühne. Chor und  Extrachor des Badischen Staatstheaters sind von der Regie weitgehend zum Herumstehen verurteilt,  gesungen wird allerdings genügend differenziert.


 

Fazit

 

Nicht nur Emma, auch diese Oper selbst liegt unerlöst in der Gruft – der Gruft des Opernrepertoires. Der szenischen Wiederbelebung fehlt es in Karlsruhe an der nötigen Vitalität, der musikalische Puls allerdings schlägt heftig genug.



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Produktionsteam

 

Musikalische Leitung
Christoph Gedschold

Regie
Roland Aeschlimann

Bühnenbild
Jan Eßinger

Kostüme
Andrea Schmidt-Futterer

 
Chor
Ulrich Wagner

Licht
Gerd Meier

Dramaturgie
Margit Poremba

Choreografische Mitarbeit
Benito Marcelino

Badische Staatskapelle

Badischer Staatsopernchor

Extrachor des
Badischen Staatstheaters

Kinderchor der
Lutherana Karlsruhe

Statisterie des
Badischen Staatstheaters


Solisten


König Ludwig VI.
Alexander de Paula
 

Adolar, Graf zu Nevers
Ks. Klaus Schneider
Bernhard Berchtold*

Euryanthe von Savoyen, Adolars Braut
Christiane Libor

Lysiart, Graf zu Forest
Stefan Stoll

 

Eglantine von Puiset
Sabina Willeit

Berta, ein Landmädchen
Özgecan Gencer

Rudolph, ihr Bräutigam
Marcelo Angulo

Emmas Geist
Tina Eberhardt



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Badischen Staatstheater
Karlsruhe

(Homepage)



Da capo al Fine

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