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Komödie. Oder doch mehr Schwank. Auf jeden Fall gutes Ensembletheater.
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Matthias Stutte
Im Spielkartenland: Die Zauberer Tschelio und Fata Morgana spielen um das Schicksal des Prinzen
Bist Du ein Zauberer, oder bist Du vom Theater? Das ist in der Liebe zu den drei Orangen nicht immer ganz klar. Sergej Prokowjew wirbelt die unterschiedlichen Ebenen kräftig durcheinander, gleich im Prolog schon, in dem verschiedene Gruppen von Theaterbesuchen darüber streiten, was gespielt werden soll: Tragödie, Komödie, romantisches Liebesstück oder Schwank. Dieses Publikum im Theater auf dem Theater greift immer wieder ein, und solche Vielschichtigkeit dürfte den Komponisten mehr interessiert haben als der eigentliche Märchenstoff. Antirealistisch, antipsychologisch, auch antipathetisch soll diese Oper sein, zwischen 1919 und 1921 entstanden, und stellt sich damit gegen die große romantische Oper und ihre Nachfahren wie Richard Strauss oder Giacomo Puccini. Tempo, Witz und Ironie statt großem Pathos wobei Prokofjew keineswegs so radikal war, alles über Bord zu werfen. In den einzelnen Szenen nämlich darf sich die Musik durchaus entfalten, 'mal impressionistisch zart, dann wieder grell und scharf. Die Bösen: Prinzessin Clarisse, Minister Leander und Smeraldina
In Krefeld beschwören Chefdirigent Graham Jackson und die sehr guten Niederrheinischen Sinfoniker die vielfältigen Klangfarben äußert plastisch herauf. Übervater Richard Wagner klingt immer wieder an, wobei er von Prokofjew selten exakt zitiert, aber oft mitgedacht wird. Es wagnert gehörig durch den Abend, aber immer sehr differenziert und transparent. Manchmal klingt das alles fast zu schön, könnte noch mehr parodistisch aufgeladen sein. Der Prinz zwischen König und Höfling Pantalon
Natürlich steht in der Regieanweisung, dass König Treff gekleidet sein soll wie der König im Kartenspiel, und das Kartenspiel selbst hat ja auch dramaturgische Funktion (die Zauberer spielen Karten um das Schicksal des Prinzen). Dennoch wirkt das Bühnenbild (Ausstattung: Robert Schrag) mit aus überdimensionalen Spielkarten gefalteten Türmen und Begrenzungen ein wenig behäbig. Überzeugender sind Schrag die meisten Kostüme gelungen, etwa das vertrottelte Aussehen des Prinzen, der, kaum von einer Dauerdepression genesen, per Fluch zur Liebe zu den drei berühmten (aber märchenhaft schwer zu erlangenden) Orangen verdonnert wird. Dennoch bleibt die Märchenhandlung ein buntes, aber harmloses Spektakel, das recht brav der Vorlage folgt, ohne deren Absurdität vollends auszureizen ein tieferer Interpretationsansatz lässt sich da nicht erkennen. Hofnarr Truffaldino in den Fängen der unheimlichen Köchin
Die Vorzüge der wenn auch nicht übermäßig witzigen, so doch durchweg amüsanten Inszenierung liegen in der ordentlichen und recht detaillierten Personenregie. Da bewährt sich ein spielfreudiges Ensemble ohne Ausfälle, aus dem musikalisch die beiden Tenöre herausragen: Daniel Kirch ist zwar mehr Spiel- als Heldentenor und etwas eng in der Höhe, gestaltet den Prinzen aber facettenreich und mit dem richtigen Maß zwischen Ernst und Karikatur. Markus Heinrich hat als Truffaldino die direktere Stimme mit mehr metallischem Glanz, den er kontrolliert einsetzt. Aber auch in den vielen anderen Partien hört man durchweg Erfreuliches: Das ist schönstes Ensembletheater, wie es vielleicht vor 30 Jahren an den Stadttheatern die Regel war, heute bei geschrumpften und zusammengestrichenen Personalplänen aber kaum noch zu realisieren ist. Umso mehr wiegt, dass die Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld Mönchengladbach, die sich finanziell hart am Rande des Abgrunds bewegen müssen, diese Kultur bewahren können. Fast am Ziel: Der Prinz und die letzte der drei Orangen
Überhaupt kann man die Aufführung auch so sehen, dass hier unprätentiös Repertoirepflege betrieben wird, die nicht nach irgendwelchen Regietheatersternen greift, aber solide das Stück in den Mittelpunkt stellt. Anteil daran haben nicht zuletzt die klangprächtigen Chöre, die hier, auch szenisch gefordert, Beachtliches leisten, auch wenn es (noch) ein paar Wackler zwischen Chor und Orchester gibt. Und noch etwas ist erwähnenswert: Es wird, im Chor wie von den Solisten, durchweg textverständlich gesungen, sodass die Übertitel weitgehend entbehrlich sind.
Nicht unbedingt eine spektakuläre, aber eine durch und durch solide Produktion. Familientauglich. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Chor
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der Premiere
König Treff / Köchin / Herold
Der Prinz, sein Sohn
Prinzessin Clarisse, Nichte des Königs
Leander, Erster Minister
Truffaldino, ein Spaßmacher
Pantalon, ein Höfling / Farfarello, ein Teufel
Tschelio, ein Zauberer
Fata Morgana, eine Zauberin
Linetta
Nicoletta
Ninetta
Smeraldina
Zeremonienmeister
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