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Oper von bewegender Aktualität Von
Ursula
Decker-Bönniger /
Fotos von Michael Hörnschemeyer Ist
es das Psychodrama, die Selbstfindung einer von Lebensängsten
erschütterten jungen Frau, das Thema Mitmenschlichkeit in einer
verrohten, von Schrecken und Gewalt beherrschten Gesellschaft oder die
Problematisierung einer religiösen Verklärung von Tod
und Leid? Für welche Interpretation des freiwilligen Opfertods von
Blanche de la Force und ihren Mitschwestern auch immer man sich
entscheidet - die Aktualität der in Münster zum ersten Mal zu
sehenden Oper Dialogues des
Carmélites von Francis Poulenc berührt stärker
denn je. Erstmalig griff Gertrud von le Fort 1931 in der Novelle Die Letzte am Schafott das
Schicksal der Karmeliterinnen von Compiègne auf - ein Leiden,
das mit Beginn der französischen Revolution einsetzte und 1794 mit
dem Tod durch die Guillotine endete. Die zum katholischen Glauben
konvertierte Gertrud von le Fort verband die historisch verbürgten
Ereignisse mit dem autobiographisch motivierten Schicksal einer jungen
Adeligen namens Blanche de la Force. Diese sucht - von
Verfolgungsängsten geplagt - Zuflucht bei den Karmeliterinnen.
Nach Plünderung und Entweihung ihrer Zuflucht flüchtet sie
ins elterliche Haus, wo sie später als Dienstmagd arbeitet - ihr
Vater ist guillotiniert, der Bruder ins Ausland geflüchtet. Als
Blanche von der Verurteilung ihrer Mitschwestern erfährt,
fühlt sie sich dem gemeinsamen Martyriumsgelöbnis
verpflichtet. Um Constance, die als Letzte übriggeblieben ist, in
der Einsamkeit des Todes beizustehen, stimmt sie in das Salve Regina
ein und geht freiwillig aufs Schafott. In der stimmigen, münsterschen Inszenierung von Andreas Baesler beeindruckt vor allem das Bühnenbild von Kaspar Zwimpfer. Während die Begegnung zwischen dem Marquis de la Force und seinem Sohn in einem Kaminzimmer der Familie stattfindet, wählt Zwimpfer für die folgenden Bilder einen schmucklosen, nackten Raum, dessen direkte und indirekte Beleuchtung, hohe, perspektivisch ausgerichtete Wände symbolisch und eindrucksvoll Blanches Innenwelt mit all den Sehnsüchten und Grenzerfahrungen wiederspiegeln. Wie ein roter Faden hält dieser multifunktionale Raum die schnell wechselnden Bilder der Oper zusammen, wandelt sich mit kleinsten Veränderungen - bspw. mittels eines Klausurgitters - vom Klostergarten zur Krankenzelle der Priorin, vom Gefängnis zum Richtplatz. In seiner Mitte befindet sich - in Anlehnung an die Klosterarchitektur des mexikanischen Architekten Luis Barragan - ein himmelwärts strebender, "sakraler Turm", der im letzten Bild zum Schafott mutiert.
in
der Krankenzelle der sterbenden Priorin Geschickt betont Baesler die Aktualität des Geschehens, indem er
dem Zuschauer selbst die Einordnung in einen möglichen
historischen Rahmen überlässt und seine plakative
Bildersprache ganz auf die dramatisch-psychologische Bewegung der
Dialoge konzentriert. Packend
auch die Musik. Ob hämmerndes, gleichmäßiges
Glockengeläut oder von den Streichern weich abgefederte
Marschbewegungen, das Sinfonieorchester Münster lotet unter der
Leitung von Thorsten Schmid-Kapfenburg die verschiedenen
Ausdrucksebenen der Oper sensibel und differenziert aus. Dabei erinnert
das als Auftragswerk 1957 an der Mailänder uraufgeführte Werk
eher an die traditionelle, veristische Sprache eines Mussorgskij,
Puccini oder Berlioz als an die seriellen, elektronischen und
aleatorischen Kompositionen seiner Zeitgenossen. FAZIT Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
ProduktionsteamMusikalische LeitungThorsten Schmid-Kapfenburg Inszenierung Andreas Baesler Bühne Kaspar Zwimpfer Kostüme Caroline Dohmen Chor Donka Miteva Dramaturgie Jens Ponath Chor der 11 Karmeliterinnen Chor und
Extrachor
SolistenBlanche
de la Force Marquis
de la Force Der
Chevalier Mme
Lidoine Mutter
Marie
Weitere
Informationen |
- Fine -