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Musiktheater
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Die Fledermaus


Operette in drei Akten
Text von Richard Genée
nach der Komödie "Le Réveillon"
Musik von Johann Strauss


in deutscher Sprache 

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus der Städtischen Bühnen am 16. Januar 2011
(rezensierte Vorstellung: 29. Januar 2011)


Logo: Städtische Bühnen Münster

Städtische Bühnen Münster
(Homepage)
Glücklich ist, wer vergisst...

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Michael Hörnschemeyer

Es gibt offenbar zwei Möglichkeiten eine Operette zu inszenieren. Entweder man entrückt fantasievoll den Alltag in die Ferne oder man trotzt dem grauen Alltag verrückte Anomalien ab. Die 1874 in Wien uraufgeführte Fledermaus von Johann Strauss gehört eher zur letzteren Kategorie. Sie spielt zwischen frühem Abend und frühem Morgen im kaiserlichen Wien der österreichisch-ungarischen Monarchie  – einer Zeit, deren Lebensgefühl zwischen Börsenkrach und 1873 stattfindender Weltausstellung schwankt. Hermann Broch spricht von Wertevakuum, Stefan Zweig von festgefügter, gesellschaftlicher Rangordnung, die von Intellektuellen oder reichen Unternehmern durchbrochen werden konnte, indem sie durch Geist oder Geld einen Adelstitel erwarben.

Szenenfoto

abendliches Rendez-vous von Rosalinde und Alfred

In Johann Strauß’ Fledermaus will sich Rentier Gabriel von Eisenstein noch kurz vor Antritt seiner 8-tägigen Haftstrafe auf einem Fest vergnügen. Auf den Tip seines Freundes Dr. Falke hin spioniert Ehefrau Rosalinde ihrem Mann nach, um sich für die eigenen Affären nicht entschuldigen zu müssen. Stubenmädchen Adele hat Ausgehverbot und Notar Dr. Falke will sich für den üblen Streich seines Freundes Eisenstein rächen. Ort der Wiederbegegnung all dieser vergnügungssüchtigen, ihre Identität wechselnden Persönlichkeiten und Schichten ist ein Ball beim gelangweilten Prinzen Orlofsky. Und wenn sich im Champagner-Festrausch gegen Ende des 2. Aktes alle duzen, angeregt miteinander plaudern, zum langsamen Walzer drehen und – speisen, wird auf der Bühne eine gesellschaftliche Utopie vorweggenommen, die an Aktualität nichts eingebüßt hat.

Intendant Wolfgang Quetes, der gegen Ende dieser Spielzeit in den verdienten Ruhestand geht, verabschiedet sich beim musiktheaterbegeisterten münsterschen Publikum mit einer angestaubten Inszenierung, die just diesen Rauschmoment, den eigentlichen Höhenpunkt der Operette ausspart. Hatten vorher phantasievolle Kostüme und kitschige Beleuchtung die wenig bewegungsfreudige, immer fotogen gestellte Festgesellschaft in Szene gesetzt, verdunkelt sich zu Beginn des Soupers, vor dem Finale des 2. Aktes, plötzlich die von blauem, blendendem Neonlicht umrahmte Guckkastenbühne. Statt Walzer-, Polkaklängen und Csardas wird das Ohr nun mit Schmatzen, Geschirr- und Besteckgeklapper verwöhnt. Doch die eventuell als Provokation gedachte Verfremdung verpufft, weil mit dem anschließenden Champagnergalopp dieselbe wenig spielerische, spannungslose Darbietung wiederaufgegriffen wird. In zu langen, farblosen, gesprochenen Dialogabschnitten wird die Geschichte erzählt. Ironische Kommentare, Gesten o.ä., die die Figuren näher beleuchten, ihre  Doppelbödigkeit offen legen, fehlen meistens. Bspw. sitzen Rosalinde, Adele und Eisenstein in ihrem walzerseligen Terzett „So muss allein ich bleiben“ sittsam und stumpf auf dem Sofa.

Balthes verlegt den ersten Akt in ein mit rotem, mittig plaziertem Sofa, Radio, Monstera-Tapete und entsprechender Zimmerpflanze ausgestattetes bürgerliches Wohnzimmer der 1950er Jahre. Im Unterschied zu dieser Armut verratenden Sparsamkeit wird das Auge - wie sollte es in einer konventionellen Operette anders sein -  mit Kostümen aus kostbaren, im 2.Akt phantasievollen Materialien verwöhnt. Die Deckenbeleuchtung im selbigen greift den Lampenhimmel der Städtischen Bühnen auf, aber der intendierte Lokalbezug beschränkt sich bei Wolfgang Quetes auf die Erinnerung an westfälischen Schinken und den Hinweis auf zu niedrige Gagen.
Geradezu kafkaesk wirkt die mit Aktenordnern tapezierte Amtsstube im 3. Akt. Passend dazu ein betrunkener Schließer Frosch, der sich wankend den nicht vorhandenen Staub vom Amtjackett wischt, die Aktentasche und -ordner benutzt, um Slibowitz zu transportieren bzw. zu verstecken.

Szenenfoto

Stelldichein in der Amtsstube des Gfängnisses

Unter der Leitung Hendrik Vestmanns präsentiert das Sinfonieorchester Münster eine wienerische Tanzatmosphäre verbreitende, schwungvolle Ouvertüre mit Tempo rubato und Verzierungen. Leider verliert sich dieser variantenreiche, musikalische Fluss im Laufe der Akte und macht zusammen mit Chor und Solisten dem Gesamteindruck einer solide einstudierten, in vielen Ensembles auch überzeugenden Darbietung Platz.

Daniel Brenna singt textverständlich. Sein agiler, lyrischer Tenor stellt einen selbstverliebten, sich plump anbiedernden Gabriel von Eisenstein dar. Katharina E. Leitgelb übernahm textverständlich artikulierend und mit klangvoll schwingendem Sopran in  dieser Vorstellung die Rolle der Ehefrau Rosalinde. Bariton David Pichlmaier ist ein klangvoller Dr. Falke, der  in weißem Jackett und Fliege sein intrigantes Spiel treibt. Judith Gennrich interpretiert anschaulich den Prinzen Orlofsky. Kleine Unsicherheiten im Zusammenspiel mit dem Orchester entschädigt Midaugas Jankauskas mit engagiertem Spiel, als Sänger Alfred fehlt ihm jedoch das schmachtend Verführerische. Star des Abends ist - mit leicht gesetzten Spitzentönen, großer, auch mal komischer Bühnenpräsenz und anschaulicher Interpretation vor allem der letzten Arie - Henrike Jakob als Stubenmädchen Adele.


FAZIT

Eine biedere, in Einzelakte zerfallende, handlungsorientierte, musikalisch solide Inszenierung


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Hendrik Vestmann

Regie
Wolfgang Quetes

Bühne
Heinz Balthes

Kostüme
José Manuel Vázques

Lichtdesign
Matthias Hönig

Choreographie
Tomasz Zwozniak

Chor
Donka Miteva

Dramaturgie
Wilfried Harlandt



Chor der
Städtischen Bühnen Münster

Sinfonieorchester
der Stadt Münster


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Gabriel von Eisenstein
*Daniel Brenna/
Fritz Steinbacher

Rosalinde
Annette Johansson/
*Katharina E. Leitgelb

Adele
Henrike Jakob
 
Dr. Falke
Rafael Bruck/
*David Pichlmaier

Dr. Blind
Thomas Stückemann

Frank
*Andreas Becker/
Donald Rutherford
 
Prinz Orlofsky
Judith Gennrich
 
Alfred
Daniel Szeili/
*Mindaugas Jankauskas
 
Frosch
Benjamin Kradolfer Roth
 
Ida
Arabella Noh
 
Iwan
Peter Jahreis
 
1. Dame 
Eva Lilian Thingboe
 
2. Dame
Christina Holzinger




Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Städtische Bühnen Münster
(Homepage)



Da capo al Fine

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