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Musiktheater
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Nabucco   

Oper in vier Akten 
Libretto von Temistocle Solera 
Musik von Giuseppe Verdi

Die Aufführung integriert die Arie Ah si,ch’io senta ancora aus Verdis I due Fosceri
in italienischer Sprache mit deutschen Untertiteln
Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus der Städtischen Bühnen am 1. Mai 2011


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Städtische Bühnen Münster
(Homepage)
Spionage, Palastrevolution und Liebe

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Michael Hörnschemeyer

Bei Verdis dritter Oper Nabucco, des Meisters 1842 in Mailand uraufgeführtem, ersten großen Bühnenerfolg, zögern selbst Verdi-Liebhaber mit einem Opernbesuch. Häufig wirken die zu Schlagern erstarrten Chormelodien kitschig und pompös, der dramatische Stoff angesichts heutiger Nahost-Konflikte verkürzt und auf politische und/oder religiöse Gegensätze bzw. den Vorrang monotheistischer Religionen zugespitzt. Hinzu kommen von Shoah und Risorgimento geprägte rezeptionsgeschichtlich bedeutsame, historische Momente, bei denen es von moralischen Zeigefingern nur so wimmelt.

Regisseur Ansgar Haag hat in seiner münsterschen Inszenierung den der Oper zugrundeliegenden historischen Spagat geschickt bewältigt. Ohne die Jahrtausende alten politisch-historischen Grundlagen und Widersprüche außer Acht zu lassen und frei von allzu moralisierenden Untertönen erzählt er das vielschichtige Beziehungsdrama detailliert durchdacht, spannungsvoll und behutsam aktualisiert.

Zu den Klängen der Ouvertüre gibt der Vorhang den Blick frei auf eine zunächst sparsam ausgeleuchtete, aufgelockert gestaltete, perspektivisch ausgerichtete Empfangshalle eines modernen Gebäudes.  Fensterähnliche Einlassungen ermöglichen eine realistisch anmutende, auf theatralische Wirksamkeit bedachte Lichtregie. Seitliche Säulengänge sorgen - entsprechend der kontrastiven Anlage der Oper - für schnelle Auftritte des großen Chores. Später, im zweiten Bild, wird die restaurierte Hotellounge Mittelpunkt der palastrevolutionären Verschwörungen des babylonischen Oberpriesters und Abigailles bzw. das Gefangenenverlies Nabuccos. Eine breite, großzügige Treppe im rechten Bühnenprospekt bietet Platz für weitere Spielflächen.

Szenenfoto

Abigailles Liebeswerben bleibt unerwidert

Kein zerstörter, salomonischer Tempel zu Jerusalem, keine hängenden Gärten. Zeugnis der Ausgangssituation der Oper, der kriegsbedingten Zerstörungen sind mit letzten Wandmalerei-Renovierungen beschäftigte, schwarz bemantelte, jüdische Männer und Frauen und ein zunächst schlichter Haufen kaputter Möbel, dessen immer weiter hinzu kommende Stücke das Ausmaß der Zerstörung und die Vertreibung der Juden erahnen lassen. Zu den Ouvertüre-Variationen über das so volkstümlich gewordene Va pensiero werden symbolträchtig siebenarmige Leuchter auf die Spitze des Möbelhaufens gestellt und entzündet. Parallel zu dem sich kontrastierend anschließenden, vom Orchester wunderbar leicht und zackig akzentuierten Allegro bricht auf der Bühne plötzlich lautlose Geschäftigkeit und Hektik aus. Bewaffnete Wächter herrschen das Volk zur Arbeit an. Zwischen Almosen und Grausamkeiten wechselnde willkürliche Herrschergesten komplettieren die Situation der als  Zwangsarbeiter eingesetzten jüdischen Kriegsgefangenen.

Haag nähert sich der der Oper zugrunde liegenden Handlung und ihren Protagonisten aus der Perspektive eines Spionagefilms.  Anstelle von künstlichen, religiös motivierten  Wunderwerken und mächtigen Ober- und Hohepriestern sieht er - in nicht zu dramatisch aufgeladenem Erzählton - moderne "Geheimdienstler, Untergrundkämpfer und Spione" agieren. So verkörpert Ismaele für ihn eine Art Geheimagent, der im Rahmen eines Geiselnahme-Auftrags beide Töchter Nabuccos verführte. Beide verliebten sich in ihn, Ismaele selbst begeht jedoch den Fehler, sich anlässlich eines Kleidertauschs in Fenena zu verlieben... .
Anders als im Libretto, wo die friedliebende Pharaotochter Fenena den Hebräer Ismaele liebt, ihn unter Lebensgefahr aus babylonischer Gefangenschaft befreite, um nun selbst Gefangene der Hebräer zu sein und in einem weiteren Schritt zum Judentum zu konvertieren, anders auch als in Verdis Musik, wo die weibliche Protagonistenrolle Abigaille vorbehalten ist, krönt Haag Fenena mit einer weiteren Liebestat: Sie verhilft den Juden im dritten Teil zu Ausreisevisa und Pässen und rückt damit die gedämpft erklingenden, zaghaft crescendierenden und sogleich zurückgenommenen Heimatträume und -sehnsüchte des "Va pensiero" und die aussöhnenden finalen Gesten der Inszenierung in den Blick.

Szenenfoto

bewaffneter Überfall auf die jüdische Gemeinde

Überzeugend auch die stimmige Besetzung und engagierte Darbietung von Gesangssolisten, Chor und Orchester der städtischen Bühnen Münster unter der umsichtigen Leitung Hendrik Vestmanns. Star des Abend war der große Chor - ein rhythmisch homogener Klangkörper, der textverständlich artikuliert und wunderbar gedämpft, dynamisch differenziert und effektvoll gestaltet.

Claudia Iten ist eine machthungrige, rachedurstige Abigaille, die die mit zahlreichen Koloraturen gespickte, dramatische Mörderpartie in der Tiefe wie in der Höhe kraftvoll, mit vollmundigem, schwingenden Sopran singt und die musikalischen, hohen Zornesausbrüche z.B. im ersten Teil schneidend zuzuspitzen weiß. Kinga Dobays tiefgründiger Mezzosopran stellt Fenenas empfindsames Wesen mit klangvoll schwingendem, gebundenem Melodiefluss z.B. in der letzten Arie dar. Ensemblemitglied Matteo Suk steigerte sich gesanglich im Laufe des Abends und überzeugt in der Rolle des Nabucco mit klangschönem Bariton und anrührender, schauspielender Gestaltung. Plamen Hidjov ist ein Ruhe und Gelassenheit ausstrahlender, mit klangvoller Tiefe ausgestatteter, solider Zaccaria. Der lyrische Tenor Andrea Shin interpretiert die Rolle des Ismaele. Schade, dass seine Stimme  - zumindest an diesem Premierenabend - streckenweise belegt klang und sich in der Höhe nicht recht öffnen wollte.


FAZIT

Eine in Regie und musikalischer Darbietung stimmige, überzeugende Inszenierung


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Hendrik Vestmann 

Regie
Ansgar Haag

Bühne
Bernd Dieter Müller

Kostüme
Annette Zepperitz 

Chor
Donka Miteva

Dramaturgie
Jens Ponath


Statisterie der
Städtischen Bühnen Münster

Opern- und Extrachor  der
Städtischen Bühnen Münster

Sinfonieorchester
der Stadt Münster


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Nabucco
Matteo Suk

Abigaille
Inga Balabanova/
*Claudia Iten


Fenena
Kinga Dobay

Ismaele
Andrea Shin

Zaccaria
Plamen Hidjov

Oberpriester des Baal
Thomas Mayr

Abdallo
Jin-Chul Jung

Anna
Helen Cho




Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Städtische Bühnen Münster
(Homepage)



Da capo al Fine

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