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Giulio Cesare in Egitto
(Julius Caesar)


Oper in drei Akten, HWV 17
Text von Nicola Francesca Haym
nach einem Libretto von Giacomo Francesco Bussani
Musik von Georg Friedrich Händel


in italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 4h 15' (zwei Pausen)

Premiere im Palais Garnier, Paris am 17. Januar 2011


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Opéra national de Paris
(Homepage)

Schöne Musik zu nüchterner Szene

Von Bernhard Drobig / Fotos von Opéra natinal de Paris


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Parnass-Szene

Nun also war es so weit, Emmanuelle Haïm und ihr vor einem Jahrzehnt gegründetes Orchestre du Concert d'Astrée (hier 45 Musiker), debutierten endlich auch im altehrwürdigen Pariser Palais Garnier, und dies mit der beliebtesten und meist gespielten Händeloper, dem Giulio Cesare, in der Erstfassung von 1724, auf der Grundlage der Ausgabe von Winton Dean. Schon die Begrüßung des Publikums war stark, und steigerte sich vor jedem neuen Akt bis hin zu betont herzlichem Schlussbeifall. Nicht ohne Grund, denn im Musikalischen lag der eigentliche Wert dieser Neuinszenierung, auch wenn sich in den Achtungsapplaus für das Regieteam kein einziger Laut von Unmut mischte.


Vergrößerung in neuem Fenster Cleopatra

Eine wirkliche Synthese von Musik und Szene war nicht gelungen, mochte die Struktur der vielen in voller Länge belassenen Da-capo-Arien auch noch so aufmerksamen Niederschlag in unterschiedlichen Bewegungsabläufen gefunden haben. Die Hauptursache dafür war die Verlagerung der gesamten Handlung in die ernüchternde Atmosphäre des Magazins eines imaginären ägyptischen Museums, wie wenn es darum gegangen wäre, noch Unerfahrene in einem museumspädagogischen Workshop damit vertraut zu machen, dass die heterogenen Fundstücke wirklich sprechende Zeugen der Vergangenheit sind und also zur Bebilderung eines konkreten historischen Geschehens eignen. So starrte man denn, abgesehen von einem die Parnass-Szene beherrschenden Parkmotiv, vor dem Cleopatra im Goldrahmen tanzte, flankiert von den barock aufspielenden neun Musen, und abgesehen von anschließend herumgetragenen malerischen Reminiszenzen des 18. Jahrhunderts an die legendäre Liebe von Cäsar und Cleopatra (inklusive Händelporträt, versteht sich), in eine öde Lagerhalle: links drei verschiebbare Regale mit mehr oder weniger geordneten figürlichen und architektonischen Torsi, im mittigen Hintergrund ebenfalls hin und her platziertes monumentales Säulenbruchwerk mit und ohne Kapitell nebst Obelisk und einigen Großstatuen inklusive Cäsar, gelegentlich auch ein Torblick auf Pyramidenspitzen im Sandsturm, hinten rechts fahrbare Großständer für die erwähnten Gemälde, ganz rechts ein geräumiger Lastenaufzug und der vergitterte Eingang. Gefahren, getragen, geschoben, gestapelt wurde auch eine ganze Menge von Kisten, mal mit Urne, mal mit Schwertern, mal als Haremsbad, und schließlich als Doppelthron für das Krönungszeremoniell.


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Cesare

Fürwahr, ein Riesenreservoir, das ab und an auch schmunzeln ließ, wenn statt eines noch blutenden Pompeiuskopfes eine spätrömische Kolossalbüste im Kettenzug hing, oder Cleopatra auf Kopf und Schmuck einer Raum füllend gestürzten Königsstatue tanzte, zwei Dekorationspalmen Orient suggerierten und teilverglaste Vitrinen sei es als Parkbank, sei es als Schaukästen für die sich nahezu wachsfigurenhaft begegnenden Cäsar und Ptolemäus dienten. Und natürlich belebte Magazinpersonal fast unablässig die Szene, jeder in seinem Outfit, schiebend, schleppend, putzend, rennend, Ptolemäus und Cleopatra auf Schultern ins Gefecht tragend, als waffenlos Kämpfende zeitweise diesem oder jenem erliegend, und nicht zuletzt darauf achtend, dass man noch vor dem Ende des Schlusschors pünktlich seinen Arbeitstag mit Lichtlöschen beendete.


Vergrößerung in neuem Fenster Cornelia

Es sei nicht in Zweifel gezogen, dass sich Laurent Pelly bei all dem etwas Kluges gedacht hat, ja, er mag bestrebt gewesen sein, dass sich die Protagonisten in ihren vokalen wie darstellerischen Qualitäten voll einbringen; nur, in diesem Ambiente konnte es trotz der insgesamt ansprechenden Kostümierung weder Künstlern noch Publikum gelingen, das Musterbuch der von Händel im Spannungsfeld von Politik und Erotik ausgeloteten Affekte angemessen zu erschließen. Was umso bedauernswerter war, als Madame Haïm fundamentalen Aspekten der Ariengestaltung einschließlich der variabel ausgezierten Wiederholungsteile und der mutig weit ausgreifenden Kadenzen größte Aufmerksamkeit schenkte, sich selbst am Cembalo um ausdrucksgerechten Vortrag der Rezitative mitbemühte und dank adäquater Tempi grundsätzlich keine die Sänger überfordernden Ansprüche stellte.

Star des Abends war Natalie Dessay als Cleopatra, in allen ihren leichtfüßig tänzerischen Bewegungen und der Eleganz ihrer facettenreichen Körpersprache auch ohne die überflüssige Freistellung einer Brust ein wahre Augenweide, in vielen Ausdruckswerten und den geradezu halsbrecherischen Bravouren absolut sicher, wennschon, ohne die ganze Tiefe von Leid und Verzweiflung auszuschöpfen. Lawrence Zazzo als Cäsar fiel demgegenüber ab, nicht nur, weil seine Art, Koloraturen grundsätzlich legato anzugehen, kaum imperialen Geist orten ließ, sondern auch die ganze Vehemenz und Intensität seines Liebeserwachens wesentlich zu kurz kamen, sein Entzücken in der Zwiesprache mit der ihn phrasenweise wiederholenden Solovioline gar ohne jedes Flair blieb. In der von vielen Intervallsprüngen geprägten Partie des Ptolemäus bot Christophe Dumaux ein korrektes, doch eher unauffälliges Profil. Varduhi Abrahamyan hingegen erfüllte die Rolle der leidgeprüften Pompeiuswitwe Cornelia mit viel innerer Bewegung und der schönen Tiefe eines warmen Mezzosoprans.


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Nireno, Achilla, Sesto

Vergleichbar überzeugend charakterisierte die wundervoll klare und prägnant artikulierende Sopranistin Isabel Leonard den Corneliasohn Sesto, gab sie auch darstellerisch eine schöne Studie des sich zu Höherem mausernden Sechzehnjährigen. In den Nebenrollen zeichnete sich Dominique Visse als Nireno in der bewährten Einmaligkeit seines Haute-contre und seiner spielerischen Wendigkeit aus, Nathan Berg mit stentoralem Bass und robustem Körpereinsatz als der aus Enttäuschung die Seiten wechselnde Ägypterfeldherr Achilla.


FAZIT

Eine insgesamt solide musikalische Interpretation fand in einem mühsam arrangierten Szenario nicht die ihr gebührende bzw. sie optimal tragende Entsprechung.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Emmanuelle Haïm

Inszenierung und Kostüme
Laurent Pelly

Bühne
Chantal Thomas

Licht
Joël Adam

Chor
Allessandro di Stefano

Dramaturgie
Agathe Mélinand



Choeur de l'Opéra National de Paris

Orchestre du Concert d'Astrée


Solisten

Giulio Cesare
Lawrence Zazzo

Cornelia
Varduhi Abrahamyan

Sesto
Isabel Leonard

Cleopatra
Natalie Dessay

Tolomeo
Christophe Dumaux

Achilla
Nathan Berg

Curio
Imery Lefèvre

Nireno
Dominique Visse



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra national de Paris
(Homepage)



Da capo al Fine

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