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Ein Leben im Schutz der BühneVon Roberto Becker / Fotos von Alain Kaiser
Wie man dreihundert Jahre durch- und überlebt, ohne dass diese ewige Jugend als teuflischer Eingriff in die göttliche Schöpfung erkannt wird, dafür bieten Karel Capek und Leo Janácek eine verblüffende Lösung an. Man versteckt sich am besten, da wo einen jeder sieht, also beispielsweise im Rampenlicht der Bühne! Nachdem die Tochter des Hof-Alchimisten von Kaiser Rudolfs II. als Versuchskaninchen dafür herhalten musste, das Elixier der ewigen Jugend, das der Kaiser für sich in Auftrag gegeben hatte, auf seine Wirksamkeit hin zu testen, ist die tatsächlich nur stark verlangsamt älter geworden. Sie ist am Beginn der Oper, schon über dreihundert Jahre nach diesem Versuch am lebenden Objekt, immer noch in den besten Jahren und ein bewunderter Bühnenstar. Dass man dabei zwar viele Leben hat, aber keines richtig leben kann, sich von den Menschen vor der Zeit trennen muss, immer wieder die gleichen Verletzungen zugefügt bekommt und viele Narben wie ein Protokoll, Zeugnis von der brutalen Männerherrschaft über die Frauen im Wandel der Zeiten, ablegen, das macht aus der Geschichte mehr als einen grotesken Krimi mit science fiction-Einschlag. Sie wird vor allem zum Gleichnis über den Sinn des Lebens und über die Magie der Bühne.
Robert Carsens Inszenierung von Janáceks Sache Makropoulos passt in das programmatische Profil von Intendant Marc Clémeur, der schon als Intendant des belgischen Doppelopernhauses Antwerpen/Gent mit dem Kanadadier erfolgreich zusammengearbeitet hatte. In Strasbourg war jetzt also L' Affaire Makropoulos plakatiert. Durch die Übersetzung ins Französische hört sich der Titel des 1926 uraufgeführten Werkes gleich viel charmanter an. Gesungen wird natürlich tschechisch, übertitelt aber nicht nur Französisch, sondern durchaus marketingbewusst auf den deutschsprachigen Teil des Publikums zielend, auch in Deutsch. Der Kanadier Carsen war von Antwerpen/Gent aus mit einem legendär gewordenen PucciniZyklus zu seiner Karriere in Europa durchgestartet. An der flämischen Zweistädteoper hat er seinen Rang als Regisseur später mit seinem Janácek-Zyklus (Katja Kabanova, Jenufa und dem Schlauen Füchslein) überzeugend bestätigt. Es kommt also nicht von ungefähr, dass Marc Clémeur Carsen jetzt auch an die elsässische Rheinoper nach Strasbourg holte, wo der erwartungsgemäß für ein szenisches Janáèek-Schmuckstück sorgte.
Carsen erfindet Meisterwerk des Mähren in Strasbourg jetzt nicht neu, aber er bringt die Geschichte gemeinsam mit seinen bewährten Partnern Radu (Bühne) und Miruna (Kostüme) Boruzescu wieder in genau die Mischung aus kluger Analyse und szenischer Opulenz, die so etwas wie sein Markenzeichen ist. Dabei spielt die (Überlebens-)Welt der Emilia Marty, also das Theater bzw. die Bühne, die Hauptrolle, liefert den Rahmen und obendrein die die überzeugende Schluss-Pointe. Den Auftakt der Geschichte liefert in der Einsamkeit des Bühnendunkels der verhängnisvolle Schluck aus dem Pokal mit dem Jugendelixier ihres Vaters für den Kaiser. Dann sind wir mit ihr zugleich auf und hinter der Bühne. Immer wieder schließt sich der Vorhang hinter Emilia. Immer wieder kommt sie mit Blumen und großem Applaus bedacht zu ihrer Garderobiere, wechselt das Kostüm und eilt zum nächsten Auftritt. So geht es wie im Zeitraffer quer durch die Operngeschichte.
Wenn die Tarnung der Emilia schließlich aufgeflogen ist, vernichtet sie das Papier mit der geheimnisvollen Formel selbst. Der jungen Kristina kann sie schon deshalb nicht überlassen, weil diese wirklich junge Frau durch den Orchestergraben von ihr getrennt ist. Mit ziemlich unverblümt belehrender Geste wendet sich Emilia dann mit ihrem Lebens-Resümee direkt ans Publikum, um schließlich selbstbewusst und befreit zu ihrem letzten großen Auftritt an ihre Rampe zu entschwinden. Nach dem Motto: Vorhang zu und keine Frage offen. In diese schlichte und doch überzeugende Theaterwelt bricht die Welt der Akten und Juristen, in der über den Zugang zu jener ominösen Formel gestritten wird, in Gestalt von fahrbaren Regalwänden herein. Die Garderobe der Künstlerin, in deren Chaos schließlich das Geheimnis der vielen Namen, die zu den immer gleichen Initialen EM passen, aufgedeckt wird, ist durch das passende Chaos von Kostümen hinreichend angedeutet.
Unter der umsichtigen musikalischen Leitung von Friedemann Layer steuert diesmal das Orchestre symphonique de Mulhouse den Orchesterpart in Strasbourg bei. Vor allem die attraktiven Cheryl Barker überzeugt stimmlich als Emilia Marty. Mit solider Eloquenz agieren Martin Bárta als Jaroslav Prus und Charles Workman als Albert Gregor. Andreas Jäggi profiliert die kauzige Rolle des alt gewordenen einstigen Liebhabers Hauk-Sendorf.
Robert Carsen erzählt nicht nur überzeugend die Geschichte der Emilia Marty alias Elena Makropulos, sondern schafft dafür auch mit gewohnter Souveränität einen erhellenden metaphorischen Rahmen. An der Rheinoper wird dafür entsprechende musikalische Qualität aufgeboten und das Ensemble von einer überzeugenden Cheryl Barker in der Titelpartie angeführt. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Dramaturgie
Solisten
Emilia Marty (Elina Makropoulos)
Albert Gregor
Dr Kolenatý
Vítek
Krista
Jaroslav Prus
Janek
Hauk-Sendorf
Zimmermädchen
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