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Der Drache vom Dönberg

Kammeroper

Text von Johannes Blum nach dem Originallibretto von Henry Carey (The Dragon of Wantley)

Musik von John Frederick Lampe

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1h 45' (keine Pause)

Premiere im Kleinen Schauspielhaus Wuppertal am 4. Februar 2011

(rezensierte Aufführung: 5. Februar 2011)


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Wuppertaler Bühnen
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Hip-Hop zur Barockmusik


Von Thomas Molke / Fotos von Sonja Rothweiler

Er war Fagottist am King's Theatre in London und wirkte als Orchestermusiker in zahlreichen Opern seines Landsmannes Georg Friedrich Händel mit, bevor er als Komponist in London eine Gegenbewegung zu Händel startete und mit der 1737 uraufgeführten Opernparodie The Dragon of Wantley bei den Zeitgenossen einen noch größeren Erfolg verbuchen konnte als John Gays und Johann Christoph Pepuschs The Beggar's Opera. Trotzdem ist er im Gegenzug zu Gay und Pepusch heute nahezu vergessen: John Frederick Lampe, ursprünglich Johann Friedrich Lampe. Nachdem diese Oper im Rahmen der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci 2007 ihre deutsche Erstaufführung erlebte und ein Jahr später im österreichischen Helfenberg unter dem Titel Der Drache von Helfenberg Premiere feierte, hat Johannes Blum für das Kleine Schauspielhaus in Wuppertal eine neue Textfassung unter dem Titel Der Drache vom Dönberg entwickelt, die den zu Unrecht vergessenen Komponisten wieder in das Bewusstsein des Theaterbesuchers zurückholen soll. Außerdem handelt es sich um die erste Produktion der Opernsparte im Kleinen Schauspielhaus, das seit Schließung des Schauspielhauses als kleine Spielstätte der Wuppertaler Bühnen fungiert, womit man die Notwendigkeit einer zweiten Spielstätte für das Dreispartentheater sicherlich noch einmal betonen möchte.

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Alle suchen den Drachen: von links: Margareta (Annika Boos), Gzegorz Grabowski (Miljan Milović) und Małgorzata (Miriam Scholz). Dabei steht er neben ihnen: Smok Wawelski (Thomas Schobert).

Das Originallibretto The Dragon of Wantley geht zurück auf ein anonymes Gedicht, das auf eine englische Legende anspielt, die in Sir Walter Scott's Ritterroman Ivanhoe erwähnt wird. Nach dieser Legende soll vor langer Zeit in den Wharncliffe Crags etwa 10 km entfernt von der englischen Stadt Sheffield ein Drache sein Unwesen getrieben haben. In dem Gedicht des 17. Jahrhunderts wurde dann dieser Drache mit einem angesehenen Kirchenmann der Region, dem Leiter der Diözese, Sir Francis Wortley, identifiziert, der die Gemeindemitglieder mit seinen geforderten Abgaben wie ein fressgieriger Drache zu schröpfen versuchte. Der Anwalt Moore of Moorehall ging gerichtlich gegen Wortley vor und gewann die Auseinandersetzung, wurde somit zum Ritter, der den Drachen mit einer List - er versteckte sich in dem Brunnen, aus dem der Drache gewöhnlich trank - und einem Tritt in den Hintern tötete. Aus dieser Geschichte formte der Librettist Henry Carey eine Handlung, die den eigentlichen Kampf mit dem Drachen in den Hintergrund schob und sich auf eine Dreiecksliebesbeziehung zwischen der Tochter des Bürgermeisters, Margery, dem Drachentöter, Moore of Moorehall, und seiner Verlobten, Mauxalinda, konzentrierte. Damit war auch klar, wer das Opfer dieser Satire sein sollte: Georg Friedrich Händel, der zwar keineswegs Häuser verschlang und Steuern hinterzog, mit seinen Opern im italienischen Stil aber das große Geld machte und die Opernbühnen mit für das bürgerliche Publikum uninteressanten Göttern und Hofschranzen bevölkerte, die darüber hinaus noch überaus lange kunstvoll ausgeschmückte Arien sangen.

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Miłek Masalski (Christian Sturm) liebt Małgorzata (Miriam Scholz).

Um dem Wuppertaler Publikum diese Geschichte näher zu bringen, treibt der Drache sein Unwesen nicht mehr in England, sondern auf dem Dönberg, einer Idylle, ganz nah am Zentrum der Stadt, wo eher die kleinen Leute leben und die ursprünglich dörflich-bäuerliche Struktur noch erahnt werden kann. Die Namen der Protagonisten deuten einen osteuropäischen Migrationshintergrund an. Es handelt sich also keineswegs um den Bürgermeister Gubbins und dessen Tochter Margery, die hier bedroht werden, sondern um einen König namens Gzegorz Grabowski, dessen Tochter natürlich Prinzessin ist. Der Drachentöter, Miłek Masalski, besitzt einen Kiosk, ist mit der Hofdame, Małgorzata, liiert und gebärdet sich eher cool als heldenhaft. Mit diesem Ansatz parodiert die Regisseurin Iwona Jera bewusst das Händelsche Personal. Unterstützt wird dieser satirische Blickwinkel durch die Kostüme von Dorien Thomsen, da alle Personen aus Stoff geformte Krönchen tragen und das Outfit des Königs und der Prinzessin barocke Üppigkeit andeutet, ansonsten aber schlicht und billig wirkt. Auch musikalisch werden die Seitenhiebe auf Händels Musik sehr deutlich. So singt der König (Miljan Milović) in seiner Rede, mit der er zum Kampf gegen den Drachen auffordert, seine Koloraturen standhaft weiter, selbst wenn das Orchester mit der Begleitung bereits aufgehört hat, und muss vom  Dirigenten schließlich gewaltsam unterbrochen werden. Auch der Drachentöter (Christian Sturm) legt sich mit dem Orchester an, wenn er den bevorstehenden Kampf mit dem Drachen nicht mit kunstvoll ausgeschmückten Läufen besingen will.

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Aber Margareta (Annika Boos mit Christian Sturm) ist auch nicht schlecht (im Hintergrund von links: Albi Gika, Rymon Zacharei, Miguel Mavatiko, Pascal Nkongo, der Drache (Thomas Schobert und Gzegorz Grabowski (Miljan Milović)).

Einen sehr starken Eindruck hinterlassen vier Hip-Hop Tänzer, die zeigen, wie wunderbar die Bewegungen des Street Dance auf Lampes Barockmusik passen. Die Körperbeherrschung, mit der sie sich während der Ouvertüre und bei weiteren Instrumentalpassagen zu den barocken Klängen bewegen, ist phänomenal und lässt hoffen, dass diese Musik auch gerade jüngere Zuschauer ansprechen könnte. Eingebettet in die Inszenierung sparen sie nicht mit ironischen Kommentaren zu den ausgeschmückten Arien, wenn sie ihren Tanz angesichts der Koloraturen der Prinzessin (Annika Boos) und der Hofdame (Miriam Scholz) unterbrechen, amüsiert und interessiert die beiden Damen beobachten und sich über die musikalische Virtuosität wundern.

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Die Hip-Hop Tänzer vor dem Kampf (von vorne: Albi Gika, Miguel Mavatiko, Rymon Zacharei, Pascal Nkongo).

Und wer ist jetzt der Drache vom Dönberg (Thomas Schobert)? Jedenfalls kein wirklicher Drache. Er trägt mit "Smok Wawelski" einen polnischen Namen, der auf Deutsch übersetzt "Wawel-Drache" bedeutet und unterscheidet sich von den anderen Figuren nur dadurch, dass er kein Krönchen trägt, sondern eine weiße Gummikappe als Haarimitat. Soll das die Kopfhaut des Drachen darstellen oder ist es eine Parodie auf die Barockperücken? Sein Name jedenfalls geht zurück auf eine polnische Legende, nach der der Wawel-Drache in der Nähe von Krakau sein Unwesen trieb. Warum er aber hellbraune Pumps trägt, bleibt unverständlich. Auch agiert er permanent mit den anderen Figuren auf der Bühne. In der Anfangsszene scheint er sich, nachdem er mit einer Nebelmaschine auf der Bühne gewütet hat, genauso wie die anderen Bewohner des Dönbergs zu fürchten. Der Drache ist also einer von uns. Vielleicht will uns das Iwona Jera mit ihrer Inszenierung sagen. Die Filmeinspielungen auf einer Leinwand, die Hans Richter ständig auf der Suche in Wuppertal zeigen und die Digitalanzeigen einer Haltestelle stellen während der Tanzeinlagen eine visuelle Überfrachtung dar, deren Intention unklar bleibt.

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Der Kampf: Der Drache (Thomas Schobert, Mitte) und Miłek Masalski (Christian Sturm, rechts) (im Hintergrund von links: Gzegorz Grabowski (Miljan Milović), Małgorzata (Miriam Scholz) und Margareta (Annika Boos)).

Gesungen wird auf gutem Niveau, wobei die Nähe zum Publikum für die Sängerstimmen sicherlich förderlich ist. Bei Annika Boos als Prinzessin Margareta würde man sich bisweilen ein bisschen mehr Textverständlichkeit wünschen. Ansonsten spielt sie mit treffsicheren Koloraturen sehr überzeugend das nervige Girlie, das einen großen Starschnitt ihres Drachentöters an die Rückwand klebt. Miriam Scholz agiert als Verlobte und Hofdame Małgorzata herrlich zickig und füllt die Rolle mit wohl-timbriertem Mezzo aus. Christian Sturm mimt einen höhensicheren Drachentöter, dem es sichtlich schwerfällt, sich zwischen den beiden ihn anhimmelnden Frauen zu entscheiden. Miljan Milović verschläft als König einen Großteil der Handlung und Thomas Schobert erinnert eher an einen knuddeligen Teddy als an einen gefährlichen Drachen. Das Sinfonieorchester, das teilweise auf der Bühne, teilweise hinter den Zuschauern platziert ist, zaubert unter der Leitung von Boris Brinkmann einen klaren barocken Surround-Sound, so dass es für alle Beteiligten am Ende großen und verdienten Beifall gibt.


FAZIT

Eine musikalisch interessante Ausgrabung, die szenisch und inhaltlich einige Fragen offen lässt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Boris Brinkmann

Inszenierung
Iwona Jera

Bühne und Kostüme
Dorien Thomsen

Video
René Jeuckens

Grischa Windus

Licht
Peter Sippel

Dramaturgie
Johannes Blum




Sinfonieorchester Wuppertal


Solisten

Margareta
Annika Boos

Małgorzata
Miriam Scholz

Miłek Masalski
Christian Sturm

Gzegorz Grabowski
Miljan Milovi
ć

Der Drache (Smok Wawelski)
Thomas Schobert

Tänzer
Albi Gika
Miguel Mavatiko
Pascal Nkongo
Rymon Zacharei

Der Spezialist (im Film)
Hans Richter

 





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