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Idomeneo

Dramma per musica in drei Akten
Libretto von Giambattista Varesco
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 05' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Wuppertal am 16. April 2011


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Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Kreta in Gummistiefeln


Von Thomas Molke / Fotos von Uwe Stratmann

Fast zwanzig Jahre ist es her, dass Mozarts letztes Werk vor seiner übersiedlung nach Wien in Wuppertal auf dem Spielplan stand. Und auch in den anderen Opernhäusern der Region fristet diese große Choroper eher ein Schattendasein, verdrängt von den anderen  berühmten Werken des Salzburger Genies, was sehr schade ist, da die Geschichte um den König von Kreta, der dem Meeresgott Neptun seinen Sohn Idamante opfern soll, sowohl musikalisch, als auch dramaturgisch einiges zu bieten hat. Während das Sujet noch fest der opera seria verhaftet ist, durchbricht Mozart nämlich stellenweise die Tradition der affektgeladenen Arien und der die Handlung vorantreibenden Rezitative und ebnet so bereits den Weg für die Jahrzehnte später entwickelten durchkomponierten Opern. Inhaltlich bemerkenswert ist, dass es keine antike Dramenvorlage gibt. Idomeneo wird zwar als König Kretas in Homers Ilias erwähnt, und Vergil schreibt über dessen Vertreibung nach Kalabrien, zur dramatischen Rückkehr nach Kreta stammt die früheste Quelle allerdings aus dem vierten Jahrhundert. Während bei früheren Dramatisierungen (Antoine Danchets Libretto für André Campras Oper Idoménée von 1712 und Prosper Jolyot Crébillons gleichnamiger Tragödie von 1705) das Menschenopfer vollzogen wird, wird in Mozarts Oper das Bild der Götter radikal humanisiert und Idamante auch mit Blick auf das genrespezifische lieto fine gerettet.

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Idomeneo (Robert Chafin, links) begegnet nach der Rettung aus den Fluten   seinem Sohn Idamante (Joslyn Rechter, rechts).

Mit großer Spannung wurde erwartet, wie sich das Regieteam um Constanze Kreusch diesem einfallsreichen Werk annähern würde. Und um es gleich vorwegzunehmen: die Erwartungen wurden bei großen Teilen des Publikums zumindest teilweise enttäuscht. Ein Problem stellen die spärlichen Übertitel dar. Während bei der Ouvertüre noch verständlich in die Ausgangssituation eingeführt wird, werden später komplette Arien auf einen einzigen Satz reduziert, so dass sich der des Italienischen nicht mächtige Zuschauer häufiger die Frage stellen muss: "Ist das alles, was da gesungen wird?" Wenn währenddessen auf der Bühne etwas passieren würde, könnte man die Verknappung der übertitel noch nachvollziehen. Da das Geschehen auf der Bühne aber statisch bleibt, hätte mancher Zuschauer vielleicht die Zeit lieber genutzt, um den Text zu verfolgen. Die Bewegungslosigkeit auf der Bühne ist aber vielleicht dem Bühnenbild von Jürgen Lier geschuldet, das den Sängern nicht viel Gelegenheit zur Aktion bietet. Die Bühne wird von drei hohen Wänden hermetisch abgeriegelt, die in tiefem Blau-Grün eine Unterwasserwelt suggerieren. In der Mitte der Bühne befindet sich ein großer Teich, durch den die Sänger permanent laufen müssen, daher auch die Gummistiefel. Soll das der Strand sein? Zumindest wartet dort zu Beginn der Oper der Chor auf die Rückkehr des Königs.

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Ilia (Dorothea Brandt) ist verzweifelt, liebt sie doch den Sohn des Feindes.

Der Sturm, der Idomeneos Einlaufen in den heimatlichen Hafen verhindert, ist sehr schön inszeniert. Die in mehreren Bereichen verschiebbare, hintere Bühnenwand öffnet sich zunächst unten und Idomeneo (Robert Chafin) wird hinter hinab-strömendem Wasser sichtbar. Auch die Lichteffekte (Sebastian Ahrens), mit denen sich das Wasser an den blau-grünen Wänden spiegelt, wenn Idomeneo allmählich an Land gelangt, sind sehr eindrucksvoll. Der Effekt des Stroboskoplichtes, welches eingesetzt wird, als das von Neptun gesandte Meeresungeheuer die Einlösung von Idomeneos Gelübde verlangt, verpufft leider. Auch die riesige weiße Leinwand, die bei der öffnung der oberen Ebene sichtbar wird, bleibt größtenteils völlig ungenutzt. Nur wenn die Stimme des Orakels (Thomas Laske) im dritten Akt verkündet, dass Idomeneo von seinem Gelübde befreit wird und Idamante nun mit Ilia über Kreta herrschen soll, wird ein Hacker-Programm eingeblendet, mit dem aus Zahlencodes die Botschaft des Orakels geknackt wird. Dramaturg Johannes Blum hatte zwar in der Einführung bereits darauf hingewiesen, dass es sich bei La voce nicht um die antiken Götter handeln könne, da die Entscheidung eher einer christlichen Vorstellung geschuldet wird. An dieser Stelle hätte der Zuschauer aber wahrscheinlich lieber eine einfache Stimme aus dem Off ohne plumpe Regie-Mätzchen gehabt. Auch dann hätte man die Botschaft verstanden.

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Das berühmte Quartett des dritten Aktes "Andrò ramingo e solo" (von links: Elettra (Elena Fink), Ilia (Dorothea Brandt), Idamante (Joslyn Rechter) und Idomeneo (Robert Chafin)).

Die Kostüme von Petra Wilke wirken, zumindest was die Damen betrifft, recht lieblos aus dem Kostümfundus zusammengesucht. Während der Ouvertüre treten die Sänger nach und nach in Alltagskleidung auf, um die auf der Bühne herumliegenden Kostüme überzuziehen. Während bei den Männern auf einen einheitlichen Dress geachtet wird, der zum einen trojanische Gefangene, zum anderen Priester und Kreter eindeutig zuordnen lässt, fragt man sich, ob die Kostüme der Damen des Chors in leichten Pastellfarben überhaupt irgendeine Aussage haben, passen sie doch eher in eine Spieloper à la Zar und Zimmermann. Völlig unverständlich bleibt, wieso sie zur Feier der Rückkehr des Königs mit quallenartigen Hüten und an Tentakeln erinnernde Bänder auftreten und tanzen. Befinden wir uns etwa doch in einer Unterwasserwelt? Besonders für Elettra (Elena Fink) hätte man sich ein anderes Kostüm gewünscht. Ihr verknitterter blauer Rock wirkt wie eine ausgemusterte Übergardine und würde der Figur ihre Bedrohlichkeit nehmen, wenn Elena Fink nicht so eine enorme Bühnenpräsenz hätte und gegen ihr unvorteilhaftes Outfit grandios anspielen würde. Ilias rotes Kleid hätte da schon eher zu ihr gepasst.

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Jetzt soll Idomeneo (Robert Chafin, vorne rechts) den geliebten Idamante (Joslyn Rechter, links) opfern (im Hintergrund: der Oberpriester (Nathan Northrup)).

Sehr problematisch ist auch Constanze Kreuschs Personenregie, besonders beim Chor. Wenn der Chor im dritten Akt endlich von Idomeneo erfahren hat, dass der König selbst schuld an Neptuns Zorn ist, rennt er bei dem musikalisch hervorragenden "Oh voto tremendo" völlig unmotiviert über die Bühne, so dass die Bewegungen in keiner Weise mit der großen Verzweiflung in der Musik korrespondieren. Warum die Herren des Chores Flaschen mit Wasser in den Teich schütten müssen, bleibt ebenfalls unverständlich. Die meiste Zeit lässt Constanze Kreusch den Chor aber nur statisch herumstehen. Wo soll man auch hin? Die Bühne ist ja voll, und überall ist es nass und es besteht Rutschgefahr, trotz Gummistiefel. Auch die Solisten werden größtenteils sich selbst überlassen, schaffen es aber, ein bisschen besser mit dieser Situation umzugehen. Bewegend inszeniert ist jedoch das berühmte Quartett "Andrò ramingo e solo", bei dem Idamante, Ilia, Idomeneo und Elettra nicht nur stimmlich zusammenfinden. überzeugend ist auch die Idee, Idamantes Opferung durch Ertränken in einem Bassin anzudeuten. Schließlich soll er ja dem Meeresgott geopfert werden und dieser bekommt seine Opfer meistens durch Ertrinken.

Während es szenisch sehr viel in der Inszenierung zu bemängeln gibt, entschädigt dafür umso mehr die musikalische Umsetzung. Stimmlich ist der Chor unter der Leitung von Jens Bingert sehr präsent und meistert stimmgewaltig und homogen die für Mozart doch eher untypische umfangreiche Aufgabe. Christian Sturm gefällt als Arbace mit klangschönem Tenor, der jedoch in den Höhen bei seiner Arie "Se il tuo dol" noch geschmeidiger sein könnte. Robert Chafin meistert die Titelpartie mit kräftigem Tenor, wobei seine Stimme in den Höhen stellenweise dünn wird. Große Probleme hat er bei den schwierigen Koloraturläufen, für die seine Stimme (noch) nicht beweglich genug ist. Darstellerisch gelingt es ihm hervorragend, die Zerrissenheit des Königs darzustellen, der sich verzweifelt gegen das Schicksal auflehnen will.

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Elettras (Elena Fink, rechts) große Schlussarie. Arbace (Christian Sturm), Ilia (Dorothea Brandt), Idamante (Joslyn Rechter) und Idomeneo (Robert Chafin) schauen entsetzt zu.

Die musikalische Krönung des Abends sind die drei Damen. Elena Fink gestaltet mit dramatischen Koloraturen eine Elettra, die den Hörer das Fürchten lehrt. Schade, dass die Regie sie dazu zwingt, sich permanent die Arme zu zerkratzen. Diese Gesten wären bei Elena Fink gar nicht nötig gewesen, da sie nur mit Blicken und kleinen Bewegungen in der Lage ist, den psychisch verkorksten Charakter der Tochter Agamemnons, die ihren Bruder zum Muttermord verleitet hat und jetzt ihren einzigen Ausweg in einer Heirat mit Idamante sieht, hervorragend darzustellen. Ihre Abschlussarie "D'Oreste, d'Aiace", die in ihrer Virtuosität "Der Hölle Rache" aus der Zauberflöte noch übertrifft, reißt das Publikum nahezu von den Sitzen. Dorothea Brandt stellt mit ihrem leuchtend hellen Sopran als Ilia stimmlich und szenisch einen grandiosen Gegenpart zu Elettra dar. Ihr Sopran ist so warm und weich wie der Charakter der liebenden Priamos-Tochter. Schade, dass sie in ihrer Auftrittsarie "Padre, germani, addio!" ständig auf der Bühne hinfallen muss. Das nimmt ihr die Tragik und wirkt beinahe komisch. Joslyn Rechter hat mit Idamante ihrem Repertoire nach Hänsel und Cherubino in Wuppertal eine weitere Parade-Hosenrolle hinzugefügt. Mit wohl-timbriertem Mezzo füllt sie die Rolle des weichherzigen Prinzen aus, der bereit ist, sich für seinen Vater zu opfern. Gerade im Zusammenspiel mit Dorothea Brandt versteht sie es, inniges Gefühl zu vermitteln. Hinzu kommt unter der Leitung von Hilary Griffiths ein hervorragend aufspielendes Orchester, das einen stets sauberen und akkuraten Mozart-Sound aus dem Graben ertönen lässt. So gibt es großen Beifall für die musikalische Umsetzung, das Regieteam wird mit teils heftigen Buh-Rufen bedacht.


FAZIT

Die Wuppertaler Bühnen haben gezeigt, dass Mozarts Idomeneo es musikalisch durchaus verdient, häufiger aufgeführt zu werden. Ob es diese Inszenierung sein muss, ist Geschmacksache.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Hilary Griffiths

Inszenierung
Constanze Kreusch

Bühne
Jürgen Lier

Kostüme
Petra Wilke

Licht
Sebastian Ahrens

Choreinstudierung
Jens Bingert

Dramaturgie
Johannes Blum

 

Chor der Wuppertaler Bühnen

Studierende der Hochschule
für Musik und Tanz Köln,
Standort Wuppertal

Sinfonieorchester Wuppertal


Solisten

*Besetzung der Premiere

Idomeneo, König von Kreta
Robert Chafin

Idamante, sein Sohn
Joslyn Rechter

Ilia, trojanische Prinzessin
Dorothea Brandt

Elettra, Tochter des Agamemnon
Elena Fink

Arbace, Vertrauter des Königs
Christian Sturm

Oberpriester Neptuns
Boris Leisenheimer /
*Nathan Northrup

Zwei Kreterinnen
Barbara Pickenhahn
Diane Claars

Zwei Trojaner
Mario Trelles-Diaz
Andreas Heichlinger

Die Stimme
Thomas Laske



Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



Da capo al Fine

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