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Unverhofft in Kairo (L'incontro improvviso)

Dramma giocoso per musica

Text von Karl Friberth nach dem Libretto von Hurtaut Dancourt zu der Opéra comique La Rencontre imprévue von Christoph Willibald Gluck, nach der Vaudeville-Komödie Les  Pélerins de la Mecque von Alain René Lesage, d'Orneval und Luis Fuzelier

Deutsche Übersetzung von Franz Xaver Gircik

Dialoge von Jakob Peters-Messer, Texte des Pascha von Johannes Blum (Übersetzung ins Türkische von Sungur Böke)

Musik von Joseph Haydn

in deutscher (und türkischer) Sprache (mit deutschen Übertiteln)

Aufführungsdauer: ca. 2h 25' (eine Pause)

Premiere im Teo Otto Theater in Remscheid  am 28. Oktober 2010


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Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Türkische Klänge zur Ud


Von Thomas Molke / Fotos von Sonja Rothweiler

Eine türkische Spielzeit verspricht das Musiktheater-Team der Wuppertaler Bühnen für die Saison 2010/2011. Dabei sollen Stücke im Zentrum stehen, die entweder aus der Türkei stammen oder mit türkischer Beteiligung entstehen. Den Anfang machte dabei eine selten gespielte Oper von Joseph Haydn, die zwar nicht in der Türkei spielt, aber im 18. Jahrhundert durchaus zu der recht populären Gattung der Türkenoper gehörte, deren bekanntester Vertreter heute sicherlich die acht Jahre später uraufgeführte Entführung aus dem Serail von Mozart darstellt. Die Premiere fand nicht im Opernhaus in Wuppertal statt, sondern unter musikalischer Begleitung der Bergischen Symphoniker im Teo Otto Theater in Remscheid, bevor die Produktion nach einer weiteren Aufführung im Theater und Konzerthaus Solingen dann im Januar in Wuppertal ihre Premiere erleben wird. Warum man diese Premiere allerdings auf einen Donnerstag gelegt hat, ist schwer nachvollziehbar, da doch einige Reihen frei blieben. Leider, denn die Inszenierung hätte durchaus ein volleres Haus verdient.

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Der Pascha (Selim Dursun, vorne) beobachtet seine Frauen im Serail (von links: Dardane (Miriam Scholz), Rezia (Banu Böke), Balkis (Dorothea Brandt)).

Sucht man die Oper in einem Opernführer, so findet man sie höchstens unter dem italienischen Titel L'incontro improvviso, einem Werk, das Haydn auf ein italienisches Libretto  komponierte, welches Glucks zehn Jahre älteres Opus La Rencontre imprévue oder Les Pélerins de la Mecque (Die Pilger von Mekka) zur Grundlage nahm. Erzählt wird darin die Geschichte von einem jungen Liebespaar, der persischen Prinzessin Rezia und Ali, einem Fürsten von Basra. Da Rezia mit einem indischen Mogul verheiratet werden soll, fliehen die beiden, verlieren sich jedoch auf der Flucht. Rezia landet mit ihren beiden Dienerinnen Balkis und Dardane im Harem des Sultans von Kairo. Als auch Ali mit seinem Diener Osmin nach Kairo kommt und seine Geliebte wiederfindet, planen sie erneut die gemeinsame Flucht. Der Plan wird jedoch vereitelt und die Liebenden werden zum Tode verurteilt. Im letzten Moment lenkt der Sultan allerdings ein und begnadigt die beiden, da er erkennt, dass er gegen ihre Liebe machtlos ist. Diese Wendung in den Opern mit orientalischem Sujet war nicht nur dem von einem Dramma giocoso erwarteten lieto fine geschuldet, sondern zeigte auch die Vorstellung von einem humanen muslimischen Monarchen, der sich an einer westlichen Ethik orientiert.

Der Regisseur Jakob Peters-Messer hat mit seinem Produktionsteam eine Stückfassung erstellt, bei der nicht nur der Titel in Unverhofft in Kairo geändert wurde. Auch die Rolle des Sultans, der hier als Pascha von Ägypten auftritt, ist ausgebaut worden, da er - anders als im Libretto - nicht nur in der Schlussszene auftritt. Da der Pascha auch im Libretto nur vorgegeben hat, Kairo verlassen zu haben, kann er in der Wuppertaler Inszenierung mit reflektierenden Texten zwischen den Arien die Vorgänge in seinem Herrschaftsbereich beobachten und kommentieren. Um das Fremde zu betonen, hat Herr Peters-Messer die Rolle des Pascha mit Selim Dursun, einem türkischen Schauspieler besetzt, der seine Texte auf Türkisch spricht. Die Monologe des Pascha, die der Dramaturg Johannes Blum verfasst hat und die von dem Vater der Rezia-Darstellerin Banu Böke, Sungur Böke, übersetzt worden sind, geben die Handlung des Geschehens aus Sicht des Pascha wieder und werden von Ibrahim Emin Izgialp auf der Ud, einer türkisch-arabischen Kurzhalslaute, mit Improvisationen begleitet, die Herr Izgialp auf der Basis alter osmanischer Musik entwickelt hat. Dadurch entsteht ein sehr fremdländischer Klang, der dem orientalischen Charakter einer so genannten Türkenoper für den heutigen Hörer wesentlich näher kommt, als es die doch sehr europäische Musik Haydns vermag. Unterstützt wird dieser Eindruck durch die Lichtregie (Fredy Deisenroth), da die Szenerie während der kommentierenden Texte des Pascha in einem kalten grellen Licht einfriert. Eine große Bedeutung kommt in dieser Inszenierung auch dem Koran zu, in dem der Pascha häufig liest, aus dem er rezitiert und der sein Handeln motiviert.

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Ali (Christian Sturm, links) findet seinen Diener Osmin (Boris Leisenheimer, Mitte) in der Begleitung vom Qalander (Miljan Milović, rechts) wieder.

Um das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Kulturen spürbarer zu machen, hat sich Herr Peters-Messer entschieden, eine deutsche Übersetzung und eine Dialogfassung ohne Secco-Rezitative zu spielen. Bei der italienischen Fassung wäre der Kontrast zu den türkischen Passagen für den deutschen Zuschauer nicht so auffällig gewesen. Logisch ist diese Variante allerdings nicht, da die Protagonisten, Ali und Rezia, anders als Belmonte und Konstanze in der Entführung aus dem Serail nicht aus einer westlich-zivilisierten Welt stammen, sondern ebenfalls der türkischen Kultur angehören. Somit sind es eigentlich gar keine unterschiedlichen Kulturen, die in dieser Oper aufeinander treffen, was vielleicht auch als eine Schwäche des Librettos ausgelegt werden kann und erklären könnte, warum Haydns Werk nicht ein vergleichbarer Erfolg wie Mozarts Entführung beschieden war. Musikalisch kann es nämlich mit Mozarts großem Werk in den Arien durchaus mithalten.

Das Bühnenbild von Markus Meyer ist sehr fantasievoll gestaltet und besteht aus einem drehbaren zylinderförmigen Turm, der durch unterschiedlich große Löcher Einblicke in das Serail, eine Straße in Kairo und einen Stall (mit lebensgroßem Kamel) freigibt. Die Wandbemalungen sind dabei sehr orientalisch gehalten. Das Serail ist mit einem großen Sofa recht spartanisch ausgestattet. Dieser Turm vermittelt eine gewisse Abgeschlossenheit gegenüber der Außenwelt und ermöglicht durch das Drehen schnelle Szenenwechsel. Die Kostüme stehen in leichtem Kontrast zum Bühnenbild, da sie relativ modern sind. Die Kopftücher, die die Frauen zunächst tragen, wirken nicht verschleiernd, sondern unterstützt durch eine große Sonnenbrille modisch. Die Derwische und ihr Anführer, der Qalander (Miljan Milović mit Al Capone-Hut), entstammen mit ihren tätowierten Armen eher einer kriminellen Vereinigung als einem Orden von Bettelmönchen. Auch der Pascha wirkt mit seinem schwarzen Anzug nicht wie ein orientalischer Muselmann. So ist die Auswahl der Kostüme im Einklang mit Herrn Peters-Messers Regiekonzept.

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Auf der Flucht (von links: Balkis (Dorothea Brandt), Dardane (Miriam Scholz), Ali (Christian Sturm), Rezia (Banu Böke), im Hintergrund: Osmin (Boris Leisenheimer) und rechts: der Qalander (Miljan Milović)).

Gesungen wird auf gutem Niveau. Christian Sturm gibt einen jugendlichen Ali mit einem schlanken strahlenden Tenor, der zum Ende hin aber leichte Ermüdungserscheinungen zeigt. Tenor Boris Leisenheimer erfreut als Diener Osmin mit sehr viel Spielfreude und vor allem guter Textverständlichkeit. Dorothea Brandt und Miriam Scholz begeistern als Dienerinnen Balkis und Dardane vor allem im Terzett mit der Prinzessin Rezia, der wohl anspruchsvollsten Partie des Stückes, die Banu Böke hervorragend ausfüllt. Mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit singt sie sich durch die zahlreichen halsbrecherischen Koloraturen, wobei ihre Stimme stets einen fülligen Klang behält und nicht scharfkantig klingt. Wie sie dann am Ende zur Ud auch orientalische Klänge verlauten lässt, zeigt, welche Bandbreite ihre Stimme hat. Nach der Begnadigung durch den Pascha ist dies der einzige Moment, in dem zu den Klängen der Ud wirklich gesungen wird. Vielleicht ist Rezia von der Güte des Pascha so beeindruckt, dass sie einen Moment überlegt, ob sie nicht doch im Serail bleiben soll. Aber der Pascha unterbricht die Musik und zieht einen Schlussstrich.

Großes Lob gebührt auch den Bergischen Symphonikern unter der Leitung von Florian Frannek, die einen sehr spritzigen und sauberen Haydn-Klang aus dem Orchestergraben zaubern, der die Sänger nicht zudeckt, was bei fehlender Übertitelung der deutschen Passagen und dem mangelnden Bekanntheitsgrad des Werkes durchaus hilfreich ist. Auch der kontrastreiche Klang der Ud liefert ein ungewöhnliches Hörerlebnis. So gab es einhelligen Beifall für alle Beteiligten am Ende der Vorstellung.


FAZIT

Es bleibt zu hoffen, dass die Premiere dieser sehr ambitionierten und einfallsreichen Produktion mit der wunderschönen Musik von Haydn in Wuppertal am 8. Januar 2011 vor volleren Reihen stattfindet als an einem Donnerstag in Remscheid.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Florian Frannek

Inszenierung
Jakob Peters-Messer

Bühne und Kostüme
Markus Meyer

Licht
Fredy Deisenroth

Choreinstudierung
Jens Bingert

Dramaturgie
Johannes Blum




Bergische Symphoniker

Ibrahim Emin Izgialp, Ud


Solisten

Ali, Fürst von Basra
Christian Sturm

Rezia, Prinzessin von Persien
Banu Böke

Balkis
Dorothea Brandt

Dardane
Miriam Scholz

Osmin, Alis Diener
Boris Leisenheimer

Ein Qalander
Miljan Milovi
ć

Der Pascha von Ägypten
Selim Dursun

Offizier
Jochen Bauer

Derwische
Andreas Heichlinger

Lee-Hak Young

Mario del Rio

Oliver Picker

Javier Zapata Vera

Bauchtänzerin
Christiane Overath

 





Weitere Informationen
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Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



Da capo al Fine

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