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Musiktheater
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Rodelinda
Dramma per musica in drei Akten (1725)

Musik von Georg Friedrich Händel
Text von Niccoló Francesco Haym
 

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Dauer: 3 ¾  Stunden – eine Pause
 

Premiere am 20. März 2011
Besuchte (4.) Aufführung am 26. März 2011

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Theater an der Wien
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Hart erkämpftes glückliches Ende

Von Christoph Wurzel / Fotos von Werner Kmetitsch

Es wird tatsächlich heftig gekämpft in dieser actionreichen Aufführung von Händels Rodelinda, für deren szenische Umsetzung Philipp Harnoncourt verantwortlich zeichnet, während sein Vater Nikolaus mit dem Concentus Musicus eher mit scheinbarer Leichtigkeit und doch auch straff und prägnant eine dramatisch atmende Musik beisteuert. Aus der vermeintlich verstaubten Langobarden-Geschichte ist am Theater an der Wien ein echtes Drama mit Musik geworden, das die Spannung locker über fast vier Stunden Spieldauer halten kann.

Foto kommt später Nikolaus Harnoncourt und der Concentus Musicus im Graben des Theater an der Wien; auf der Bühne Konstantin Wolff als Garibaldo


Nikolaus Harnoncourt ist für diese Produktion nach einigen Jahren wieder mit „seinem“ Ensemble an dieses Haus zurückgekehrt, wo seit kurzem wieder die Barockoper neu auflebt. Und er setzt damit erneut einen weiteren  Glanzpunkt. So war es selbstredend schon allein deswegen ein Ereignis, an diesem Ort einen üppigen Händelschen Opernschmaus genießen zu können. Es war musikalische Klangrede mit gleichsam doppelt authentischer Aura zu hören, geboten von einem Ensemble, das seit über fünfzig Jahren nichts Anderes macht, als historisch informiert zu musizieren. Als Urahn dieser Aufführungsweise hat der Concentus Musicus das ganze wechselvolle Spektrum der Alte Musik-Praxis durchlebt und ist inzwischen bei einer souveränen Natürlichkeit und lockeren Lebendigkeit angelangt, als würde die Musik aus dem Moment entstehen und könne gar nicht anders klingen, als sie eben gerade  erklingt. Und der 81jährige Harnoncourt kombiniert am Pult seine überragende Erfahrung mit jugendlicher Ungezwungenheit, dass es nur eine Lust ist. Über den Schlussbeifall, der orkanartig über die Mitwirkenden hereinbricht, scheint gerade er sich am unbefangensten, spontansten zu freuen.
Musikalisch ist dieser Händel-Abend auch wirklich sensationell. Das Orchester ist in Hochform, lotet Händels Klangaffekte exzellent aus, zaubert Klangfarben reinster und schönster Leuchtkraft hervor, schmettert dramatisch, federt leicht und seufzt ergreifend diese wunderbare Musik.  Ein exzellentes Sängerensemble gibt zudem sein ganzes Können in diesem szenisch rasant ablaufenden spannenden Operngeschehen. Alle spielen enorm präsent ihre Rollen und erweisen sich sängerisch auf dem Höhepunkt ihrer Kunst.


Foto kommt später

Danielle de Niese (Rodelinda) und Bejun Mehta (ihr Gatte Bertarido) beim Abschiedsduett des 2. Aktes

Danielle de Niese gibt die Titelheldin als eine  Persönlichkeit mit starken Gefühlen, die sich den Avancen des Usurpators Grimoaldo nicht nur selbstbewusst und entschieden widersetzt, sondern auch in ihrem Schmerz über den (vermeintlichen) Tod ihres Gemahls Bertarido in ein heftiges Gefühlschaos fällt. Ihre Darstellung der langobardischen Königin steigert sich bis hin zu tragischem Medea-Format, wenn Rodelinda sich der zudringlichen Macht Grimoaldos nur noch dadurch erwehren kann, dass sie ihn auffordert, als Preis der Vermählung mit ihr ihren und Bertaridos Sohn Flavio zu töten. Diese Szene des 2. Aktes wird zu einer der dramatischsten dieser an zwingender Bühnenrealität reichen  Aufführung.

Der Countertenor Bejun Mehta, einer der besten momentan seines Fachs, zeigt den vetriebenen und für tot gehaltenen Langobardenkönig Bertarido als ergreifend sensiblen Charakter, schwankend zwischen seiner Trauer über den Verlust der geliebten Familie und der Hoffnung auf Rückkehr auf den Thron. Im ergreifenden Liebes- und Abschiedsduett des 2. Akts, nachdem der neue Machthaber Grimoaldo den zurückgekehrten König gefasst und zum Tode bestimmt hat, mischen sich die Stimmen Mehtas und de Nieses zu einem erschütternden Lamento, das dank dem von Harnoncourt  sensibel geführten Orchester direkt zu Herzen geht.

Auf der Seite der Schurken in diesem bösen Eroberungsdrama finden wir Grimoaldo, den Eindringling in das Langobardenreich. Die Regie zeichnet ihn als einen seinem Begehren gegenüber Rodelinda völlig ausgelieferten Mann, der umso unberechenbarer  und gefährlicher wird, je weniger er zum Ziel kommt. Als er erkennen muss, dass Rodelinda ihn nicht erhören wird, ritzt er sich ein blutendes Herz in die Haut. Kurt Streit spielt die Rolle fast erschreckend realistisch und wird ihr zudem sängerisch glänzend gerecht. Garibaldo, den intriganten, zynischen Drahtzieher, der vor allem aus Eigennutz alles dransetzt, Grimoaldo mit Rodelinda zu verkuppeln, verkörpert brillant Konstantin Wolff. Man bedauert, dass er nur eine Arie in der Oper hat, die der Bariton höchst charaktervoll gestaltet.


  Kurt Streit als Grimoaldo mit Malena Ernman als Eduige, Schwester des verbannten Königs Bertarido.Foto kommt später


In diesem von heftigen Kämpfen geprägten Beziehungsgestrüpp nehmen zwei Figuren vermittelnde Positionen ein. Da ist zuerst Bertaridos Schwester Eduige, die sich nicht eindeutig zwischen Verlobtem (Grimoaldo) und Schwägerin (Rodelinda) entscheiden will und sich schon einmal aus Frust eine schnelle Nummer mit Garibaldo gönnt. Es ist eine Altrolle, für die hier die Schwedin Malena Ernman ein außergewöhnlich markantes Stimmformat mit großem Volumen mitbringt und diesen Bühnencharakter aufregend präsent gestaltet. Und schließlich gibt es noch den edlen Helfer Unulfo, der als eine Art Doppelagent für die neuen Machthaber wie auch für den vertriebenen Bertarido arbeitet und diesen endlich aus dem Kerker befreit. Der im Vergleich zu Mehta stimmlich wesentlich leichtere Counter Matthias Rexroth singt diese Rolle gleichwohl ganz ausgezeichnet.


Foto kommt später Labyrinth fast ohne Entrinnen: Die Bühne aus einem drehbaren Gebäude-Kubus.


Als grausames Spiel der Zerstörung familiärer Geborgenheit hat Philipp Harnoncourt diese Oper inszeniert. So ist der Raum ein in allen Dimensionen offener Kubus aus Pfeilern, Treppen und Ebenen, der auf der Drehbühne immer wieder neue Perspektiven eröffnet. Nirgendwo sind Schutz und Geborgenheit möglich. Zu ihrer Auftrittsarie, in der sie ihre Verlassenheit und ihren Protest  ausdrückt, bleibt der vom Feind bedrängten Rodelinda nur, sich in den Kleiderschrank zu verkriechen. Ein Gegenbild zu der zerstörten Familie Rodelindas, Bertaridos und ihres Sohnes Flavio wird immer wieder in Gestalt von Unulfos intakter Familie vorgeführt, freilich bisweilen mit einem Gran Ironie gewürzt. In starkem Kontrast dazu sind die Eindringlinge, Grimoaldo mit seinen brutalen Bodygards, gezeichnet. Ohne vordergründige Parallelen zu ziehen ist dennoch ein packendes Gegenwartsdrama gelungen – nicht zuletzt auch dank einer subtilen Personenführung und intensiver darstellerischer Kraft. Das auch in dieser Oper trotz   erschütternder Verwicklungen unvermeintliche lieto fine wird auch vom Publikum regelrecht ersehnt – Entspannung mit echt kathartischer Wirkung.


FAZIT

Barockoper: szenisch ganz in der Gegenwart verortet, musikalisch aus dem Geist und mit dem Wissen der Tradition gestaltet. Eine faszinierende Kombination aus Alt und Neu.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Nikolaus Harnoncourt

Inszenierung
Philipp Harnoncourt

Ausstattung 
Herbert Murauer

Mitarbeit Ausstattung
Barbara Pral

Licht
Bernd Purkrabek

Choreografie
Thom Stuart


Statisterie des Theater an der Wien

Concentus Musicus Wien



Solisten

Rodelinda
Danielle de Niese

Bertarido
Bejun Mehta

Grimoaldo

Kurt Streit

Garibaldo
Konstantin Wolff

Eduige
Malena Ernman

Unulfo
Matthias Rexroth

Schauspieler:

Flavio
Luis Neuhold

Flavios Freund

Angelo Margiol

Hausbewohner

Irene Budischowsky
Daniela Klassen
Lisa Mersi
Andreas Gräbe
Adem Karaduman
Eric Lomas
Rochus Weiser


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Theater an der Wien
(Homepage)





Da capo al Fine

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