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Il trovatore (Der Troubadour)

Oper in acht Bildern
Text von Salvatore Cammarano, mit Ergänzungen von Leone Emanuele Bardare
Nach dem Drama El Trovador von Antonio García Gutiérrez
Musik von Giuseppe Verdi


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 50 (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Bonn am 25. März 2012
Koproduktion mit der Volksoper Wien


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Theater Bonn
(Homepage)

Empörung über die Behandlung der Zigeuner

Von Thomas Tillmann / Fotos von Thilo Beu


Szenenfoto

Azucena (Chariklia Mavropoulou) fordert ihren "Sohn" Manrico (George Oniani) auf, ihre auf dem Scheiterhaufen verbrannte Mutter zu rächen.

Verdis Troubadour scheint Dietrich Hilsdorf nicht loszulassen: 1991 hatte er sich am Aaltotheater diesem Werk zugewandt, das viele wegen des vermeintlich schwachen Librettos nicht ernst nehmen können, und vor allem wegen seiner plakativen, provozierenden Kirchenkritik einen veritablen Theaterskandal ausgelöst, 2001 gab es in Essen ein schwaches Remake davon. Manches von damals erkennt man auch in der Neuinszenierung von 2012 wieder, die auch an der Wiener Volksoper gezeigt werden wird, aber insgesamt ist Hilsdorfs Werksicht inzwischen doch gemäßigter, durchdachter, weniger dem äußeren Effekt verpflichtet, ja, im ersten Teil beinahe konventionell, wenn auch handwerklich gut gemacht (der Mann weiß, wie man Sänger zum Spielen bringt, wie man einen großen Chor führt), was ja seine meisten Produktionen auszeichnet.

Szenenfoto

Graf Luna (Mark Morouse) hält sich, auf einem Kruzifix liegend und mit einem schwarzem Tuch bedeckt, in der Kirche versteckt, in der Leonora in Kürze den Schleier nehmen will (Statisterie, Chor und Extrachor des Theater Bonn).

Noch immer und ja keineswegs zu Unrecht prangert er im Verbund mit seinem Regie-Partner Ralf Budde den ungezügelten Hass auf die Zigeuner an, lässt im Programmheft aus Stéphane Hessels "Empört euch!" zitieren, der die "Behandlung der Zuwanderer, der in die Illegalität Gestoßenen, der Sinti und Roma", zu den Themen zählt, für die Empörung sich auch im 21. Jahrhundert lohnt, deutet Verdis Oper wie Ulrich Schreiber in seinem "Opernführer für Fortgeschrittene" als "Parabel über die Unterdrückung von Minderheiten", kritisiert unbarmherzig die von der Kirche geduldete, wenn nicht geschürte Jagd auf vermeintliche Hexen. Das ganze Stück spielt in einem riesigen Sakralgebäude (ein großes Kompliment an Bühnenbildner Dieter Richter und die Bühnentechnik, während die Kostüme von Renate Schmitzer eher eine Nebenrolle spielen), in dem den Zigeunern nur ein heruntergekommener Bereich zugeteilt ist, ihre auf einer schlichten Tonne installierte, verstaubte Madonna sieht der Zuschauer sicher nicht zufällig nur von hinten. Luna, selbstherrlicher Repräsentant einer pervertierten herrschenden Schicht, lässt den Christus von der Kopie eines Kruzifixes von Benvenuto Cellini aus dem Escorial nehmen, um selber an der Stelle des Gekreuzigten auf den richtigen Moment zu warten, um Leonora davon abzuhalten, den Schleier zu nehmen - der Graf betrachtet Gott als einen Nebenbuhler, von dem er sich seine Geliebte nicht rauben lassen will. Als er sein Unterfangen von Manrico, dem Unterprivilegierten, dem Außenseiter in seinem Künstlertum und seiner scheinbaren Zugehörigkeit zu den Zigeunern, vereitelt sieht, drückt er sich gar die Dornenkrone auf den eigenen Kopf.

Szenenfoto

Azucena (Chariklia Mavropoulou) wird von Lunas Leuten (Chor, Extrachor und Statisterie des Theater Bonn) um ihr Augenlicht gebracht.

Deutlich brutaler wird es nach der Pause: Ungeniert leben Ferrandos Männer, angeführt von einem verlotterten Arzt und einem schäbigen Geistlichen, ihre Gewaltfantasien aus, natürlich darf da eine Vergewaltigung nicht fehlen, die Maske hatte zweifellos alle Hände voll zu tun, um die in Käfige gesperrte Zigeuner mit Blut und Brandmalen zu versehen. Ich muss sagen, dass mir dieses Übermaß an gezeigter Gewalt mit den Jahren immer unerträglicher wird. Besonders das Schlussbild hatte ich noch lange im Gedächtnis: Azucena, die Tochter einer "Seherin", hat man ihrer Augen beraubt, dem Laute spielenden Troubadour die Finger abgesägt, "beide verhöhnend als ihr eigenes Klischee ausgestattet", wie es im Programm beschrieben wird. Bei aller Schockwirkung, die von solchen Szenen ausgeht, ist das, was bleibt, der Eindruck, dass Hilsdorf eine ernst gemeinte Ehrenrettung eines viel gescholtenen Werkes gelingt, das eben mehr zu bieten hat als Verdis großartige Kantilenen und das eben doch nicht in den Konzertsaal verbannt gehört.

Szenenfoto

Nach dem Gifttod Leonoras (Irina Oknina) führt Luna (Mark Morouse) Azucena (Chariklia Mavropoulou) zur Hinrichtung.

Irina Oknina verfügt über einen gar nicht kleinen, aber doch immer noch lyrischen Sopran, sie hat keine wirklichen Probleme mit der nicht einfachen Partie der Leonora, findet zu wunderbar verinnerlichten, berührenden Tönen im Kloster, aber an mancher Stelle fehlt es ihr einfach an Stimme, an Volumen und Durchschlagskraft (merkwürdigerweise nicht im "Miserere", das sie mit großer Entschlossenheit angeht), an Farbenreichtum etwa in der zweiten Arie, um wirklich überzeugen zu können (nicht zu Unrecht haben in vergangenen Jahrzehnten immer wieder dramatische Soprane diese Rolle übernommen, die dann freilich häufig mit dem schnelleren Teil der Auftrittsarie ihre liebe Mühe hatten), ihrem Singen das letzte Quentchen an Feinschliff und Phrasierungseleganz, das gute Leistungen von sehr guten unterscheidet. Chariklia Mavropoulous wuchtiger, kräftiger, herber Mezzosopran passt hervorragend zur Azucena, die Deutsch-Griechin setzt ihn schonungslos und mit wenigen Zwischentönen, aber sehr imponierend ein, nur einzelne Spitzentöne lassen erkennen, dass die Stimme hier ein wenig an Rundung verliert. Der erst 1974 geborene George Oniani war nichts weniger als eine hervorragende Besetzung für die gefürchtete Titelpartie, die Stimme des Georgiers hat die richtige dunkle Farbe, besitzt Nachdruck und Stamina und findet doch auch immer wieder zu sensiblen, zurückgenommenen Tönen, punktet aber vor allem mit einer ohne Anflug von Nervosität souverän gemeisterten Stretta (mit zwei Versen und fast ein wenig zu hoch angesetztem Schlusston). Mark Morouses kräftiger Bariton mag nicht das edelste Timbre aufweisen, der Höhenaufschwung im "Il balen" erfordert harte Arbeit und einigen Anlauf, zartes Piano ist nicht einfach nach mächtigen Forteentladungen, rhythmisch leistet der Amerikaner sich auch einige Freiheiten, stilistisch ist da noch das eine oder andere zu vervollkommnen, aber trotzdem ist sein Rollendebüt als Luna durchaus als gelungen zu bezeichnen, zumal der Sänger auch szenisch in den letzten Jahren deutlich an Präsenz hinzugewonnen hat. Ramaz Chikviladze sang den Ferrando mit klangvollem, imposanten, aber noch etwas ausdrucksarmen Bass, einen überraschend schwachen Eindruck hinterließ Susanne Blattert in den kurzen Passagen der Ines, Mark Rosenthal bleibt als Ruiz in Erinnerung, weil er wie schon damals der Kollege in Essen als Zigeunerin verkleidet erscheinen muss. Szenisch stark gefordert waren die Chöre, so dass die Damen und Herren sich musikalisch nicht ganz so einheitlich präsentierten wie an manch anderen Abenden (Einstudierung: Sibylle Wagner), nichtsdestotrotz gab es auch hier viele hervorragende Momente. Robin Engelen, Erster Kapellmeister am Theater Bonn, präsentiert einen spannenden, glutvoll-zupackenden, noch nicht immer ganz ausgewogenen und an einigen Stellen vielleicht etwas zu knallig tönenden Verdi.


FAZIT

Ein packender Theaterabend ist dieser konsequent und engagiert erzählte, ernst genommene Trovatore vor allem im zweiten Teil allemal, aber kein leicht verdaulicher - insofern ist es doch eine "echte" Hilsdorf-Inszenierung. Verdis Musik kommt trotz allem und in manchen Momenten auf hohem Niveau zu ihrem Recht.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Robin Engelen

Inszenierung
Dietrich W. Hilsdorf

Co-Regie
Ralf Budde

Bühne
Dieter Richter

Kostüme
Renate Schmitzer

Licht
Thomas Roscher

Choreinstudierung
Sibylle Wagner

Dramaturgie
Michaela Angelopoulos


Statisterie des Theater Bonn

Chor und Extrachor des Theater Bonn

Beethoven Orchester Bonn


Solisten

Graf Luna
Mark Morouse

Ferrando
Ramaz Chikviladze

Leonora
Irina Oknina

Ines
Susanne Blattert

Manrico
George Oniani

Ruiz
Mark Rosenthal

Azucena
Chariklia Mavropoulou



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