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Œdipe

Tragédie lyrique in vier Akten und sechs Tableaus
Libretto von Edmond Fleg
Musik von George Enescu


In französischer Sprache mit flämischen und französischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere am 22. Oktober 2011, La Monnaie Brüssel
Koproduktion mit dem Théâtre National de l'Opéra de Paris


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La Monnaie
(Homepage)
Schuldlos schuldig

Von Joachim Lange / Fotos Bernd Uhlig


Vergrößerung in neuem Fenster Ein imponierendes Relief der Erinnerung

Monnaie-Chef Peter de Caluwe hat einen untrüglichen Instinkt für Drahtseilakte. Er ist in seinem fünften Jahr auf dem Chefsessel der Brüsseler Oper unumstritten und längst verlängert worden, hält also die Balance zwischen den Begehrlichkeiten der zwei Landesteile, die es sich geleistet haben, ein Jahr ohne eine Zentral-Regierung auszukommen. Vor allem liefert er aber mit einem für eine Hauptstadtoper vergleichsweise bescheidenen Etat in jeder Hinsicht Qualität. Seine Melange aus hohem musikalischem Niveau, Gespür für die richtige Kombination von Künstlern und mutiger Programmpolitik kommt bei Publikum und Kritik an. So ist es kein Wunder, dass sein Haus heuer als erstes im nichtdeutschsprachigen Europa den begehrten Titel „Opernhaus des Jahres" beim deutschen Kritiker-Ranking eingefahren hat.

Wurde zum Finale der prämierten Spielzeit aus Meyerbeers Hugenotten (unsere Rezension) eine Rehabilitierungs-Großtat, so beginnt die neue gleich mit George Enescus (1881-1955) Œdipe. Was man durchaus als dezidiert europäisches Statement verstehen darf, hat doch hier ein frankophiler Rumäne für seine einzige Oper einen zentralen Stoff aus der Frühzeit der europäischen Zivilisation eine expressive, von vielen Einflüssen inspirierte, aber doch eigenständig gültige Tragédie Lyrique gemacht. 1936 in Berlin uraufgeführt blieb Œdipe, sieht man von rühmlichen Ausnahmen, wie der mit Wien koproduzierten Berliner Götz-Friedrich-Inszenierung von 1996 ab, ein seltener Gast auf den Opernbühnen. Wobei man sich nach der einhellig akklamierte Premiere vom Wochenende schon fragt: Wieso eigentlich?

Vergrößerung in neuem Fenster

Die Rätes der Sphinx

Der Stoff gehört zum Kernbestand der europäischen Literatur. Die Geschichte der schicksalhaften Verstrickung des Mannes, der dem verhängnisvollen Orakelspruch nicht entkommt, hat Format. Ganz gleich, ob man sie individuell psychologierend oder mehr als ein Gleichnis über die Verantwortlichkeit des Menschen für sein Tun deutet, bei dem die Gefahr, schuldig zu werden, wie ein archaisches Vermächtnis aus der Vergangenheit droht. Vor allem auf diesem Pfand wandelt Regisseur Alex Ollé, der seine Wurzeln in der spanischen Theatergruppe La Fura dels Baus hat, aber längst zu souveräner Unabhängigkeit seiner Bildersprache gefunden hat. Die imposant archaische Bühne von Alfons Flores beherrscht zunächst ein vierfach übereinander geschichtetes Relief mit Menschen, die eine Geschichte aus grauer Vorzeit überliefern. Die Freude über das Neugeborene, der unheilvolle Orakelspruch, die vorsorgliche Aussetzung des Kindes, werden so zu einer quasi zweidimensionalen Erinnerung, bei der Bewegungen nur angedeutet sind.

Vergrößerung in neuem Fenster Dietrich Henschel als Oedipe und Natascha Petrinsky als Iokaste

Den archaischen Grundton behält die Bühne aber auch dann bei, wenn diese Wand wie eine Palastfassade nach hinten rückt und eine Spielfläche einrahmt, auf der Ödipus dann als junger Mann seine Pflegemutter befragt, sich in düster nebliger Nacht aggressiver Autofahrer erwehrt und dabei seinen leiblichen Vater erschlägt, der Sphinx (Marie-Nicole Lemieux imponiert in einem abgestürzten Flugzeug) auf ihre Fragen mit „Der Mensch“ antwortet, damit Theben rettet, König wird und seine Mutter Jokaste (Natascha Petrinsky) heiratet. Die Selbstentlarvung des Königs als Königsmörder dann ist ein finsteres Katastrophenszenario mit Verletzten und Toten im ground zero-Format, bei der sich Dietrich Henschel in der mörderischen Hauptpartie als Ödipus bis an seine Grenzen verausgabt. Wenn er als einsamer, blinder Mann in Kolonos von einem göttlichen Wasserfall gereinigt wird und er ins erlösende Licht geht, sind diese Welt und ihre Menschen zum Teil längst wie in der Asche von Pompeji versunken.

Wie schon bei Ligetis Le Grand Macabre mit dem gleichen Team am gleichen Ort, steht wieder der Salzburger Musikdirektor Leo Hussain am Pult des La Monnaie–Orchesters und liefert mit seiner hochkarätigen musikalischen Präzision und Intensität genau die Balance zwischen packender Dramatik und zelebriertem Pathos, die dieses grandiose Werk braucht, um in aller Monumentalität und Archaik auch zu berühren.


FAZIT

Das La Monnaie Theater in Brüssel setzt mit der Neuproduktion von Enescus Œdipe seinen künstlerischen Kurs fort, der ihm für die vergangene Spielzeit den Titel „Opernhaus des Jahres“ einbrachte.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Leo Hussain

Konzept
Alex Ollé (La Fura dels Baus)

Inszenierung
Alex Ollé
Valentina Carrasco

Bühne
Alfons Flores

Kostüme
Lluc Castells

Licht
Peter Van Praet

Chor
Martino Faggiani

Jugendchor
Benoît Giaux



Chöre und Orchester des
Theater La Monnaie


Solisten

Oedipe
Dietrich Henschel

Tirésias
Jan-Hendrik Rootering

Créon
Robert Bork

Le Berger
John Graham-Hall

Phorbas
Henk Neven

Le Veilleur
Frédéric Caton

Thésée
Nabil Suliman

Laios
Yves Saelens

Jocaste
Natascha Petrinsky

La Sphinge
Marie-Nicole Lemieux

Antigone
Ilse Eerens

Mérope
Catherine Keen

Une femme thébaine
Kinga Borowska



Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
La Monnaie
(Homepage)



Da capo al Fine

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