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Castor et Pollux

Tragédie mise en musique in fünf Akten und einem Prolog (Version 1737)
Libretto von Pierre-Joseph Bernard, dit Gentil-Bernard
Musik von Jean-Philippe Rameau


in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Düsseldorf am 28. Januar 2012


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Rheinoper
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Einheit von Gesang und Tanz

Von Thomas Molke / Fotos von Gert Weigelt

Zum Abschluss des auf drei Jahre angelegten Rameau-Zyklus hat sich die Deutsche Oper am Rhein etwas Besonderes einfallen lassen. Zum einen präsentiert sie nach den beiden komischen Werken Les Paladins und Platée erstmals eine Tragédie und geht dabei von Produktion zu Produktion zeitlich weiter ins 18. Jahrhundert der französischen Barockmusik zurück. Zum anderen zeichnet Martin Schläpfer, der vor zwei Spielzeiten als Direktor und Chefchoreograph das Ballett am Rhein übernommen hat, erstmals in Düsseldorf für eine Inszenierung verantwortlich, in der die Oper und der Tanz gleichberechtigt nebeneinander stehen und die somit beide Sparten bedient. So konnte mit großer Spannung erwartet werden, wie kompatibel Schläpfers Stil, der sich dem Handlungsballett im klassischen Sinn verweigert, mit einer Oper ist, in der in klarer dramaturgischer Struktur eine Geschichte erzählt wird.

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Vénus (Iryna Vakula) und Mars (Christophe Gay).

Anders als in Pina Bauschs berühmter Tanzoper Orpheus und Eurydike stellt Schläpfer nicht jedem Sänger einen Tänzer zur Seite, der die besungenen Affekte in Bewegungen umsetzt, sondern lässt das Ballett-Ensemble in einem variationsreichen Bewegungskanon von Contemporary Dance in großdimensionalen Gruppensequenzen über Soli bis hin zu klassisch anmutenden Pas de deux beziehungsweise trois eine eigene Sprache entwickeln, die sich im Allgemeinen auf den Handlungsstrang der Oper übertragen lässt. Alle Einfälle lassen sich dabei jedoch nicht nachvollziehen. So sitzt bereits vor der Ouvertüre ein Tänzer (Jörg Weinöhl) neben dem Orchestergraben und beobachtet von dort aus den nach der Ouvertüre folgenden Prolog. Am Ende des Abends wird Weinöhl an diesen Ort zurückkehren. Ist er ein Betrachter, der in die Geschichte hineingezogen wird? Des Weiteren bleibt unklar, warum zwei Tänzer unter dem grauen vorne kürzeren und hinten etwas längeren Einheitskleid des Ballett-Ensembles roten Stoff tragen, während bei allen anderen Tänzern der Stoff darunter gelb ist. Während der Tanzsequenzen lässt sich nämlich kein inhaltliches Unterscheidungsmerkmal zwischen den Tänzern erkennen, auch wenn Helge Freiberg während des Prologs mit rotem Stoff dem Gott L'Amour und Marlúcia do Amaral später mit gelbem Stoff der Prinzessin Phébé, also einer Sterblichen, zugeordnet werden. Auch die Gruppensequenz, in der das Ensemble nach der Ouvertüre vor dem Prolog ohne Musik tanzt, erschließt sich nicht.

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Ensemble-Szene im Prolog (ganz rechts: L'Amour (Ovidiu Purcel), Chor, vorne Ballett am Rhein, Mitte hinten: Minerve (Katarzyna Kuncio), rechts Hébé (Feline van Dijken)).

Die Bühnen- und Kostümbildnerin rosalie, die mit Schläpfer bereits das Ballett Neither in der Spielzeit 2010 erarbeitete, hat für den Bühnenhintergrund ein monolithisches Konstrukt aus weißen Röhren von unterschiedlicher Länge entworfen, welches aufgrund seiner Asymmetrie und der von rosalie entworfenen Lichteinstellungen unterschiedliche Assoziationen hervorruft. Während des Prologs kann man sich darunter den schneebedeckten Olymp vorstellen, von dem aus die mythologischen Götter die Welt beherrschen. Bei Jupiters Auftritt öffnet sich dieses Konstrukt sogar. Wenn Pollux im dritten Akt vor der Pforte der Unterwelt steht, um seinen geliebten Bruder Castor ins Leben zurückzuholen sieht man die Röhren hinter einem enormen grauen Bühnenquader, auf dem zwei grüne Neonröhren den Weg in die Unterwelt weisen, in fahlem grünen Licht scheinen. In der Unterwelt selbst im vierten Akt ist das Weiß der Röhren keineswegs so strahlend wie bei den Göttern, sondern wirkt eher matt. Bisweilen lassen sich die Öffnungen der Röhren auch als Firmament betrachten, an das die Dioskuren von Jupiter am Ende des Stückes versetzt werden. Während von diesem Bühnenkonstrukt eine künstlerische Faszination ausgeht, bleibt die weitere Bühnengestaltung eher unklar. So stehen Vénus und Mars während des Prologs auf einem Gebilde, das an einen Sprungturm in einem Schwimmbad erinnert. Was die überdimensionalen weißen Federbälle in den Gefilden der Seligen bedeuten sollen, wo Castor sein Schicksal beklagt, entzieht sich ebenfalls dem Verständnis. Wunderschön hingegen sind die riesigen bunten Tüllblüten, mit denen Hébé Pollux den Reiz ewiger Jugend vorführt.

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Pollux (Günes Gürle) zwischen zwei Frauen: Télaïre (Alma Sadé, rechts) und Phébé (Claudia Braun, mit Marlúcia do Amaral als Alter Ego).

Wie für das Ballett-Ensemble hat rosalie auch die Figuren der Oper durch die Kostümierung deutlich in Gruppen voneinander abgegrenzt. So tragen die Götter Kothurne, Stiefel mit extrem hohen Sohlen beziehungsweise Absätzen, die die Schauspieler im antiken Theater getragen haben und die die Götter somit größenmäßig über die anderen Figuren erheben. Die Kostüme der Götter sind in der Form fantasievoll gehalten und erinnern an Comiczeichnungen. Die silbrige Farbe mit den roten Farbtupfern hebt sie deutlich von den Sterblichen ab, die in weiße Gewänder gekleidet sind. Castor und Pollux tragen ein leicht silbriges, fast durchsichtiges ärmelloses Shirt, das ihren Zwischenstatus zwischen Sterblichen und Göttern hervorhebt. So ist Pollux ja als Kind von Leda und Jupiter immerhin ein Halbgott. Dies trifft zwar auf Castor nicht zu, da sein Vater ein Mensch ist, wobei die Bruderliebe aber schlussendlich dazu führt, dass auch ihm von Jupiter in gewisser Weise ein halbgöttlicher Status zuerkannt wird.

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Hébé (Feline van Dijken) versucht, Pollux (Günes Gürle) mit dem Reiz ewiger Jugend zu locken (im Hintergrund links: Jupiter (Sami Luttinen) und Mitglieder des Ballett am Rhein).

Neben dem Ballett-Ensemble, das, auch wenn sich nicht der komplette Bewegungskanon erschließt, in ästhetisch beeindruckenden Gruppensequenzen das hohe Niveau des Hauses im Bereich der Tanzsparte unterstreicht, verfügt die Deutsche Oper am Rhein auch über ein Sänger-Ensemble, das sich nicht nur auf Schläpfers Choreographie einlässt, sondern auch ein tänzerischer Teil davon wird. So geben Jussi Myllys als Castor mit leuchtendem lyrischen Tenor und Günes Gürle mit markantem Bass nicht nur stimmlich ein ideales Brüderpaar ab, sondern drücken auch in homogenen Bewegungen ihre innere Verbundenheit aus. Auch der Tanz, in den sie mit Alma Sadé als von beiden Brüdern angebeteten Prinzessin Télaïre in einer Traumsequenz verfallen, zeigt ihre darstellerischen Fähigkeiten. Gleiches gilt für Alma Sadé, die die Prinzessin Télaïre mit strahlendem Sopran ausstattet. Claudia Braun begeistert mit etwas dunkel gefärbtem Sopran als Phébé, die verzweifelt darum kämpft, von Pollux geliebt zu werden, und in ihrer Racheszene "Castor revoit le jour", wenn sie erkennt, dass Pollux wirklich für den Bruder die Unsterblichkeit aufgegeben hat, regelrechte Furien der Unterwelt heraufbeschwört. Erst wenn sie selbst am Ende der Oper als Schatten der Unterwelt den ewigen Glanz der Dioskuren besingt, in dem sie jetzt am Firmament erstrahlen werden, stellt sie unter Beweis, dass sie auch die leisen lyrischen Töne mit gleicher Ausdruckskraft beherrscht. Schläpfer stellt ihr Marlúcia do Amaral als Tänzerin zur Seite, die zum einen die Wut und Verzweiflung dieser zurückgewiesenen Frau in expressiven Bewegungen darstellt, zum anderen auch im Tanz mit Braun selbst die innere Zerrissenheit dieser Figur zeigt.

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Pollux (Günes Gürle, links) hat in den Gefilden der Seligen endlich seinen Bruder Castor (Jussi Myllys, Mitte) wiedergefunden (im Hintergrund: Jörg Weinöhl).

Von den kleineren Partien lässt vor allem Ovidiu Purcel aufhorchen, der ab dieser Spielzeit Mitglied des Opernstudios der Deutschen Oper am Rhein ist und bereits bei der Abschlussveranstaltung der letztjährigen Klasse als Paolino in Cimarosas Il matrimonio segreto die Qualitäten seines lyrischen Tenors unter Beweis stellen konnte (siehe auch unsere Rezension). Auch die weiteren Solisten und der von Gerhard Michalski homogen einstudierte Chor der Deutschen Oper am Rhein werden dem hohen künstlerischen Niveau des Hauses gerecht. Axel Kober rundet mit der Neuen Düsseldorfer Hofmusik, Düsseldorfs Originalklangensemble, den Abend musikalisch ab und entwickelt mit großer Präzision den magischen Zauber von Rameaus Barockmusik. So gibt es am Ende lang anhaltenden Applaus für die Sänger, Tänzer, Musiker und das Regieteam. Schläpfer scheint folglich auch beim Opern-Publikum der Freundeskreis-Premiere mit seiner Inszenierung und Choreographie ins Schwarze getroffen zu haben.

FAZIT

Es ist schade, dass der Rameau-Zyklus an der Deutschen Oper am Rhein nicht weiter fortgesetzt wird. Die drei Produktionen haben gezeigt, dass es bei diesem doch eher selten gespielten Genie der Barock-Musik noch einiges zu entdecken gibt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Axel Kober

Inszenierung und Choreographie
Martin Schläpfer

Raum, Lichtobjekte und Kostüme
rosalie

Licht
Volker Weinhart

Chor
Gerhard Michalski

Dramaturgie
Anne do Paço




Chor der Deutschen Oper
am Rhein Düsseldorf Duisburg

Neue Düsseldorfer Hofmusik

Violoncello
Nicholas Selo

Kontrabass
Roberto Fernandez de Larrinoa

Cembalo
Christoph Lehmann


Solisten

Vénus
Iryna Vakula 

Mars
Christophe Gay

Minerve
Katarzyna Kuncio

L'Amour
Ovidiu Purcel

Jupiter
Sami Luttinen

Castor
Jussi Myllys

Pollux
Günes Gürle

Télaïre
Alma Sadé

Phébé
Claudia Braun

Der Hohepriester Jupiters
Dmitry Lavrov

Zwei Athleten
Tansel Akzeybek
Attila Fodre

Dienerin Hébés
Maria Kataeva

Ein glücklicher Schatten
Romana Noack

Hébé
Feline van Dijken

Mercure
Jackson Carroll

Ballett am Rhein

Sachika Abe
Marlúcia do Amaral
Wun Sze Chan
Mariana Dias
Yuko Kato
So-Yeon Kim
Anne Marchand
Nicole Morel
Louisa Rachedi
Claudine Schoch
Virginia Segarra Vidal
Julie Thirault
Helge Freiberg
Antoine Jully
Sonny Locsin
Marcos Menha
Bruno Narnhammer
Bogdan Nicula
Sascha Pieper
Boris Randzio
Alexandre Simões
Remus
Şucheană
Maksat Sydykov
Jörg Weinöhl




Weitere Informationen
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