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The Rake's Progress

Oper in drei Akten und einem Epilog
Text von H.W. Auden und Chester Kallman
Musik von Igor Stravinsky


in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere am 23. Mai 2012 im Opernhaus Düsseldorf


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Rheinoper
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Schleichwerbung in der Düsseldorfer Oper!

Von Michael Cramer / Fotos von Hans-Jörg Michel

Der Teufel Nick Shadow zeigt seinem Opfer Tom in der futuristischen Londoner Wohnung seinen Heiratsvorschlag Baba - deutlich erkennbar – auf einem iPad, auch die Brötchen, welche die Wundermaschine aus Porzellan-Scherben produziert, purzeln aus einer braunen McDonald's-Tüte. Bezahltes „product-placement“ etwa ? Dazu könnte gar der einleitende Appell von Chefdramaturgin Hella Bartnig und der Ann-Darstellerin Anett Fritsch zum dräuenden Ende der Theaterehe mit Duisburg passen. Kohle fehlt halt an allen Ecken und Kanten; im benachbarten Köln, wo inzwischen ein tragfähiger Spielplan-Kompromiss gefunden wurde, scheint eine Unterschrifts-Aktion schon etwas bewegt zu haben.

Foto kommt später

Bunt-schillernde Party bei Mama Goos

Eine prächtige, einhellig bejubelte, allerdings nicht ganz ausverkaufte Premiere wie die von Strawinskys The Rake´s Progress ist ein sehr wesentlicher Baustein für die Existenzberechtigung einer Oper und auch für die Akzeptanz von Seiten der Stadt; es zu hoffen, dass die Entscheidungsträger auch regelmäßig in die Oper gehen. Hochstehende Kultur lockt nicht nur andere Kunstschaffende, sondern auch zahlungskräftige Wirtschaftsunternehmen und Fremde in die Städte. Auch ein Werk wie Rake, genauso wie die jüngst inszenierte Turn of the Screw-Produktion sind notwendig neben Ohrwürmern wie Traviata oder Aida.

Strawinsky, gebürtiger Russe mit Lebensmittelpunkt in Paris, zog es in den 40ern nach Amerika. Die Nazis hatten sein Werk als „Judenmusik“ versucht zu verunglimpfen, obwohl er kein Jude war. Dort entdeckte er 1947 im Chicago Art Institute eine Kupferstich-Serie des Engländers W. Horarth mit dem Titel „The Rake´s Progress“ von 1732, was ihn zu einer gleichnamigen Oper inspirierte. Rake blieb sein einziges Opus dieses Genres, kein Werk der Moderne, sondern eher ein Mozart´sches „Dramma giocoso“, quasi eine intellektuell-spaßige Moritatenfolge mit metaphorischen Figuren, aber mit eigenständigen, ausgefallenen Rhythmen und musikalischen Stolpersteinen. GMD Axel Kober zauberte mit seinen blendend aufgelegten Düsseldorfer Symphonikern ein jederzeit dramatisches und durchsichtiges Geflecht an packender Musik, mit weiten schwingenden Bögen, aber auch hartem Zugriff auf die Partitur - wenn auch gelegentlich die Sänger ein wenig überdeckend. Ein Sonderlob gilt den vorzüglichen Bläsern.

Foto kommt später

Ungesundes, deprimierendes Frühstück

Die Geschichte ist rasch erzählt: Tom Rakewell, Faulpelz und Lebemann, verlässt seine Braut Anna, angezogen vom mephistophelischen Strippenzieher Nick Rakewell, der ihn durch eine Erbschaft zu Reichtum verhilft. Der vergnügungssüchtige Tom setzt seine Seele aufs Spiel, bringt sein Geld in zweifelhaften Etablissements durch, heiratet Baba, eine weibliche Jahrmarktsattraktion und geht bankrott an einer Maschine, die angeblich aus Steinen – hier ist es zerschlagenes Porzellan – Brot herstellen kann. Nick fordert als Lohn seine Seele, Tom rät bei seiner letzten Chance drei richtige Spielkarten, Herzdame in Gedanken an Ann. Er entkommt so dem Tode, wird allerdings vom Teufel verflucht. So stirbt er umnachtet und mit Wahnvorstellungen in den Armen von Ann.

Eine solch irre Geschichte lässt sich in vielerlei Art erzählen. Sabine Hartmannshenn hat daraus mit Dieter Richter (Bühne) und Susanne Mendoza (Kostüme) einen bunten, vielschichtigen und spannenden Bilderbogen gezaubert, angesiedelt in der Zeit der Entstehung der Oper. Vom schlichten Holzhaus amerikanischer Art über eine irrwitzige Party im Freudenhaus der vollbusigen Mother Goos, herrlich von Bonita Hyman gespielt und gesungen, über den die Ann abweisenden Portier von Toms luxuriösem Etablissement, der futuristischen Wohnkugel mit Blick auf London, den Szenen in Tom´s Appartement bis hin zur fahlen und gruseligen Friedhofszene. Es gab nicht nur Gutes zu hören, und sondern auch gut herausgearbeitete Einzelcharaktere und Personenbeziehungen.

Foto kommt später

Die Lebensparty ist vorbei – alles muss raus

Die Palme gebührt Matthias Klink, der die Riesenrolle des Tom nicht nur fulminant singt, sondern die Vielschichtigkeit der Person, die innere Zerrissenheit und seine Wahnvorstellungen als überzeugender Singschauspieler perfekt darstellt. Der hochgewachsene, außerordentlich wandlungsfähige Bo Skovhus als sein Gegenspieler Nick Shadow, Diener von Ann´s Vater Truelove (sehr ordentlich Sami Luttinen), setzt seinen fülligen Bariton in den diversen Verkleidungen, Frisuren und Szenen subtil, sehr rollenbezogen und mit intensiver Körpersprache ein; man muss schon zweimal hinschauen.

Anett Fritsch singt die Ann Truelove als liebendes, aber bescheidenes und brav angezogenes Mäuschen mit warmem, klarem und höhensicheren Sopran; ein harter Kontrast zur aufgebrezelten, hier bartlosen Baba (hervorragend Susan Maclean), unnahbar im Hochzeits-Oldtimer der Vierzigerjahre.

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Das sanfte Ende des Wüstlings und die Zukunft der Ann

In der Frühstücksszene stopft Tom seiner Baba, der er überdrüssig geworden ist, eine Banane in den Mund, die Perücke geht fliegen, Baba wird zur nichtssagenden, tristen Figur: Vergänglichkeit des Menschen, wenn der äußere Schein weg ist.
Die Auktion der Habe des insolventen Tom gerät zu einem köstlichen Spektakel vor einem großen Fenster mit Blick auf London und mit viel Bewegung des klangvollen, von Christoph Kurig exakt einstudierten Chores, organisiert vom Auktionator Sellem (tadellos: Bruce Rankin). Einwandfrei auch David Jerusalem als Wärter und Harald Beutelstahl als Gehilfe. Packend dann die fast farblose Friedhofsatmosphäre (Hamlet lässt grüßen), Shadow wieder mit langen schwarzen Mantel und Glatze, Ann jetzt im schicken roten Kleid mit modischer Handtasche als Zeichen ihrer Liebe, aber auch des Aufbruchs in ihre eigene Zukunft. Sie fungiert als Sterbehelferin, der irr gewordene Tom stirbt in ihren Armen.

Zum Schluss heben sich die Wände, übrig bleiben ein paar griechisch anmutenden Säulen als Relikt an die vergangene glanzvolle Zeit, aber auch als äußeres Zeichen, dass es sich bei dieser fast klassischen Nummern-Oper eigentlich nur um eine Auflistung von Szenen handelt.Tom wacht auf, Nick steigt aus dem Grab, auf einmal werden alle Akteure wieder normale Menschen, die dem Publikum von der Rampe aus die Moritat vorhalten - musikalisch eigentlich das Beste aus dem ganzen Werk: „Für faule Herzen findet der Teufel immer eine Beschäftigung“.


FAZIT

Der hervorragend gesungene und gespielte bunte Bilderbogen bietet viel für Auge und Ohr, hat aber auch Tiefe durch intensive Personenführung. Also auch reichlich für´s Herz.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Axel Kober

Inszenierung
Sabine Hartmannshenn

Bühne
Dieter Richter

Kostüme
Susana Mendoza

Licht und Video
Volker Weinhart

Chor
Christoph Kurig

Dramaturgie
Anne do Paço



Chor der
Deutschen Oper am Rhein

Düsseldorfer Symphoniker


Solisten

Tom Rakewell
 Matthias Klink

Anne Trulove
 Anett Fritsch

Nick Shadow
 Bo Skovhus

Baba the Turk
 Susan Maclean

Mother Goose
 Bonita Hyman

Trulove
 Sami Luttinen

Sellem
 Bruce Rankin

Wärter des Irrenhauses
 David Jerusalem

Nick Shadows Gehilfe
 Harald Beutelstahl



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutschen Oper am Rhein
(Homepage)



Da capo al Fine

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