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Musiktheater
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Elias

Szenisches Oratorium nach Worten des Alten Testaments
Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 3. Februar 2012 




Theater Dortmund
(Homepage)
Die Macht der Masse

Von Thomas Molke / Fotos von Bettina Stöß

Felix Mendelssohn Bartholdy hat es in seinem relativ kurzen Leben nicht in die Riege der großen Opernkomponisten geschafft. Sein erster Versuch, die Oper Die Hochzeit des Camacho nach einer Episode aus dem Don Quijote, wurde 1827 in Berlin bei der Uraufführung zwar freundlich aufgenommen, bescherte Mendelssohn aber nicht den Erfolg, den er von seiner bisherigen kompositorischen Tätigkeit gewohnt war. Sein zweiter Versuch, eine Oper Loreley zu komponieren, blieb durch seinen Tod 1847 in den Anfängen stecken, so dass die beiden Oratorien Paulus und Elias seine einzigen weiteren Werke mit Gesang darstellen, die eine dramaturgisch aufgebaute Geschichte erzählen. Dass es sich beim Elias eigentlich um die große Oper handelt, die Mendelssohn zeit seines Lebens schreiben wollte, will Opernintendant Jens-Daniel Herzog in seiner Inszenierung demonstrieren.

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Die Witwe (Julia Amos) an Krankenbett ihres Sohnes (Juls Serger) (rechts: Elias (Christian Sist)).

Neben den namentlich genannten Figuren Elias, König Ahab, der Königin, dem Haushofmeister Obadja und der Witwe, deren Sohn Elias wieder zum Leben erweckt, führt Herzog die anderen Solisten als Engel ein, die Elias den Weg weisen oder das Volk manipulieren. Das einzige Rezitativ, in dem ein Erzähler Elias' Situation schildert und das somit den szenischen Handlungsablauf stören würde, wird in der Inszenierung gestrichen, so dass der gesungene Text mit der Handlung auf der Bühne korrespondiert und die Geschichte darstellt, ohne dabei narrativ zu wirken. Die Witwe und ihr Sohn werden dabei als Figuren aufgewertet, indem sie Elias als Anhänger begleiten, nachdem er den Jungen dem Tod entrissen hat. Dabei ist es genau dieser Knabe, der dem Volk nach der langen Dürreperiode den langsam heraufziehenden Regen verkündet und der bei Elias' Apotheose in sein weißes Sakko schlüpft und auf den kommenden Messias verweist. Die Witwe tritt in Herzogs Inszenierung im zweiten Teil wieder auf und ermahnt das Volk Israels, den eingeschlagenen Weg des rechten Glaubens nicht wieder zu verlassen. Auch wenn Mendelssohn diesen solistischen Part nicht für die Witwe aus dem ersten Akt komponiert hat, scheint Herzogs Ansatz an dieser Stelle durchaus nachvollziehbar.

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Elias (Christian Sist, Mitte) hat die Priester des Baal vor den Augen des Volkes besiegt (Chor, Extrachor und Statisterie).

Um die Aktualität des religiösen Konfliktes zu zeigen, verlegt das Regie-Team die Handlung in die Gegenwart, was sich in den Kostümen von Verena Polkowski äußert. Der Chor stellt in großer Bandbreite die unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten dar, Elias, der König und Obadja treten in Anzügen mit Krawatte wie Politiker auf, die Königin gibt im schicken roten Kostüm eine stereotype Politikergattin und die Engel fungieren in ihren schwarzen Overalls als Sicherheitskräfte, die die Masse im Zaum halten. Auch das Kamerateam darf nicht fehlen, um Elias' Auftritte medienwirksam umzusetzen. Mathis Neidhardt hat dazu einen großen hohen Raum mit offener Decke konzipiert, der als Versammlungssaal fungiert und durch die offene Decke die Möglichkeit bietet, Wunder quasi von oben wirken zu lassen. In der Mitte der Bühne befindet sich ein kreisförmiges Podest, das in den Bühnenboden hinabgelassen werden kann und welches mal als Krankenzimmer für den an zahlreichen Maschinen angeschlossenen todkranken Jungen der Witwe, mal als runder Schreibtisch mit mehreren Computern fungiert, an dem die Priester des Baal versuchen, im Wettstreit mit Elias das Opfertier ohne Feuer in Brand zu setzen. Im zweiten Teil nutzt Elias dieses Podest, um das Volk an einem Rednerpult mit einer feurigen Predigt zurück zum Glauben an den Gott Israels zu bringen.

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Die Königin (Ileana Mateescu) wiegelt das Volk (Hintergrund) erneut gegen Elias (Christian Sist) auf.

Doch diesem glücklichen Ende des Oratoriums misstraut Herzog. Während im ersten Akt im Hintergrund des Saals ein riesiges Emblem mit dem goldenen Kopf eines Stieres umrankt von einem Kranz als Symbol der Hinwendung zum heidnischen Sonnengott Baal prangt und Elias dieses Bild mit einem großen Knalleffekt bei der Entzündung seines Altars herabstürzen lässt, zeigt schon der aufziehende Regen am Ende des ersten Teils, dass das Volk nicht das Ende der Dürreperiode feiert, sondern sich in Liegestühlen unter Palmen dem neu gewonnenen Luxus hingibt. Dazu passt dann auch die Aerobic-Trainerin, die den Chor zu "Dank sei dir Gott" im Finale des ersten Teiles zu Gymnastikübungen antreibt. So wird es auch verständlich, dass im zweiten Teil die Königin im Domina-Kostüm - Sex sells - das Volk schnell erneut gegen Elias aufbringen kann und seinen Tod fordern lässt. Doch ein strahlend weißer Anzug als neues Outfit und der richtige Medieneinsatz mit Luftballons und silbernen Silvesterknallern reichen aus, Elias wieder in die Gunst des Volkes zu bringen. Auf eine große weiße Scheibe, die aus dem Schnürboden herabgelassen wird, wird der glorreiche Held Elias mit der Witwe und dem Knaben an seiner Seite projiziert und von den Massen, selbst vom König und seiner Gattin, gefeiert. Doch die Fähnchen, die das Volk schwingt und teilweise auch überzieht, zeigen das alte Emblem des heidnischen Glaubens. Elias erkennt, dass er für den falschen politischen Weg benutzt wird und zieht sich resigniert ins Publikum zurück. Sein weißes Sakko lässt er auf der Bühne zurück. Wird der Knabe, der in diesem Sakko versinkt und wohl für den kommenden Messias steht, seine Mission in dieser Welt erfüllen können?

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Medienwirksamer Triumph mit Cheerleaderinnen (United Cheer TU Dortmund): Elias (Christian Sist) mit dem Knaben (Juls Serger) und der Witwe (Julia Amos).

Musikalisch lebt das Oratorium natürlich von den zahlreichen großen Chorpassagen, für die Granville Walker den Opern- und Extrachor des Theater Dortmund hervorragend einstudiert hat. Mit einer stimmlichen Wucht macht der Chor als Einheit klar, dass es letztendlich die Masse ist, die darüber bestimmt, wer das Sagen hat. Auch darstellerisch ist der Chor in dieser Inszenierung präsent eingebaut. So ist es die Masse, die bei den anfänglichen Protesten gegen die Dürreperiode - wobei es hier unerklärlicher Weise eher um Protest gegen Arbeitslosigkeit als gegen Hungersnot geht - den Knaben, der hinterher von Elias geheilt wird, niedertrampelt. Auch ist es der fehlende Netzempfang der Handys, der die Menschenmenge erkennen lässt, dass der Weg der Baalpriester der falsche ist. Die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Motonori Kobayashi setzen Mendelssohns Partitur mit großen dramatischen Bögen um und lassen die Aufführung musikalisch zu einem Hochgenuss werden. Besonders lobenswert ist auch Juls Serger, ein Solist der Chorakademie Dortmund, der als Knabe mit kräftiger, heller Stimme den aufziehenden Regen ankündigt.

Von den Engeln können vor allem Anke Briegel und Katharina Peetz begeistern. Briegels Sopran schwebt glockenklar in himmlischen Höhen, während Peetz' Mezzo in den weichen Tiefen ein bisschen irdischer wirkt und somit Peetz den stärkeren Einfluss auf Elias ausüben kann. Ileana Mateescu setzt als Königin mit kräftigem Mezzo vor allem als Domina Akzente und zeigt, dass diese starke Frau durchaus in der Lage ist, die Masse zu manipulieren. John Zuckerman kann als Obadja mit seinem Tenor zumindest in den Höhen nicht durchgängig überzeugen, da seine Stimme an einigen Stellen etwas schrill klingt und Schwierigkeiten hat, sich gegen das Orchester durchzusetzen. Julia Amos hingegen glänzt als Witwe mit leuchtendem Sopran und füllt auch darstellerisch die Rolle bewegend aus. Die Titelpartie ist mit Christian Sist optisch und stimmlich gut besetzt. Mit voluminösem Bass vermag Sist, zum einen seine Wut über das abtrünnige Volk, zum anderen aber auch seine magischen Fähigkeiten überzeugend in Szene zu setzen. Besonders eindringlich gelingt ihm im zweiten Teil seine Arie "Es ist genug", in der er seine Mission als gescheitert betrachtet und nur noch sterben möchte. Bei ihm hätte man auf die Übertitelung aufgrund der klaren Aussprache gut verzichten können. So gibt es am Ende großen Applaus, teils sogar stehende Ovationen für den Chor und die Solisten, und überwiegende Zustimmung für das Regie-Team.

FAZIT

In letzter Zeit wird viel über die schlechte Platzauslastung in der Oper Dortmund diskutiert. Am Programm liegt es bei den bisherigen Inszenierungen sicherlich nicht. Auch diese Produktion ist musikalisch ein Genuss und szenisch durchaus nachvollziehbar.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Motonori Kobayashi

Regie
Jens-Daniel Herzog

Bühnenbild
Mathis Neidhardt

Kostüme
Verena Polkowski

Licht
Ralph Jürgens

Choreinstudierung
Granville Walker

Dramaturgie
Hans-Peter Frings
Georg Holzer

 

Opern- und Extrachor des
Theater Dortmund

Statisterie des
Theater Dortmund

KletterMax Dortmund

United Cheer TU Dortmund

Dortmunder Philharmoniker

 

Solisten

Elias
Christian Sist

Obadja
John Zuckerman

Ein Engel (Sopran)
Anke Briegel

Ein Engel (Alt)
Katharina Peetz

Die Witwe
Julia Amos

Die Königin
Ileana Mateescu

Ein Engel (2. Sopran)
Diane Blais

Ein Engel (2. Tenor), Ahab
Martin Müller-Görgner

Ein Engel (1. Bass)
Hyun Seung Oh

Ein Engel (2. Bass)
Karl Heinz Lehner

Ein Knabe
Juls Serger

Aerobic-Trainerin
Adriana Naldoni


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Dortmund
(Homepage)



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