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Sehr freie Anmerkungen zu Wagners Tannhäuser
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Matthias Jung Als typische Inszenierung zur Repertoire-Pflege wird man Hans Neuenfels' Tannhäuser-Regie aus dem Jahr 2008 ganz sicher nicht bezeichnen wer unvorbereitet (oder sollte man sagen: ungewarnt?) in die Aufführung gerät, wird einige Mühe haben, die Geschichte darin wiederzuerkennen. Mit der Souveränität des Altmeisters, der sich um Lob und Tadel ebenso wenig scheren muss wie um eine stringente Interpretationslinie, hat sich Neuenfels alle Freiheiten genommen und (sehr) freie Assoziationen zum Tannhäuser-Thema collagiert zu Lebzeiten Heiner Müllers hätte man wohl von einem Tannhäuser-Kommentar gesprochen. Das ist oft witzig (etwa wenn der alte Wagner und sein Mäzen Ludwig II. in einer Pantomime aufeinander treffen), gelegentlich anrührend (wenn Wolfram als Arzt in der Irrenanstalt zum Lied an den Abendstern zärtlich die Patienten beruhigt), häufiger zynisch (wenn die Wartburg-Gesellschaft Playboy-Häschen und Schmusekätzchen in Strapsen jagt und auch erlegt) und oft eben auch überraschend plump (nicht nur wenn die Pilger in viel Lack und Leder als keineswegs asexuelle Wesen denunziert werden). Thomas Tillmann hat das in seiner Premierenkritik detailliert beschrieben. Das Urteil über dieses Stationendrama, das Tannhäuser als alter ego des Komponisten zeigt, dürfte angesichts der Fülle an unterschiedlich gelungenen Bildern und Einfällen bei den meisten Besuchern wohl disparat ausfallen. Unbestritten bewundernswert ist dagegen, mit welcher Sorgfalt die Wiederaufnahme szenisch wie musikalisch einstudiert worden ist. Tannhäuser (Jefrey Dowd) und Pilger
Gereift ist das Dirigat von Stefan Soltesz, der so zumindest mein Eindruck, nicht nur aus dieser Aufführung bei aller Strenge den Orchestermusikern die entscheidende Nuance an Freiheit lässt, die in früheren Jahren mitunter fehlte und, bei aller Bewunderung der orchestralen Brillanz, die Dirigate Soltesz' oft auch ein wenig steril erscheinen ließ. Dieser Tannhäuser klingt entspannt und abgeklärt, lebt vom entschlackten, kammermusikalisch klaren Klangbild und von den sehr natürlich gestalteten Phrasierungen. Allein in den Chorszenen wird der Klang etwas massig (da könnte Soltesz den sehr guten und klangvollen, gelegentlich zu allzu starkem Vibrato neigenden) Opernchor noch etwas zurücknehmen aber vielleicht ist dieses etwas lärmende Moment ja durchaus im Sinne der Regie. Auch findet Soltesz eine ausgezeichnete Balance zwischen der führenden und der begleitenden Rolle des Orchesters, deckt die Sänger nie zu und hält doch jederzeit die Spannung. Die Essener Philharmoniker spielen auch an diesem Abend ganz hervorragend. Tannhäuser
Gegenüber der Premierenbesetzung sind zwei Hauptpartien verändert. Jeffrey Dowd (der ursprünglich auch die Premiere singen sollte, aber kurzfristig absagen musste) gestaltet die Titelpartie und hat damit inzwischen fast alle Heldentenor-Rollen Wagners in Essen gesungen obwohl die recht kleine, sehr helle und ziemlich enge Stimme diesem Fach nur bedingt gerecht wird. Das Timbre und die Leichtigkeit mögen den Klangvorstellungen des Dirigenten entgegen kommen, wirklich heldisch sind sie nicht. Allerdings beherrscht Dowd die Partie sicher, hat Höhe und Ausdauer (wobei er sich seine Reserven klug einteilt und natürlich vom sängerfreundlichen Dirigat profitiert) und verfällt nie in Schreierei (was beim Tannhäuser ja durchaus etwas heißen will!). Mit Astrid Weber steht jetzt auch eine Venus von vokalem Format auf der Bühne, mit junger, aber zupackend dramatischer Stimme. Danielle Halbwachs als klangprächtige, großformatige Elisabeth und Heiko Trinsinger als gleichermaßen metallisch-heldischer wie nuanciert lyrischer Wolfram waren schon im Premierenjahr Glanzlichter der Produktion. An Format gewonnen hat der bärbeißige, aber keineswegs rumpelnde Biterolf von Alman Svilpa; solide, aber auch ein wenig neutral ist der (an Stelle von Marcel Rosca neu hinzu gekommene) sehr geradlinige Landgraf von Roman Astakhov.
Im Repertoire-Betrieb einen solchen auch trotz einiger Abstriche immer noch musikalisch hochkarätigen Tannhäuser auf die Beine zu stellen, das ist aller Achtung wert. Die Regie hält für jeden etwas zum Ärgern bereit und bietet doch auch eindrucksvolle Bilder. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Mitarbeit Regie
Bühne und Kostüme
Mitarbeit Bühnenbild
Licht
Chor
Dramaturgie
Szenische Leitung der Wiederaufnahme
Solisten* Premierenbesetzung
Tannhäuser
Elisabeth, Nichte
Venus
Hermann, Landgraf
Wolfram von Eschenbach
Walther von der
Biterolf
Heinrich der Schreiber
Reinmar von Zweter
Ein junger Hirt
Edelknaben
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