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Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg

Romantische Oper in drei Aufzügen
Dichtung vom Komponisten
Musik von Richard Wagner
Dresdener Fassung


in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 4 h (zwei Pausen)

Repertoire-Aufführung im Aalto-Theater Essen am 23. Dezember 2011


Logo:  Theater Essen

Theater Essen
(Homepage)
Sehr freie Anmerkungen zu Wagners Tannhäuser

Von Stefan Schmöe / Fotos von Matthias Jung

Als typische Inszenierung zur Repertoire-Pflege wird man Hans Neuenfels' Tannhäuser-Regie aus dem Jahr 2008 ganz sicher nicht bezeichnen – wer unvorbereitet (oder sollte man sagen: ungewarnt?) in die Aufführung gerät, wird einige Mühe haben, die Geschichte darin wiederzuerkennen. Mit der Souveränität des Altmeisters, der sich um Lob und Tadel ebenso wenig scheren muss wie um eine stringente Interpretationslinie, hat sich Neuenfels alle Freiheiten genommen und (sehr) freie Assoziationen zum Tannhäuser-Thema collagiert – zu Lebzeiten Heiner Müllers hätte man wohl von einem „Tannhäuser-Kommentar“ gesprochen. Das ist oft witzig (etwa wenn der alte Wagner und sein Mäzen Ludwig II. in einer Pantomime aufeinander treffen), gelegentlich anrührend (wenn Wolfram als Arzt in der Irrenanstalt zum „Lied an den Abendstern“ zärtlich die Patienten beruhigt), häufiger zynisch (wenn die Wartburg-Gesellschaft Playboy-Häschen und Schmusekätzchen in Strapsen jagt und auch erlegt) und oft eben auch überraschend plump (nicht nur wenn die Pilger in viel Lack und Leder als keineswegs asexuelle Wesen denunziert werden). Thomas Tillmann hat das in seiner Premierenkritik detailliert beschrieben. Das Urteil über dieses Stationendrama, das Tannhäuser als alter ego des Komponisten zeigt, dürfte angesichts der Fülle an unterschiedlich gelungenen Bildern und Einfällen bei den meisten Besuchern wohl disparat ausfallen. Unbestritten bewundernswert ist dagegen, mit welcher Sorgfalt die Wiederaufnahme szenisch wie musikalisch einstudiert worden ist.

Vergrößerung in neuem Fenster Tannhäuser (Jefrey Dowd) und Pilger

Gereift ist das Dirigat von Stefan Soltesz, der – so zumindest mein Eindruck, nicht nur aus dieser Aufführung – bei aller Strenge den Orchestermusikern die entscheidende Nuance an Freiheit lässt, die in früheren Jahren mitunter fehlte und, bei aller Bewunderung der orchestralen Brillanz, die Dirigate Soltesz' oft auch ein wenig steril erscheinen ließ. Dieser Tannhäuser klingt entspannt und abgeklärt, lebt vom entschlackten, kammermusikalisch klaren Klangbild und von den sehr natürlich gestalteten Phrasierungen. Allein in den Chorszenen wird der Klang etwas massig (da könnte Soltesz den sehr guten und klangvollen, gelegentlich zu allzu starkem Vibrato neigenden) Opernchor noch etwas zurücknehmen – aber vielleicht ist dieses etwas lärmende Moment ja durchaus im Sinne der Regie. Auch findet Soltesz eine ausgezeichnete Balance zwischen der führenden und der begleitenden Rolle des Orchesters, deckt die Sänger nie zu und hält doch jederzeit die Spannung. Die Essener Philharmoniker spielen auch an diesem Abend ganz hervorragend.

Vergrößerung in neuem Fenster

Tannhäuser

Gegenüber der Premierenbesetzung sind zwei Hauptpartien verändert. Jeffrey Dowd (der ursprünglich auch die Premiere singen sollte, aber kurzfristig absagen musste) gestaltet die Titelpartie und hat damit inzwischen fast alle Heldentenor-Rollen Wagners in Essen gesungen – obwohl die recht kleine, sehr helle und ziemlich enge Stimme diesem Fach nur bedingt gerecht wird. Das Timbre und die Leichtigkeit mögen den Klangvorstellungen des Dirigenten entgegen kommen, wirklich „heldisch“ sind sie nicht. Allerdings beherrscht Dowd die Partie sicher, hat Höhe und Ausdauer (wobei er sich seine Reserven klug einteilt und natürlich vom sängerfreundlichen Dirigat profitiert) und verfällt nie in Schreierei (was beim Tannhäuser ja durchaus etwas heißen will!). Mit Astrid Weber steht jetzt auch eine Venus von vokalem Format auf der Bühne, mit junger, aber zupackend dramatischer Stimme. Danielle Halbwachs als klangprächtige, großformatige Elisabeth und Heiko Trinsinger als gleichermaßen metallisch-heldischer wie nuanciert lyrischer Wolfram waren schon im Premierenjahr Glanzlichter der Produktion. An Format gewonnen hat der bärbeißige, aber keineswegs rumpelnde Biterolf von Alman Svilpa; solide, aber auch ein wenig neutral ist der (an Stelle von Marcel Rosca neu hinzu gekommene) sehr geradlinige Landgraf von Roman Astakhov.


FAZIT

Im Repertoire-Betrieb einen solchen auch trotz einiger Abstriche immer noch musikalisch hochkarätigen Tannhäuser auf die Beine zu stellen, das ist aller Achtung wert. Die Regie hält für jeden etwas zum Ärgern bereit und bietet doch auch eindrucksvolle Bilder.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Soltesz

Inszenierung
Hans Neuenfels

Mitarbeit Regie
und Dramaturgie
Susanne Oglaend

Bühne und Kostüme
Reinhard von der Thannen

Mitarbeit Bühnenbild
Martin Kinzlmaier

Licht
Jürgen Nase

Chor
Alexander Eberle

Dramaturgie
Ina Wragge

Szenische Leitung der Wiederaufnahme
Marijke Becker



Bewegungschor (Statisterie
des Aalto-Theaters)
Opern- und Extrachor
des Aalto-Theaters

Essener Philharmoniker


Solisten

* Premierenbesetzung

Tannhäuser
Jeffrey Dowd/
* Scott MacAllister

Elisabeth, Nichte
des Landgrafen

Danielle Halbwachs

Venus
Astrid Weber

Hermann, Landgraf
von Thüringen

Roman Astakhov

Wolfram von Eschenbach
Heiko Trinsinger

Walther von der
Vogelweide
Andreas Hermann/
* Thomas Piffka

Biterolf
Almas Svilpa

Heinrich der Schreiber
Christopher Lincoln

Reinmar von Zweter
Michael Haag

Ein junger Hirt
Christina Clark

Edelknaben
Mitglieder des
Aalto Kinderchors






Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Essen (Homepage)




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